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War es ein Zufall?

Von ehemaliges Mitglied Montag 03.05.2021, 10:54

Ein Priester berichtet:

Vor etlichen Jahren war ich Kaplan in Hülsterhausen. Das Städtchen liegt an einer Bahnstation. Es war in einer Winternacht. Ich ging gerade zu Bett. Draußen tobte der Sturm, zudem hörte man das Dröhnen der Personen- und Eilzüge. Plötzlich schreckte ich auf. Die Hausglocke schellte — schrill und klagend, wie ein Ruf der Hilfe. Ich riss das Fenster auf und eine Schneewolke stob ins Schlafzimmer. Ich konnte eine vermummte Frauengestalt irgendwie erkennen. „Was gibt's?", fragte ich. Die Stimme der fremden Person war seltsam vom Sturm zerrissen, es war ein Klagen, ein Weinen, eine himmelschreiende Angst. Das Wort „Bahnhof" blieb in mir haften. „Ich komme zum Bahnhof, sofort komme ich", schrie ich ins Heulen des Sturmes. Ich schlüpfte in die Kleider und riss die Versehtasche an mich. Siehe da, niemand stand vor der Haustüre. Die Schneewechte, die sich vor dem Liragang, erhob, war rein und unberührt. Keine Fußspur konnte Ich bemerken. Hatte ich mich getäuscht? Hatte mich ein Irrtum genarrt? Ich wollte bereits ins Pfarrhaus zurückkehren da trieb es mich zum Bahnhof.

Es war ein mühseliges Stapfen im Sturm und Schnee. Als ich mich dem Stationsgebäude näherte, merkte ich sofort: Hier ist etwas geschehen. Der Bahnhofsvorsteher rief mir zu: „Gut, dass Sie kommen, Hochwürden, im Wartesaal liegt ein Sterbender." Ich fand ein winselndes Menschenbündel. Ein junger Mann war es, das Gesicht furchtbar zugerichtet. „Jetzt schlägt er die Augen auf", bemerkte der Vorstand. Ich kniete mich zum Schwerverletzten. Seine Augen leuchteten plötzlich so selig auf. „Gott sei Dank! Ein Priester — ich will beichten", stammelte der Mann. Ich durfte meinen schönen Dienst als Priester leisten - und dann brachen die Augen des Mannes für immer. Es war ein Heizer des Expresszuges. Knapp vor Hülsterhausen war ein Dampfrohr der Maschine geplatzt — der Lokführer wurde sofort getötet und hinausgeschleudert. Mit Heldenkraft brachte der Heizer, obwohl am ganzen Körper versengt, den Zug zum Stehen, dann brach er zusammen...
„Wieso kamen Sie denn gerade zum Bahnhof, Hochwürden?", wollte der Bahnhofsvorsteher wissen. „Sie haben mich doch gerufen, — eine Frau richtete mir die Nachricht aus", erwiderte ich. Der Beamte schüttelte den Kopf. „Mein Ehrenwort — von hier aus ist noch nichts geschehen, ich wollte gerade zu der Fahrdienstleitung eilen, um Sie anzurufen, da traten Sie bereits über die Schwelle, Hochwürden!" — „Das ist allerdings sehr merkwürdig. Sagen Sie, wussten Sie denn, dass der Mann Katholik ist?" Der Vorstand erwiderte: „Als wir den Schwerverletzten in den Wartesaal trugen, fiel ein Bildchen aus seiner Brusttasche. Sehen Sie, hier ist das Bild." Ich sah es mir näher an; es war ein Bild wie es in den Verkaufsläden rund um unsere Wallfahrtsorte feilgeboten wird. Es zeigte Unsere Liebe Frau Maria mit dem Jesuskind. Unter dem Bild standen die Worte: »Maria, Magd, Mutter, Königin«. Ich legte das Bild dem Toten auf die Brust und trat sehr nachdenklich den Heimweg an.

Aus dem Buch "Die schönsten Mariengeschichten"
von Stadtpfarrer Karl Maria Harrer, München

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