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Ein Traum der Freude

Von tastifix Mittwoch 22.05.2019, 20:21

Eines Abends war ich so groggy, dass ich ins Bett sank und sofort einschlief. Ich schaffte es nicht mal mehr, die Ereignisse des Tages Revue passieren zu lassen.

Plötzlich schreckte ich auf. Irgendjemand zupfte wie ungeduldig am Ärmel meines Nachthemdes. Vielleicht, dass eine meiner Töchter …?
„Wie, ist es denn schon Morgen?“
Blinzelnd öffnete ich die Augen. Ich schaute nicht ins gewohnte Dunkel. Dagegen war es taghell in meinem Zimmer und im Hintergrund hörte ich leise Musik.
„Steh auf und zieh dies hier an!“
Jener Jemand dort neben dem Bett sah mich liebevoll an.
„Keine Angst. Ich bin Gabriel, dein Schutzengel und soll dich abholen!“
„Ja, aber wohin denn nur?“,stammelte ich völlig durcheinander.
„Frag nicht und folge mir einfach!“
Gabriel hielt mir ein bodenlanges, champagnerfarbenes Kleid entgegen.
´Bestimmt reine Seide!`
Ohne weiter zu grübeln, warum, wieso, weshalb schlüpfte ich hinein. Es passte wie für mich genäht und ich fühlte mich wie eine Prinzessin. Gabriel öffnete derweil weit das Dachfenster und ergriff meine Hand.
„Nur Mut!“
Lautlos schwebten wir nach draußen und dann immer höher in den nachtblauen Himmel hinauf. Das Licht der großen und kleinen Sterne beleuchtete den Weg, die Musik begleitete uns und verzauberte mein Herz. Die schweren Alltagsgedanken waren wie ausgelöscht. Stattdessen empfand ich die Freude eines Kindes, dem eine Überraschung zuteil wird.
„Na, aufgeregt?“, fragte Gabriel lächelnd.
„Z..Ziemlich! Schließlich fliege ich nicht jede Nacht hier herum!“
„Genieße es!“
Und geheimnisvoll setzte er hinzu:
„Es ist deine Nacht!“
Darauf die Stirn zu runzeln, wäre mehr als unhöflich und zudem beinahe ebenso unpassend gewesen. Stattdessen schielte ich meinen Schutzengel aufmerksam an.
`Nicht, dass ich mich beim Fliegen blamiere!`
Gabriels Miene nach zu urteilen, war anscheinend alles in bester Ordnung. Ich bemühte mich um eine möglichst gute Flughaltung, breitete die Arme zur Seite aus und hielt meine Beine völlig ruhig. Dabei fühlte ich mich leicht wie eine Feder und es strengte überhaupt nicht an.
Wir flogen an Sonnen und Monden vorüber. Die Sonnen grüßten mich mit einem strahlenden Leuchten und die Monde schenkten mir einen schüchternen Lichtstrahl. Nichts störte den tiefen Frieden.

„Gleich sind wir da!“, kündigte Gabriel an.
Kurz darauf erblickte ich in der Ferne ein weißes Gebäude. Je näher wir kamen, umso prächtiger erschien es mir. Es war ein herrliches Schloss.
´Ooh!!`
Auf einmal formten sich breite weiße Treppenstufen, die uns weit nach oben bis zu einem geschwungenen Portal führten. Dieses glitt vor uns auseinander und ich fand mich in einem großen Saal wieder. An den Wänden hingen Halter mit leicht vor sich hin flackernden Kerzen. Davor wuchsen in goldenen Gefäßen die schönsten Pflanzen, die ich je gesehen hatte. Die riesigen Blüten in allen nur vorstellbaren Farben dufteten wundersam wie das edelste Parfum, welches wir auf Erden kennen. Ringsum standen weiße Sofas mit verschnörkelten Rücken- und Armlehnen und davor grazile weiße Tische.
„Wo sind wir hier?“, fragte ich Gabriel.
„Im Schloss der Engel. Hier bin ich zu hause.“
„Ach bitte, zeigst du mir alles? Werd ich auch andere Engel kennenlernen??“
Er nickte.
„Wir besuchen gleich unsere Jungengel. - Hm, sie wissen von dir, aber du kennst sie gewiss nicht, oder?“
Ich schüttelte den Kopf.
´Religion war ja nicht mein Lieblingsfach! In den Stunden hab ich es vorgezogen, unterm Pult Mickymaus zu lesen! Gut nur, dass er da nicht weiter nachfragt!`
Wenig später betraten wir ein riesiges Kinderzimmer, dessen Wände ebenfalls blütenweiß waren. Auf den Fensterbänken rankten weiße und rote Rosen, auf dem Boden lagen Teppiche aus Blütenblättern. Die Jungengel sahen reizend aus. Unter goldblonder Lockenpracht strahlten mir blitzblaue Augen entgegen. Über ihren weißen und roten Kleidern trugen sie weiße Schürzen. Sie bestürmten mich mit Fragen:
„Wie ist es eigentlich dort unten auf der Erde? Was spielen denn eure Kinder so den ganzen Tag?“
Ich erzählte und erzählte. Ab und zu unterbrach mich ein Engel.
´Die sind genauso neugierig wie unsere Kleinen!`
Als ich alles beantwortet hatte, schlug ein Jungengel vor:
„Komm mit! Ich zeig dir etwas!“
Er führte mich zu einem Schrank und öffnete ihn.
„Sieh mal! Das haben wir alles selber gebastelt. Wir malen Weihnachtskarten, binden hübsche Adventskalender, werkeln Tannenbaumkugeln und schnitzen Holzengel und die Tiere für die Weihnachtskrippen. Dabei helfen uns die Großen allerdings. Das ist nämlich sehr schwierig.“
Ich staunte:
´Welche Mühe sie sich gegeben haben!`
Die Holzengel trugen bunte Gewänder mit zarten Mustern, den Ochsen und Eseln hatten sie braun-weiß geschecktes Fell aufgemalt und die Kugeln glänzten in zig Farben.

Die Jungengel fassten mich an den Händen und wir schwebten ins nächste Zimmer. Mitten im Raum standen etwa zwanzig Instrumentenständer, die aussahen wie riesige Notenschlüssel. Sie besaßen Ablagen für die Posaunen und Geigen, die ringsum an den Wänden lehnten. Mit vor Stolz geröteten Wangen spielten mir einige Engel auf ihren Geigen eine liebliche Melodie vor. Ergriffen lauschte ich und hätte stundenlang zuhören mögen.

Noch während ich verzückt dort stand, stieg lichter Nebel auf und verhüllte die Engel. Ich wollte noch rufen ´Bitte, bleibt bei mir!`, doch schon waren sie verschwunden.
Auf einmal fand mich auf einer strahlend weißen Wolke wieder, gewandet in eines jener leuchtenden Engelsgewänder, die ich vordem so sehr bewundert hatte. Und auf dem Rücken trug ich zwei zarte Flügel. Neben mir stand wieder Engel Gabriel und breitete schützend die seinen über mir aus.
„Ich verstehe nicht ...“
„Du musst nichts verstehen. Freue Dich!“
Er führte mich vor einen goldumrahmten Spiegel. Fasziniert betrachtete ich mich.
„Ich bin ja ... Aber, wie das?“
„Du bist ein guter Mensch und dies ist deine Belohnung. Du sollst Seligkeit empfinden und als einer von uns den Herrgott schauen dürfen.“
Wir flogen durch prächtigen Säle. Lautlos öffneten sich Türen und genauso leise schlossen sie sich hinter uns wieder. Das uns umgebende Licht leuchtete zunehmend heller und dann so gleißend hell, wie ich es auf Erden noch niemals gesehen hatte. Gabriel verhielt vor einem goldenen Tor, half mir beim Zusammenfalten meiner Flügel und sprach ein kurzes Gebet. Daraufhin öffnetze es sich und gab den Blick frei auf einen Saal, dessen Pracht mich verstummen ließ. Die Wände waren mit wunderschönen Mosaiken geschmückt, die vom Leben Jesu auf Erden erzählten und ringsherum luden Stühle mit hohen Lehnen zum Verweilen ein. Am Kopfende des Saales aber erblickte ich den rubinroten Thronsessel des Herrn.

Eine überirdisch feierliche Musik erklang. Gabriel und ich sanken andächtig auf die Knie. In einem Strahlenkranz erschien der Schöpfer. In seiner linken Hand flackerte eine rote Kerze, das Symbol für Liebe und Frieden. Er trat zu mir und segnete mich. Dann sprach er:
„Nimm dieses Licht und bring es den Menschen, damit es ihnen Trost und Freude in ihrem Leben schenke!“
Mit bebenden Fingern umschloss ich die Kerze. Ich wollte etwas entgegnen, ihm danken, aber ich brachte kein Wort über die Lippen. Wieder legte Gabriel seine Flügel um mich. Überglücklich schloss ich die Augen.

Als ich sie wieder öffnete, war das himmlische Schloss verschwunden und mit ihm auch Engel Gabriel. Ja, ich lag daheim in meinem Bett und dachte, dass alles wohl doch nur ein Traum gewesen war. Aber dort auf meinem Nachttisch leuchtete noch immer jene Kerze in ihrem goldgelben Schein.

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