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Weihnachten 1971 Teil 2 Ende

Von Feierabend-Mitglied Donnerstag 12.12.2019, 20:49

Es begann eine geschäftige Zeit, Mutter erwachte zu neuem Leben. Sie gab sehr bestimmt ihre Aufträge, das waren wir von dieser immer so stillen Person nicht gewohnt. Die Brüder sollten eine Puppenstube besorgen oder selbst bauen, mit je zwei Zimmern unten und oben. Mein handwerklich sehr geschickter Bruder, der eine kleine Holzwerkstatt hatte. sollte die kleinen Möbel dafür herstellen, der andere, sehr gut im Umgang mit Elektrik hatte kleine Lampen mit Batteriebetrieb zu machen. Oma sollte mit den Kindern die schönsten Plätzchen backen und ich war zuständig für den Einkauf und die Zimmerdekoration. Unsere Mutter nahm hohe Gaben an Kortison, damit sie ihre verkrüppelten Hände bewegen konnte, sie hatte das Kortison im Krankenhaus gebunkert.

So verging eine geheimnisvolle Zeit, ins Schlafzimmer meiner Mutter durfte in dieser Zeit niemand, aber wir hörten manchmal ihren glockenreinen Gesang deutscher Weihnachtslieder. Meine Töchter waren glücklich, wenn sie den Abend mit ihrer Oma im Wohnzimmer auf dem Sofa verbringen durften. Sie liebten meine Mutter, ihre Märchen und Geschichten und ihre Wärme.

Endlich war es Heilig Abend, Oma hatte in der Küche alles vorbereitet, die Mädchen mussten im Zimmer der Oma bleiben. Die Brüder brachten alles aus dem Schlafzimmer und bauten es im Weihnachtszimmer auf, Mutter schleppte sich mit ihrem Stock, aber strahlend, auf die Couch, dann wurden die Kerzen am Baum angezündet und das Glöckchen klingelte.

Auf der Kommode stand das Puppenhaus, sie hatte mit ihren Händen Gardinen genäht, Kissen und Decken gehäkelt, eine winzig kleine Tischdecke und in jedem Raum lag ein gestrickter Teppich und die kleinen Lampen machten es wunderschön. Vier kleine Stoffpuppen hatte sie auch hergestellt. Ich brach in Tränen aus, denn so eine Puppenstube hatte meine Mutter mir in nächtelanger Arbeit als Kind gemacht, mein Vater hat sie jedoch nach ca 4 Wochen in seinem Tante Emma Laden verkauft. Diesen Verlust hatte ich nie überwunden und nun besaßen meine Mädchen so ein wunderschönes Puppenhaus. Meine Mutter schaute mich liebevoll und intensiv an und sagte:" Es hat mir soviel Freude in den letzten Wochen bereitet....

Für meine Brüder hatte sie für jeden ein wunderbares Gedicht geschrieben mit kleinen Episoden aus der Kindheit, ich bekam ihren Trauring, sie war geschieden, und 3 Fotoalben. Pass gut darauf auf, wenn ich mal nicht mehr bin.....
Für Oma sollte ich dünnes Garn besorgen, denn sie liebte es, Taschentücher zu behäkeln.
Wir verbrachten einen wunderschönen Weihnachtsabend mit einem guten Essen, Weihnachtsgedichten der Mädchen, wir sangen viele Weihnachtslieder und begleiteten uns auf verschiedenen Instrumenten. Den glockenreinen Sopran meiner Mutter und ihre Inbrunst werde ich nie vergessen. Oma sollte die Weihnachtsgeschichte vorlesen, aber sie war Analphabetin und sagte sie auswendig auf, die kleinen Fehler, die die Geschichte veränderten, ließen uns schmunzeln. Überhaupt haben wir an diesem Abend so viel gelacht, wie schon lange nicht mehr.

Mutter schlief gegen 21 Uhr erschöpft auf dem Sofa ein mit einem Lächeln im Gesicht. Mir liefen fast den ganzen Abend Tränen der Rührung über das Gesicht, aber auch ein nicht definierbares Gefühl von Trauer und Schmerz, als ob ich schon eine innere Ahnung des Abschieds hatte. Merkwürdig, dass diese Erinnerung mich dieses Jahr besonders einholt und bewegt, es ist
48 Jahre her......

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