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Mord im Schonwaschgang

Von Pinnacle Dienstag 02.06.2020, 08:08

Mord im Schonwaschgang
Joa Bosch ©BJS

Nein, Carla konnte in ihrer Lebensbilanz überhaupt nichts Positives entdecken.
Sie fand sich schon immer ungeliebt, ausgenutzt und unverstanden. Seit ihrer Kindheit nagte stets ein starker Lebenskummer in ihr. Jetzt um so mehr, nachdem ihre vermeintlich beste Kollegin Tanja, sie so schmählich im Betrieb verraten hatte.

Es war eine veraltete Wäscherei für Hotelwäsche und Berufskleidung, in der vom Leben gezeichnete Frauen auf niedrigstem Lohnniveau zwischen großen dampfenden und fauchenden Maschinen mühselig ihre Arbeit verrichteten. Einziger Lichtblick in dieser trostlosen Atmosphäre war der Moment, wenn die anfängliche Schmutzwäsche gereinigt, blütenweiß und frisch duftend aus dem Mangler kam und von den verhärmten Frauen zusammengelegt wurde.

Die Auftragslage war in diesem maroden Betrieb überhaupt nicht rosig und die Betriebsleitung machte deutlich, dass demnächst mit mehreren Entlassungen zu rechnen sei. Carla war unter den Frauen wegen ihres verschlossenen Wesens nicht beliebt und so wurde sie zur Zielscheibe von Spott und Mobbing ausgegrenzt.
Nur Tanja, die wesentlich jünger war, sprach mit ihr in den Pausen ein paar nette Worte. Carla vertraute Tanja mit der Zeit ihre Probleme an. Sie erzählte von ihren Sorgen, Nöten und Ängsten. Von ihrem verstorbenen Vater, der ihr nur Schulden hinterlassen hatte und von ihrem Mann, der sie betrogen und verlassen hatte und auch von ihrer kleinen Tochter, die sie alleine aufziehen und versorgen musste.

Irgendwann bemerkte Carla, dass die anderen Frauen hinter ihrem Rücken anfingen zu tuscheln und zu kichern. Carla erkannte dann beim aufmerksamen Zuhören, dass es Dinge waren, die sie nur Tanja anvertraut hatte. Und ihr ständiger Lebenskummer fraß sich, mit Scham und Angst über diesen Verrat, noch tiefer in ihr Herz.
Carla war an dem Punkt angelangt wo ihr Gefühl Rache forderte. Rache für all das ihr zugefügte Unrecht im Leben. Tanja soll jetzt dafür büssen. In der nächsten Nachtschicht muss sie sterben, flüsterte etwas in ihr.

Am darauffolgenden Abend war es dann soweit. In der Nachtschicht begannen beide Frauen die Maschinen mit schmutziger Wäsche zu beladen. Tanja plauderte mit falscher Freundlichkeit und Carla ließ sich darauf ein. Dabei platzierte Carla geschickt die ahnungslose Tanja vor den großen Industrie-Waschautomaten und warf ihr die Schmutzwäsche zum Einwerfen zu. Als Carla sie dann plötzlich in die Öffnung der Maschine stieß, lachte Tanja immer noch über den vermeintlichen Scherz. Dann verschloss Carla die Tür und startete lächelnd das Kochwasch-Programm. Nach einer Weile zündete sie sich eine Zigarette an und schaltete auf den Schonwaschgang. Carla war mit ihrer Arbeit zufrieden.

Der Morgen graute und die Frauen der Frühschicht fanden Carla sitzend vor der Waschmaschine. Die Haare hingen ihr wirr ins Gesicht, sie starrte unbewegt in das Bullauge der Maschine. Mit Entsetzen sahen die Kolleginnen darin Tanjas Antlitz mit den weit aufgerissenen, kalten und toten Augen im klaren Wasser schwimmen. Carla murmelte immer wieder nur einen Satz: „Jetzt ist alles bereinigt - sauber und rein“

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