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Ist es so ?

Von ehemaliges Mitglied Samstag 30.10.2021, 17:11

FEUILLETON Die ZEIT 28.10.21 - Gekürzter Auszug von Florian Illies

Wir scheinen in einem neuen Zeitalter des Hasses zu leben, im Internet und auf der Straße wird gehetzt. Haben wir verlernt zu lieben ? Das Deutschland der späten Zwanziger und frühen Dreißigerjahre kann den Blick, die Polarisierung der Gegenwart schärfen. Und für die Trägheit unserer Herzen.
Das radikale Freund-Feind-Denken, erstmals in den Parlamentsdebatten und den Straßenschlachten der Zwanzigerjahre zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten in der wackligen Demokratie von Weimar etabliert, kehrt plötzlich in den USA, in Russland, in Ungarn wie von Geisterhand zurück.
Die moralischen Abgründe des durchkorrumpierten Österreichs eines Sebastian Kurz aufgezeigt und als Krisenphänomen gewertet, bevor die Wirklichkeit in Form der Chatprotokolle aus der Führung der ÖVP kühnste Thesen noch übertroffen hat.
Aber wir müssen gar nicht nach Amerika oder Österreich schauen - der Hass hat sich längst auch bei uns genüsslich und teuflisch breitgemacht. Die Wutbürger laufen schimpfend mit hochrotem Kopf durchs Land und hacken dann nachts, wenn wieder ein Tag vorbei ist, der ihnen neue Kränkungen gebracht hat, mit zwei Fingern ihre wütenden Kommentare ins Internet. Egal, ob über Gendersprache gestritten wird, über verbale Jugendsünden, Corona-Maßnahmen oder veganes Essen - es geht nur noch im Ton der Empörung.
Wer als Politiker eine falsche Bewegung macht und wer als Kommentator einen falschen Halbsatz sagt, der wird seines Lebens nicht mehr froh, so laut wird im Internet und in den Medien auf ihn eingeprügelt, bis er Polizeischutz braucht oder einen Therapeuten. Es geht nie ums Argument oder den Austausch, sondern immer nur um Rechthaben. Das paradoxe Motto heißt : Likes sammeln für den schönen Hass. Ein binäres Denken hat sich ausgebreitet, ein unbarmherziges Entweder-oder, das vor allem bei Twitter oder Facebook in Sekundenschnelle ausartet. "Oft sind dieselben, die dort Hass und Hetze verurteilen" schreibt Malte Lehming im Tagesspiegel, "dann aber ihrerseits hassen und hetzen".

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