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Unter dem Schutz des Rosenkranzes

Von ehemaliges Mitglied Dienstag 27.10.2020, 06:38


Da war im Jahre 1870 ein junger, braver Bauernbursche aus Bayern in den Krieg gegen Frankreich beordert. Außer den Waffen des Soldaten hatte er auch großes Vertrauen zur Gottesmutter mitgenommen und zum Zeichen dessen den Rosenkranz in seinen Tornister gepackt, um ihn in Zeiten besonderer Gefahr zu beten und dadurch sich das Herz seiner himmlischen Mutter zu Schutz und Schirm geneigt zu machen. Und die gütige milde, süße Jungfrau hat ihn dafür auch in ganz besonderer Weise beschützt. Der junge Soldat wird es vielleicht selber gar nicht wissen, wie das geschehen ist. Die Geschichte erzählt nämlich nicht er, sondern derjenige, gegen den die Gottesmutter den bayerischen Soldaten in Schutz genommen hat; und das war ein französischer Soldat, welcher den bayerischen Soldaten hätte erschießen sollen.

Dieser Soldat erzählt also wörtlich wie folgt: „Nach mehreren Schlachten wurde mein Bataillon nach Vitry geschickt. Wir errichteten dort eine Schanze und einige Verteidigungswerke. Aber die Wachsamkeit der deutschen Soldaten, unserer Feinde, beunruhigte unsere Arbeiter.

Der Feind hatte die besten preußischen und bayerischen Scharfschützen ausgewählt; sie schlichen, Mann für Mann, in den Erdfurchen daher, verbargen sich hinter dem Gebüsche, gruben sich Löcher in den Boden und beobachteten von dort aus unsere Arbeiten und unsere Bewegungen. Sie schossen sehr sicher und verschwanden sodann plötzlich.

Unser Kommandant wollte dieser Taktik eine gleiche gegenüberstellen. Er erließ einen Aufruf an alle diejenigen, die gute Schützen und bereit wären, ihr Leben einzusetzen. Ich wurde angenommen und bekleidete eine Stelle unter diesen »Geopferten«.

Wir sollten bis auf eine gewisse Entfernung heimlich hin kriechen, den Feind beobachten, ohne uns sehen zu lassen, und Feuer geben, nur um zu töten, nicht um das Pulver zu verschießen. Dieser letzte Auftrag des Kommandanten zielte dahin, dem Feinde das Schießen zu verleiden.

Kurz vor Tagesanbruch verbarg ich mich am Bette eines Flusses, der fast ausgetrocknet war; ich schlich auf Händen und Füßen kriechend seinen Windungen nach, das Gewehr am Schulterriemen, ein Stück Biscuit in meinem Tornister. In meiner Leibbinde trug ich den Revolver und den Feldstecher meines Leutnants.
Bei einem großen Baum, dessen Stamm von Gesträuch umgeben war, machte ich halt und wählte diesen Platz zu meiner Beobachtungsstation. Ich bohrte mit meinem Bajonett die Erde auf, bildete damit einen kleinen Wall, bedeckte ihn mit dürren Kräutern und machte kleine Öffnungen, um durch sie hindurch den Feind ungesehen zu beobachten.

Eine Stunde verstrich um die andere; schon fing ich an, an dem Erfolg meiner Aufgabe zu zweifeln, als ich plötzlich meinte, in einem Hohlweg hinter einem Baum hervor eine Hand sich ausstrecken und zurückziehen gesehen zu haben.

Und richtig: ich hatte mich nicht getäuscht. Der Feind war dort in meiner nächsten Nähe. Ich nahm den Feldstecher und sah nicht ohne Aufregung Kopf und Hände eines Mannes in solcher Nähe, dass ich unwillkürlich mich duckte. Der Mann sah mich nicht, denn er bohrte mit einem Stück Holz unbesorgt die Erde auf. Er lag auf dem Boden, hatte den Kopf auf die linke Hand gestützt, die Beine ausgestreckt und schien in dieser Stellung die Rolle eines Spähers ganz vergessen zu haben. Leib und Kopf verschwanden für einige Sekunden, dann wurden sie wieder sichtbar. Es war ein bayerischer Soldat, ein noch junger Mann mit bartlosem Gesicht, blonden, kurz geschorenen Haaren; unter seiner Uniform konnte man leicht einen jungen, honetten Bauernburschen erkennen, der ohne Zweifel eben an seine Heimat dachte. Es war mir wirklich unlieb, mich genötigt zu sehn, ihn zu erschießen.

Indessen machte ich mich doch daran. Ich nahm mein Gewehr zur Hand, richtete mich aufs rechte Knie auf, legte den Schaft bereits an die Schulter und wartete, bis sich der Mann mir unverhüllt zeigen würde. Ich wollte ihn ins Herz treffen, um ihm jedes weitere Leiden zu ersparen.

Ganz unbeweglich wartete ich so. Der Bayer streckte den Kopf vor, ließ sein Auge weit um sich herumschweifen, ohne es auf dem Platze ruhen zu lassen, wo ich verborgen war. Da er nichts bemerkt hatte, zog er einen kleinen Ledersack auf seine Knie und öffnete ihn. Er zog daraus mit der Rechten etwas hervor, das ich nicht zu unterscheiden vermochte. Ich legte mein Ge- wehr zur Seite und nahm meinen Feldstecher zur Hand.
Der Bayer hielt einen Rosenkranz in seinen Fingern. Er erhob sich, um sich auf beide Knie niederzulassen, machte das Kreuzzeichen und stellte sich mir nun mit voller Brust entgegen.
Als Soldat griff ich wieder zum Gewehr und richtete es auf den Mann; ich sah ihn als Ziel meines Rohres; er kniete da unbeweglich, das Haupt ein wenig zur Seite geneigt, die Augen zum Himmel erhoben. Von seinen Lippen stieg Gebet auf, während die Körner des Rosenkranzes durch seine Finger glitten.

Was ging in diesem Augenblick in mir vor? — Ich weiß es nicht. Mein christliches Gefühl regte sich in all seiner Kraft; ich glaubte zu sehen, wie Lichtstrahlen vom Himmel auf die Stirn des Mannes fielen; mir schien, als wäre er in Goldwolken des Himmels eingetaucht. Eine plötzliche Aufregung ergriff mein ganzes Sein; das Gewehr entsank meinen Händen. Dieser Bayer ist wohl wahrscheinlich in sein Land zurückgekehrt, ohne zu wissen, dass das Rosenkranzgebet ihm das Leben bewahrt hat.
Ich zog mich zurück, nachdem auch er sich entfernt hatte. Aber in diesem Augenblicke pfiffen zwei Kugeln an meinem Ohr vorbei. Rasch wendete ich mich zurück, konnte aber nicht sehen, woher sie kamen. Das Gebet des Mannes hat wohl auch mein bedrohtes Leben beschützt."


Aus dem Buch "Die schönsten Mariengeschichten"
von Stadtpfarrer Karl Maria Harrer, München

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