Platzmangel

Platzmangel
Joa Bosch ©BJS

Irgendwo da draußen, zwischen Himmel und Hölle, traf man sich nach jedem Millennium immer wieder, tauschte Neuigkeiten aus, schwätzte über dies und das, zog dann um die Tempel und ließ den lieben Gott einen guten Mann sein. Diesmal war aber alles ganz anders.
Michael, als oberster in der Hierarchie, hatte zuvor angekündigt, dass auch die Konkurrenz, auf deren dringenden Wunsch, zu dem Treffen eingeladen sei. Vor Äonen war man noch ein Team gewesen, aber als sich einige damals aus Hochmut der obersten Ordnung widersetzten, wurden sie verbannt, und seit Ewigkeiten waren sich beide Parteien spinnefeind.

Seinen Mitstreitern, Gabriel, Raphael und Uriel hat Michael zuvor eröffnet, dass er von höchster Stelle grünes Licht für Verhandlungen mit denen da unten bekommen habe. Den vieren war diese heikle Situation klar, und sie baten den höchsten in der Rangordnung von denen da unten um Diskretion, was dieser auch hoch und heilig versprach. Jetzt war es soweit und man traf sich im Nichts, die vier Erzengel und der einstige Liebling Gottes, Luzifer mit seinem Gefolge.

Es war eine aberwitzige Situation, auf der einen Seite die Streiter Gottes und auf der anderen die gefallenen Engel und Widersacher des Herrn. Luzifer eröffnete die Begrüßung:
„Ich, Satan und Allmacht der ewigen Finsternis, grüße Dich, Michael, Fürst der himmlischen Heerscharen.“ Der Erzengel zwang sich ein verächtliches Lächeln ab und erwiderte: „Jaja, Herr der Fliegen, ist schon gut, komm zur Sache, was ist denn Dein dringlich Begehr?“
Luzifer antwortete: „Nun, es sind diese Menschenseelen, die mir zu schaffen machen. Ihr habt uns jede Menge geschickt und ich habe mir auch viel zu viele geholt. Die Hölle ist randvoll! Entweder ändert der Alte Mann da oben seine Zehn Gebote und lässt mehr Gefehlte ins Paradies oder wir holen keine Seelen mehr ab. Die können dann von mir aus im Nichts verkommen. So einfach ist das.“

Michael entgegnete: „Ja, der Herr hat das ökologische Problem schon längst erkannt und ist zu folgendem Kompromiss bereit:
Die Todsündigen sind weiterhin Eure Klienten, wir lassen dafür alle Beutelschneider, Habgierigen, Schurken und Wucherer, aber vor allem die betrügerischen Banker, auch die, die schon bei euch einsitzen, sofort ins Himmelreich rein. Da dürfte sich Dein Jammertal um die Hälfte leeren und wir müssten nicht mal den Garten Eden erweitern.“
Luzifer willigte ein, auch der Herr stimmte wohlgefällig zu und eine neue Ordnung begann.

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So, geneigte Leser, jetzt wissen Sie auch, warum Ganoven im Nadelstreifen vor der irdischen Justitia meist davonkommen und jetzt auch noch vor dem Allerhöchsten Gnade finden.