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Ein Einkaufsbummel mit Fast-noch-Baby

Von tastifix Montag 26.09.2022, 09:09

Damals hatte ich noch nur eine Tochter ...

Wir wohnten etwas entfernt von der City. Ab und an jedoch wünschte ich mir einen Stadtbummel. Aber mir Freundinnen, auch Mütter, mir den Stress nicht anzutun.
„Welchen Stress denn?"
„Du kriegst keine ruhige Minute!", meinte die Mama eines quicklebendigen Zweijährigen.
„Quatsch!"
„Danach biste mit den Nerven am Ende!", sorgte sich eine Andere.
´Mit ´ner Tüte voller Brötchen doch kein Problem!`
Also vergaß ich die Hinweise der ´zweijährigen Mama` und ´wohlmeinenden Ratgeberin` und startete am nächsten Tag den ersten City-Probe-Ausflug. Im Kinderwagennetz die sicher verstauten Brötchen, zogen wir los. Noch bettelte S. nicht darum. Wir hatten gerade erst gefrühstückt.
´Mal abwarten, wie lange ...`
Der Bus kam zwar pünktlich, aber es blieb die letzte positive Erfarhung an diesem Tag. Denn niemand half mir, das Gefährt hinein zu hieven.
„Entschuldigung, könnte mal jemand ... ?"
Teils bewusst unbeteiligte, teils abweisende Blicke. Als junge Mutter mit Baby war ich anscheinend ein lästiger Störfaktor. Ich bat ein zweites Mal:
„Würde mir bitte jemand helfen!?"
Endlich rührte sich ein junger Mann und half tatsächlich. Ein wenig schuldbewusst machten mir die Umstehenden Platz.
„Nett von Ihnen, danke!", lächelte ich meinen Helfer erleichtert an.
Wer ihn dagegen richtig kokett anstrahlte, war meine Tochter. Er gefiel ihr und sie ihm wohl auch. In rumpelnder Fahrt ging es in die City. Eisern umklammerte ich den Kinderwagengriff, denn bei solch waghalsigem Fahrstil konnte man ja nie wissen ...Wenige Minuten später erreichten wir das Ziel. Ein zweites Mal sprang S.`s Verehrer herzu. Wieder strahlte sie ihn an.

Bestgelaunt, es gab ja soviel zu sehen, fielen meiner Kleinen vor Neugierde fast die Augen aus dem Kopf. Stolz schob ich sie durch die Straßen und genoss so manchen Kommentar:
„Ach, ist die süß!"
´Und ob!!`, dachte ich.
Dann landeten wir in einem allbekannten riesigen Kaufhaus. Die Gänge zwischen den Kleiderständern waren für den Kinderwagen knapp breit genug.
´Hoffentlich kommt sie nicht gleich auf die Idee, irgendein Kleidungsstück vom Bügel zu ziehen und ´anprobieren` zu spielen.`
Denn auf Dauer war es ja im Buggy ziemlich langweilig. Erster Kleiderständer - kein Problem. Der zweite auch nicht, dann aber erwachte ihr Interesse. Der dritte nämlich präsentierte Ware in grellen Bonbonfarben. Ein schrecklicher Anblick für mich, aber für sie irre verlockend. S. zerrte also energisch an einer Bluse, die gab nach, landete auf ihrem Schoß und ehe ich es verhindern konnte, deren einer Zipfel im Babymund. Wahrscheinlich wollte S. das Stück Stoff ja nur auf Farbechtheit prüfen. Es stand keine Verkäuferin in der Nähe und es beobachtete uns auch sonst niemand, der Babys` Fehlgriff bemerkt hätte. Dennoch verbot es mir mein Gewissen, die Bluse heimlich zurückzuhängen.

Verschämt steuerte ich die Kasse an.
„Hören Sie ... ", stotterte ich.
Derweil ähnelte ich zunehmend einer reifen Tomate. Ungerührt krähte meine Kleine weiterhin vergnügt herum. Sie hatte ja erreicht, was sie wollte.
„Ja, was kann ich für Sie tun?", forschte eine ahnungslose Verkäuferin.
„Mir ist es schrecklich peinlich. Meine Tochter hat sich dieses Kleidungsstück geschnappt und daran gelutscht."
Strafend blickte sie mich an, danach S.. Nach einer weiteren Sekunde schien mir ihr Blick bereits erheblich milder zu werden.
„Na, zeig mal, was Du da Schönes hast, hm?"
Ja wirklich, sie lächelte.
´Wie gut nur, dass S. so riesige Kulleraugen hat!`
Schnell entwand ich ihr ihr neuestes Spielzeug und hielt es verlegen der Dame des Hauses hin.
„Ach, lassen Sie mal!", bedachte diese sie mit einem strahlenden Blick. „Das kriegen wir schon wieder hin!"
Ich stotterte ´danke`, lenkte den Kinderwagen in die entgegen gesetzte Richtung und verdünnisierte mich fix. Sollten nochmals leuchtende Stoffe auftauchen, würde ich tunlich weiten Abstand halten und stattdessen lieber eine Etage höher stundenlang weiße Bettäsche bewundern.

Vornehmen kann man sich ja viel, aber ob man … Tja, leider zog mich denn die Babyabteilung mit der winzigen Beinahe-Puppenkleidung magisch an. Begeistert wanderte ich von den Strampelanzügen zu den Kleidern, von den Jeans zu den winzigen Anoraks, wieder zurück und hielt mich ziemlich lange dort auf. Zu lange für S., die nun beleidigt leise zu murren begann.
„Psst, wir gehen ja gleich!", murmelte ich und hoffte, sie würde es glauben.
Aber ich unterschätzte sie. S, muckste lauter, die ersten Kunden guckten. Noch waren es verständnisvolle Blicke. Noch!
Ich erinnerte mich der Brötchen und beförderte eines hinein in die Patschhand. Sofort war Stille. S. mümmelte zufrieden. Aber fünf Minuten später war das Brötchen verschwunden und damit auch der krümelig erkaufte Frieden. Nein,Töchterchen wollte endgültig aus dem Buggy raus. Der Besänftigungsversuch mit dem zweiten Brötchen schlug fehl und sie es mir sauer aus der Hand. Das kugelige Etwas rollte munter umher und leider bis unter den nächsten Kleiderständer. Seufz.

Baby reichte es nun und biss rachsüchtig auf den Gurt, weil der so fies war, es weiterhin daran zu hindern, krabbelnd alles zu erkunden. So bekam sie einen waschechten Tobsuchtsanfall, schrie wie am Spieß und von ihrer Mama gepeinigt los und bäumte sich strampelnd im Sitz auf. Ich schämte mich fast zu Tode, zumal ...
„Mein Gott, das arme Kind!", entrüstete sich eine alte Oma.
„Was machen Sie denn mit Ihrer Kleinen?", meckerte mich eine Andere mit wütend blitzenden Augen an.
„Leute gibt es!", stellte die Dritte kopfschüttelnd fest.
Mir traten Schweißtropfen auf die Stirn. Ich fühlte mich wie eine Verbrecherin, die gerade dabei war, ihr Kind umzubringen. Mein armes Kleines jedoch widerlegte dies mit einem dafür erstaunlich lautstarken Gebrüll. Dermaßen durchdringend, dass sich die Musikbeschallung im Kaufhaus dagegen wie Mäusefiepen ausnahm. Ich wurde energisch:
„Hör auf!!"
S. brüllte weiter. Die Generalprobe hatte hervorragend geklappt. Deshalb ließ sie jetzt die feierliche Premierenarie hören, die für die Ohren aller Anwesenden in ihrer Intensität so allmählich unzumutbar wurde. Mittlerweile ähnelte auch S. vor Anstrengung einer Tomate. Ein Verleugnen des Mutter-Kind-Verhältnisses war daher unmöglich geworden.
„Bist Du nun endlich still!?"
Ich vergaß tatsächlich meine Erziehung und herrschte sie an. Doch war ich darin nicht so geübt wie die herzallerliebste Kleine, die das ganze Kaufhaus mit ihrem Gezeter unterhielt.

Weil ich mich wehrte und dieses scheinbar so sehr bedauernswerte Geschöpf zurechtwies, erntete ich nur noch erdolchende Blicke.
´Unterstützung darfste hier nicht erwarten!!`
Blamiert hatten wir uns sowieso schon bis auf die Knochen. Nun kam`s auf ´ein bisschen noch mehr` nicht mehr an.
„Jetzt ist endgültig Schluss!", drückte ich S. energisch in den Sitz zurück und ihr ein Brötchen zwischen die Zähne.
Dies verwirrte sie beträchtlich. Plötzlich nur noch leise schniefend, schielte sie begehrlich auf die Leckerei. Diese Opernpause nutzte ich, putzte ihr die Tränen von den Wangen sowie die Laufnase, streichelte gerührt den wirren, verschwitzten Lockenkopf und war erneut ganz die sanfte, liebende Mama. Und wieder bewies sich die Familienzugehörigkeit: S. hörte auf zu schniefen und verwandelte sich zurück in mein süßes Töchterlein. Aufatmend bahnte ich mir den Weg durch das Spalier der vor sich hin raunenden anderen Kunden und flüchtete aus dem gastlichen Haus.

Auf der Heimfahrt beschäftigte sich S. übrigens emsig damit, das krümelige Innenleben des Brötchens auf dem Boden des Busses zu verteilen. Ich, ihre Mama, schlug heimlich drei Kreuzzeichen. Diese Einkaufstour würde ich so schnell nicht wieder vergessen.

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