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Ein unvergessliches Erlebnis

Von Feierabend-Mitglied Donnerstag 23.01.2020, 12:36 – geändert Donnerstag 23.01.2020, 12:45

Gestern rief mich eine Bekannte an, die einen Autounfall hatte, zum Glück nur mit Sachschaden. Sie erzählte, dass der Unfallverursacher, 82 Jahre alt, nur noch 20% Sehkraft hatte und die Polizei ihm sofort den Führerschein abnahm.

Da erinnerte ich mich an ein Erlebnis, dass ich vor 9 Jahren im Voralpenland hatte. Ich besuchte nach vielen Jahren eine ehemalige Schulfreundin, die noch einmal geheiratet hat. Ihr Mann war 14 Jahre älter und er hielt sich hauptsächlich in seinem Zimmer auf, damit wir Zeit hatten, alte Erinnerungen auszutauschen.
Der Ort ist recht klein und hat nur 2 Supermärkte, die Heidrun ohne Auto nicht mehr zu Fuss aufsuchen konnte. Sie hat keinen Führerschein.

Am 2.Tag schlug sie vor, ein Stück mit dem Auto zu einem netten Restaurant zu fahren und mir als Großstadtkind ein wenig die Landschaft zu zeigen. Ihr Mann fuhr uns, sehr langsam, aber ich dachte, er macht das meinetwegen, damit ich in Ruhe schauen kann. Es war kaum Verkehr und wir fuhren einen Berg hinauf über viele Kurven. Ich wurde bereits stutzig, weil Heidrun ständig und auch sehr nervös Anweisungen gab und manchmal sogar ins Lenkrad griff. "Jetzt etwas links Walter, mehr rechts, fahr langsam, da kommt uns einer entgegen, stop, da will einer überholen." In einer Kurve fuhr er etwas zu weit rechts dicht an den Abhang. Heidrun schrie ihn an: " Anhalten, sofort anhalten!!!! Wir stiegen aus und sie sagte zu mir:" Brigitte, du fährst jetzt weiter". Ich hab zwar einen Führerschein, bin aber 20 Jahre nicht mehr gefahren und weigerte mich trotz aller Versuche, mich zu überreden, mich ans Steuer zu setzen. Nach mehrmaligen Nachfragen stellte sich heraus, dass Walter nur noch 10% Sehkraft hatte und sonst nur noch zum Supermarkt in Begleitung seiner Frau fuhr.

Der Schrecken saß mir in allen Gliedern, ich spürte aber auch einen solchen Ärger in mir über diesen bodenlosen Leichtsinn, und dass man mir das verschwiegen hatte. Heidrun meinte, wir fahren jetzt langsam nach Hause, ich koch uns was und dann machen wir uns einen schönen Nachmittag. Walter stand neben dem Auto und schwieg.
Ich weigerte mich, wieder einzusteigen, wir waren ca. 8 km von der Wohnung entfernt. So beschloss ich, die Strecke zu Fuß zurück zu laufen. Ich stieß auf totales Unverständnis und die Beiden fuhren los. Vor 8 Jahren traute ich mir diese Strecke noch zu. Ich hatte ja auch keine andere Wahl.

Der Weg nahm kein Ende, ich hatte das Gefühl, schon Stunden unterwegs zu sein. Um den Ärger, die schlechte Stimmung und meine schmerzenden Beine zu vergessen begann ich, laut zu singen. Ich war selbst erstaunt, wie riesengroß mein Repertoire war.
Texte, die ich wohl schon 50 Jahre nicht mehr gesungen hatte, fielen mir ein, die Sonne schien, die Weite um mich war herrlich und meine Seele beruhigte sich und wurde sogar froh.
Allergings nur, bis ich schließlich ankam, denn die Atmosphäre war eisig, wir sprachen kaum noch, Walter war nicht mehr zu sehen. Am nächsten Morgen fuhr ich mit der Bahn zurück nach Berlin, ganz entspannt und dankbar, dieser Grenzsituation entkommen zu sein-
Heidrun hat nie wieder auf meine Briefe geantwortet.

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