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Das Osterei

Von Feierabend-Mitglied Donnerstag 28.03.2024, 09:49 – geändert Donnerstag 28.03.2024, 10:55


Morgen ist Ostern. Noch ist es nicht so richtig warm und ich glaube auch nicht, dass in diesem Jahr die Kinder Ostereier in den Wiesen finden werden. Das Wetter ist wieder einmal genauso unberechenbar wie die Menschen es sind.
Ich, schon lange kein Kind mehr, will mich nicht vom düsteren Wetter beeindrucken lassen. Kreuz und quer bin ich über weite Wiesen gelaufen, ganz allein. Gegen Mittag zeigt sich endlich die Sonne, als ob ein kluger Regisseur eine neue Szene einspielt und der Frühling die Bühne betritt. In der Ferne und am Ende der Wiese sehe ich einen großen Busch, dessen Blüten farbenfroh im Sonnenschein leuchten. Noch kann ich nichts Genaues erkennen, denn meine Brille habe ich zu Hause vergessen, dennoch weiß ich sehr genau, dass kein Busch so bunt blüht.

Flammend züngelt neben dem blühenden Busch ein Feuer in den Himmel, umtanzt von unzähligen Kobolden, die durch das Feuer schemenhaft erscheinen, da ihre Konturen in der Hitze der Flammen verschwimmen. Und das alles am heller lichten Tag! Neugierig beeile ich mich zum Busch zu gelangen und erkenne bald, dass er über und über mit bunten Ostereiern behangen ist. Tatsächlich sind es kleine Kobolde, die nach einer imaginären Musik um das Feuer und um den Osterbusch tanzen. Sie scheinen mich nicht zu beachten oder sie sehen mich nicht, weil ich ein Mensch bin. Staunend und ohne Angst nähere ich mich den Zweigen und betrachte die bunten Ostereier. Eines ist schöner als das Andere und ein jedes ist mit einer wunderschönen Schleife zwischen den Blättchen befestigt. Ich kann mich nicht satt sehen. Mir kommt es vor, als ob jedes Osterei mich bittet es zu betrachten, es zu berühren und mitzunehmen.

Auf einmal spricht aus dem Knistern der Flammen eine Stimme zu mir: „Nur eines ist für dich. Wähle gut und dann gehe!“
Vor mir neigt sich ein kleiner Ast nach unten und legt mir ein feuerrotes Ei in die Handfläche. Wie von selbst löst sich die Schleife. Nun, unter wählen verstehe ich etwas anderes. Ich binde es wieder fest, auch wenn es noch so schön ist, und gehe einmal um den Busch. Die Kobolde tanzen um mich herum und auch das Feuer macht einen Feuerkreis um den ganzen Busch, ich mitten drin.
Dann sehe ich es - MEIN OSTEREI!

Es ist unscheinbar, es ist nicht bunt und seine Schleife fast durchsichtig. Dennoch weiß ich genau, dieses ist das Meine. Ich löse die Schleife, drücke es an mein Herz und laufe nach Hause.
In meinem Zimmer teilt es sich in zwei Hälften und ein kleiner Zettel fällt heraus. Er ist aus Rosenpapier und duftet. Die Schrift muss wohl von einer Elfe geschrieben worden sein, so zart erscheint sie mir. Kaum dass ich die Worte gelesen habe, werden sie unsichtbar und sinken in mein Herz.
Es kann gut sein, dass ich alles nur geträumt habe, dann aber habe ich das vergessen. Geblieben sind meine schwärmerischen Gedanken, sobald ich in der Natur bin und im Herzen die Worte aus meinem Osterei:

„Wunder sind immer in deinem Leben und nicht nur zu Ostern!
Ob sie aber sichtbar werden dürfen, das entscheidest nur du selbst!“

Text (c) Gabriele Ende
Bild webfund

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