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Malerische Hommage an den Herbst

Von Fiddigeigei Mittwoch 09.10.2019, 12:39

Der Herbstmaler

Gestern noch war der Tag trübe und grau. Als Ferdinand heute erwachte, sah er bereits Rosa Wölkchen über den dunklen Bergen schweben und wo Rosa Wölkchen sind, kann die Sonne nicht weit sein.
Er sprang mit einem Satz aus dem warmen Bett, gähnte und streckte sich, ging ins Bad um sich die Zähne zu putzen und zog sich an, um dann in seiner gemütlichen Wohnküche ein einfaches Frühstück zu genießen.
In der Zwischenzeit hatten die Rosa Wölkchen den ersten Sonnenstrahlen Platz gemacht, die neugierig durchs Fenster mit den rotkarierten Vorhängen in die Küche lugten.
Ferdinand pfiff fröhlich vor sich hin, wie er seine Malutensilien in den alten mit Farben vertropften Holzkasten packte, griff nach einem neuen Stück Leinwand, einen Klappstuhl und der Malerstaffelei, welche wohl so alt war wie der Maler Ferdinand selbst.
An der Garderobe hing der schwarze breitrandige Schlapphut, dass Zeichen seiner Zunft. Er stieg in sein klapperiges Auto um an die Stelle zu fahren, von wo er die Herbstlandschaft einfangen und lange schon malen wollte.
Ferdinand war kein expressiver Maler, der mit wenigen kühnen Pinselstrichen etwas ausdrücken wollte, wo man nachdenken musste, was denn nun den Künstler bewegt hat, Ferdinand freute sich über die Werke seiner jungen wilden Kollegen, die viel mehr Erfolg hatten wie er, er der nicht mehr mit dem Zeitgeist gehen wollte.
Er liebte das milde Herbstlicht und malte mit warmen Acrylfarben, das was seine Augen sahen. Es waren beileibe keine Bilder, die manche über ihre Sofas hängten, nein seine Bilder verbanden die Natur zu einer Symphonie der Farben, verschmolzen mit der Landschaft.
Der goldene Schnitt war der Übergang vom Talboden zu den sacht aufsteigenden Weinberge, die die Linie zu den Schwarzen Bergen schafften.
Seine Farben waren etwas ganz besonderes und jede wurde sorgfältig angemischt. Seine Farben waren Eingebungen die er nicht erfand, sonder die in seinem Inneren gemischt wurden, eigentlich ohne sein Zutun. Er war nur der ausführende Pinsel auf der Leinwand.
Er sah die braune grobgebrochene Ackerkrume. Das gelbe Stoppelfeld, welches Gerste getragen hatte. Eine Maisplantage, auf den Pflücker wartend. Weissgelblicher Irrgarten. An den hohen Stängel gelbglänzende reife Maiskolben die wie Kobolde aus ihrer vertrocknenden Hülle blinzeln.
Dahinter die weitläufigen grünen Obstwiesen, mit den flammenlodernden Kirschbäumen, augereiht in Reih und Glied. Den blätterleeren Apfelbäumen mit vergessenen runden rotbackingen Früchten an den Ästen.
Sein Blick ging aufsteigend in die Weinberge. Jeder Weinberg geschmückt mit dem farbenfrohen Laub seiner Sorte. Riesling, Spätburgunder, Grau und Weißburgunder. Grün, gelb, rot in allen Schattierungen. Ein geordnetes Durcheinander. Es ist wie auf einem riesigen Schachbrett dessen Quadrate nicht eintönig sind sondern jedes Feld in einer anderen Farbe leuchtet.
Herbstlich gefärbte Lärchen, Esskastanien, Birken, Buchen und Ahorn bilden die Grenze zwischen dem Dunkel der Tannen und Fichten, die steil bis zu den Bergkuppen wie ein undurchdringlicher Urwald hinauf wachsen. Hinauf bis zu dem dunstigblauen Himmel und einigen weißen Wölkchen.
Ferdinand sog das alles in sich hinein. Dann erfasste ihn ein Rausch, ein Farbenrausch. Er griff zum Pinsel.
Wie in einer Trance der Sinne begann er die gesehenen Farben auf die noch weiße unschuldige Leinwand aufzutragen.

Wie Ferdinand des anderen Tages erwachte, war der Himmel wieder grau und trübe. Er stand auf, wie er es jeden Tag tat. Nach dem Frühstück betrachtete er in seinem Atelier das was er gestern bei herbstlichem Sonnenschein gemalt hatte. Dann hing er einen kleinen Zettel an das ungerahmte Bild:
„Unverkäuflich!“
Carlos

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