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Gefiedertes Glück

Von tastifix Montag 11.03.2024, 06:07 – geändert Montag 15.04.2024, 00:05

Wieder einmal war es Frühjahr geworden ...

Blauflügelchen, ein junges attraktiver Meisenmännchen, warb tagelang um ein ebenso schönes Weibchen und trällerte sich fast die Stimme aus der Kehle. Gelbbrüstchen, seine Auserwählte, lauschte kritisch auch dem Balzgesang anderer Bewerber. Denn es ging darum, den wirklich passenden Papa für die zukünftige Kinderschar auszusuchen. Hübsch sollte er sein, ein tadellos gepflegtes Gefieder haben, tolle Arien beherrschen und dann als Architekt wirklich einsame Spitze sein. Denn viel zu oft hatte sie sich schon grauenhaft schiefe Melodien anhören und zerfledderte Federkleider ansehen müssen. Brr! Darum stellte sie jetzt hohe Ansprüche, was selbstverständlich die Zahl der Kandidaten, die sie in die engere Wahl zog, ganz erheblich beschränkte.

Und dann trat Blauflügelchen auf die Bühne, tirilierte besser als mancher menschliche Opernsänger und tanzte sogar dazu. Er plusterte sich imponierend auf, hüpfte vin einem Bein aufs andere und schlug mit den prachtvoll schillernden Flügeln. Die anderen Verehrer waren vergessen und sie genoss fasziniert seine Arie. Immer stärler klopfte ihr kleines Vogelherz und sie wandte den Blick nicht mehr von ihm. Blauflügelchen setzte seinen ganzen Charme ein. Überraschend für die kleine Angebetete und auch für die wegen jener tollen Idee dann neidischen Konkurrenten flatterte er hinunter auf die Wiese unter dem Baum, pickte etwas auf und kehrte mit einer niedlichen Gänseblume im Schnabel auf seinen Zweig zurück. Mal drehte er den Kopf nach links, mal nach rechts, damit Gelbbtrüstdhen die Blume von allen Seiten bewundern konnte. Ja, ein solch süßes Geschenk war noch keinem Anderen eingefallen. Sie entschied: Allein er kam als Papa ihrer Kinder infrage, nur er.

Sie rief ihm ein liebes Piep zu, er antwortete mit einem freudigen Triller. Mutiger geworden, flatterte Blauflügelchen zu ihr, setzte sich eng neben sie und blickte froh in ihre schönen dunklen Augen. Ja, er hatte sich verliebt. Leise zärtlich piepsend u-rupften sich die Zwei gegenseitig eine Nackenfeder aus und legten sie und die Blume auf ihrem Ast ordentlich nebeneinander. Sie -wollten sie nämlich ins Dach ihres Luxusnestes in einem der Bäume direkt an dem großen Teich in der Nähe einbauen.

Dabei wurde es für Blauflügelchen sehr anstrengend. Gelbbrüstchen kommandierte ihn nach Strich und Faden herum, wie denn das Nest ausschauen sollte und er musste immer wieder noch kleine Änderungen vornehmen, bis sie endlich mit einem begeisterten Pieppiep ihr Einverständnis erklärte. Das Dach des Nestes sah so schön aus wie kein zweites in der Nachbarschaft. Die Blüte des Gänseblümchens hing wie eine Minisonne an der Decke und die zwei um die Blume eingeflochtenen Federn zierten sie ungemein. Es sah sehr romantisch aus. Glücklich kuschelten sich Gelbbrüstchen und Blauflügelchen abends in ihrem neuen gemeinsamen Zuhause aneinander.

Bald darauf legte Gelbbrüstchen vier winzige Eier, eines hübscher als das andere und beschäftigte sich fürsorglich damit, sie auszubrüten. Blauflügelchen versorgte sie derweil stolz mit den leckersten Happen, die er erhaschen konnte. Und wenn die Dunkelheuit herein brach, zwitscherte er seiner Liebsten ein zartes Liebeslied vor. Sie schloss entzückt die Augen und schlummerte froh ein. Es dauerte nicht lange und die Kleinen schlüpften. Noch waren sie ja nackt und nichts verriet ihre zukünftige Schönheit. Aber für Gelbbrüstchen und Blauflügelchen waren es schon jetzt die niedlichsten Meisenkinder der ganzen Welt.
Wenige Tage später trugen sie ein weiches strubbeliges Daunenkleid. Von Tag zu Tag sahen sie putziger aus und Gelbbrüstchen und Blauflügelchen betrachteten sie stolz.Unermüdlich schafften sie für den süßen Nachwuchs Futter herbei.

Tja, Vogelkinder wachsen rasch und werden, wie alle Kinder auf Erden, zunehmend kecker, erst recht dann, wenn sie dermaßen umsorgt und verwöhnt wurden wie diese Vier.
„Mama, üiep, aber den Regenwurm mag ich nicht. Ich will ´ne Mücke!“
„Mama, der hat mir die Fliege aus dem Schnabel geklaut, pieps, mecker!“
„Papa, der schubst mich immer!“
„Mach ich gar nicht, piepiep!“, empörte sich das Vierte.
Ab und an entfuhr ihren Eltern denn doch ein leiser Seufzer:
„Die benehmen sich ja nun fast so aufmüpfig wie einige Menschenkinder! O je!“
„Bald fliegen sie ja ihrer eigenen Wege!“, tröstete Blauflügelchen.
„Zum Glück!“,seufzte Gelbbrüstchen zurück. „Noch länger brauchen wir dieses Fitnessprogramm denn doch nicht!!"
Darin waren sie sich einig.

Als die Vier sich jedoch dann, in nun fast so hübschem Federkleid wie ihre Eltern, zum ersten Male in die Luft erhoben, war all das Seufzen vergessen:
„Sieh mal, wie anmutig sie mit den Flügeln schlagen ...“
„Und sie üben schon ihre Liedchen!“
„Es gibt doch nichts Schöneres auf Erden als Kinder zu haben!“
Sie stiegen ebenfalls in die Luft und umkreisten die Kinderschar. Fröhlich flatterten sie im Sonnenschein, jagten wie bunte Pfeile von Baum zu Baum und spielten übermütig Fangen.

Den Menschen, die zuschauten, ging das Herz auf.

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