Der Geldbriefträger.

Heute ist ein besonderer Tag, der wichtigste des Monats. Frau Brinkmann hängt ihre Schürze an die Küchentüre. Nun nimmt sie die Kaffeemühle und zerkleinert, mit Muskelkraft, die duftenden Kaffeebohnen. Ihr Mann sitzt auf dem Ledersofa und blättert in der Tageszeitung. Oft bekommt er einen Hustenanfall, dann läuft er im Zimmer auf und ab. Herr Brinkmann war Bergmann unter Tage. Seine Lunge nahm Schaden in den staubigen, dunklen Flözen. Noch keine Sechzig, dennoch schon ein alter kranker Mann. Frau Brinkmann gießt kochendes Wasser in die Kanne mit dem Kaffeepulver. Immer wieder geht sie zum Fenster und sieht hinaus.

Sie wartet auf den Geldbriefträger. Vor einer halben Stunde sah sie ihn beim Nachbarhaus, wo bleibt er nur. Die Brinkmanns warten auf ihre Rente die Herr Spitz, immer am Ersten eines Monats, bringt. Er wird sehnlichst erwartet, denn von dem spärlichen Entgelt ist am Monatsende nichts mehr übrig.

Endlich klopft es. Herr Spitz steht schnaufend vor der Tür. Die Treppen machen ihm zu schaffen. Sein Atem riecht nach Alkohol. Mit leichter Schlagseite steuert er einen Stuhl an und lässt sich nieder. Es dauert eine Weile ehe er sich erholt hat. Währenddessen gießt Frau Brinkmann Kaffee in die Tassen vom guten Geschirr. Angewidert sieht der Geldbriefbote das braune Gebräu an. Herr Brinkmann wird ärgerlich. „Jedes Mal das Gleiche“, sagt er zu seiner Frau. „Du weißt doch, er mag keinen Kaffee.“ „Aber es ist teurer Bohnenkaffee, kein Muckefuck.“ „Das ist ihm egal“, sagt Herr Brinkmann und nimmt eine Flasche Klaren aus dem Schrank. „Jetzt noch nicht“, regt sich nun seine Frau auf, „ erst soll er zählen, nachher ist er nicht mehr klar im Kopf.“ Herr Spitz protestiert: „Die kleine Summe zähle ich jederzeit“, greift in seine Umhängetasche nach Geldscheinen und Münzen. Drei Anläufe benötigt er um auf die exakte Summe zu kommen.

Danach entkorkt Herr Brinkmann die Flasche und sie trinken auf Gott und die Welt. Als die Flasche halb leer ist, macht sich der Geldbriefträger auf den Weg. Herr Brinkmann streckt sich auf dem Sofa aus, seine Frau begleitet Herrn Spitz zur Wohnungstür. Kurz darauf vernehmen sie ein Poltern und Gestöhne. Herr Spitz liegt leicht verdreht unten an der Treppe.

Zum nächsten Ersten kommt ein anderer Geldbote.