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Nichts, wirklich ein Nichts!

Von tastifix Samstag 23.01.2021, 11:30

Verärgert betrachte ich den schwarzen Strumpf in meiner rechten Hand. Einen relativ neuen Strumpf, erst drei Tage alt, aus reiner Baumwolle und zudem ein edles Markenfabrikat. Tja, leider aber muss ich schon heute seinetwegen mit quälendem Frust fertig werden. Eigentlich pflegen Strümpfe doch sehr an ihrer anderen Hälfte zu hängen. Aber es ist nur noch dieser Eine vorhanden. Sein Partner hat sich irgendwo versteckt, obwohl er garantiert genauso apart und schick ausschaut wie das Exemplar hier zwischen meinen Fingern. Noch bin ich davon überzeugt ...

Wo, verflixt, ist Strumpf Nr. Zwei geblieben? Warum nur verschwinden die Dinger immer wieder und dann nur zu gerne auf Nimmerwiedersehen? Entweder verschluckt sie die Waschmaschine oder die Fußwärmer landen in irgendwelchen Zimmerecken, in denen sie eventuell gar längere Zeit unentdeckt bleiben und sozusagen Urlaub machen. Langweilig wird es denen bestimmt nicht. Nach und nach gesellen sich weitere Artgenossen zu ihnen, die augenscheinlich ebenfalls dringend, aus welchen Gründen auch immer, Ferien brauchen. Demnach sind Strümpfe sehr sozial veranlagt.Verweigert einer die Arbeit, verhilft er gleichzeitig seinem Zwilling zur Auszeit. Aber dies vermag ich im Anblick dieses Einzelstrumpfes nicht auch noch lobend anzuerkennen. Dagegen bin ich echt sauer. Nicht schon wieder!!

Ich durchforsche erst die Wäschekörbe und danach noch die Jugendzimmer nach dem Ausreißer. Eine Stunde später bin ich, verschwitzt und total groggy, kurz davor, die Suche deprimiert einzustellen. Das vermisste Ding ist nämlich wie vom Erdboden verschluckt. Dennoch raffe ich mich zu einer aller letzten Fahndungsaktion auf und kontrolliere die schmale Lücke zwischen Kleiderschrank und Wand.
„Achnee! Gibts ja gar nicht!!“
Dort erspähe ich tatsächlich das Objekt meiner Begierde, ganz weit hinten an der Wand liegend, in seiner mercerisierten Baumwollhaut leicht schimmernd, harmlos und ungetrübten Gewissens (falls auch Strümpfe so etwas ihr Eigen nennen!).
Noch ahne ich nichts Böses, hocke mich hin, strecke den Arm lang vor und angele ihn unter leichtem Stöhnen aus seinem Versteck heraus.
Und plötzlich sehe ich es: Genau an der Stelle, an die die Stoffferse hingehört, schaue ich auf ein kreisrundes Nichts, noch schwärzer als der Strumpf selber. Dieses so typisch leere Nichts gähnt mich provozierend an. Miss Marple würde sagen:
„Es ist ein Loch, ein Riesenloch in einem fast fabrikneuen Strumpf!“

Angestrengt grübele ich:
´Hat vielleicht eine meiner Töchter Mitleid mit ihrem Fuß gehabt, ihm Frischluft gönnen wollen und ihm die Gelegenheit gewährt, mit seinem Hühnerauge mal verfolgen zu können, wo eigentlich er herumspaziert?`
Nein, das ist denn doch zu unwahrscheinlich. Ein paar Minuten später komm ich auf des Rätsels Lösung: Wie oft schon habe ich dem Nachwuchs gepredigt, nicht auf Socken durchs Haus zu laufen … Strümpfe leiden darunter, sowohl was Sauberkeit als auch Konsistenz angeht. Aber echte Teenager ignorieren rigoros solche mütterlichen Hinweise und pflegen diese Unsitte infolge erst recht. Nur in Ausnahmefällen sehe ich Hausschuhe an den töchterlichen ihren Füssen. Dann allerdings muss ich besorgt davon ausgehen, dass zumindest eine Grippe, wenn nicht noch etwas Schlimmeres im Anzug ist.

Extrem vornehmen Socken gebührt ein extra feierliches Begräbnis. Vor allem dann, wenn sie bereits im zarten Alter von drei Tagen den Daseinsfaden verlieren. So landet dieses bedauernswerte Strumpfpaar nicht etwa in einem ordinären Plastikbehältnis, sondern in der gleichfalls schwarzen Tüte einer Edelboutique. .



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