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Unsere Liebe Frau steht einem Kapitel vor

Von ehemaliges Mitglied Donnerstag 11.03.2021, 00:24


Maria Winowska veröffentlichte eine Sammlung erschütternder religiöser Erlebnisse aus kommunistischen Ländern, denen wir den gegenwärtigen Bericht entnehmen.

Ihrer Gewohnheit entgegen verließ die ehrwürdige Mutter Generaloberin die Kapelle nicht zugleich mit der Gemeinschaft. Sie hielt dieses kurze Zwiegespräch mit dem Heiland vor dem Zusammentritt des Schwestern-Rates. Die Debatten versprachen hart zu werden; um alles zu sagen, schienen die auf der Tagesordnung stehenden Probleme unlösbar. Gewiss! Man musste ihnen die Stirn bieten, doch fand die ehrwürdige Mutter, dass die ganze Sache sinnlos sei. Indem man den Kopf an eine Mauer schlägt, drückt man diese nicht ein. Das Übel aber sehen und nichts dagegen tun zu können, das entmutigt.
Seitdem sie einstimmig zur Generaloberin gewählt worden war, vergegenwärtigte sie sich oft Don Quichotte im Kampfe mit Windmühlen. Als geordneter und positiver Geist hatte sie die Gabe des Regierens und übernahm ihre Verantwortung in den delikatesten Lagen. Doch seit 1948 hörten die Ereignisse nicht auf, ihr buchstäblich über den Kopf zu wachsen. Als Soldatentochter nahm sie mit offenem Visier den Kampf an. Seit ihrem Noviziat wünschte sie im Stillen die Gnade, als Märtyrerin zu sterben. Eine Hinrichtung würde sie gewiss nicht ängstigen. Nur zu gut sieht man, dass das kommunistische Polen keine Märtyrer will. Was es will, das sind Zerrbilder, Karikaturen von Schwestern, als Nonnen verkleidete Marionetten. Die Lächerlichkeit tötet sicherer als ein Maschinengewehr. Stellen wir deshalb diese unter Haube gehenden Weiber einfach im Schaufenster aus, ganz wie Überbleibsel überholter Zeiten! Schneiden wir sie vom Leben ab! Trennen wir sie von der Jugend! Sie werden so ihren schönsten Tod haben. Die unwiderstehliche Welle der Geschichte wird sie früh oder spät wie Strohhalme wegfegen.—
So sagen sie, Heiland, und die Tatsachen, die sie mit teuflischer Verschlagenheit aufziehen, scheinen ihnen Recht zu geben!

Unsere Schulen sind geschlossen. Unsere Kliniken und Spitäler in fremden Händen, ohne Geistliche, ohne religiösen Beistand.
Alle unsere Apostolatswerke sind dem Tode geweiht. Selbst die wenigen Stückchen Boden, die uns leben ließen, sind beschlagnahmt worden.
Drei meiner Kinder sind im Gefängnis. Als Schwestern? Keineswegs: „Devisenschmuggel und Beherbergung von Maquisards" (Angehörige der Widerstandsorganisation) wird ihnen zur Last gelegt. Also gewöhnliche Verbrecher. Der Herr verzeihe der Novizin, die ausgestoßen werden musste ... Dieser patriotische Priester in R., der meine Kinder zu demoralisieren versuchte, mich dazu bringend, Ordnung zu schaffen. Als ob davon die Rede sein könnte, dass man sich »anpassen« oder »dem unwiderstehlichen Gang der Geschichte« folgen sollte! Zum Henker mit ihren Slogans! ... Verzeih' Herrgott! Du hast mich nicht aus Meißner-Porzellan geschaffen und Du wirst mir's nicht übel nehmen, wenn ich laut sage, was ich denke, obschon ich mich gegen ihren famosen Fortschritt, der den freien Menschen zum Roboter macht, auflehne!

In einer Stunde werden wir alle diese Fragen wieder behandeln. Wir werden sie ins rechte Licht rücken, wir werden sie lang und breit durchkämmen. Aber die Antwort, Herr? Wer wird uns die Antwort geben? Ich weiß wohl, was Du sagst: „Der Skandal des Kreuzes." Natürlich, das Kreuz ist erst nachher glorreich ... Am dritten Tage. Einstweilen jedoch ist es nur ein schimpflicher Galgen. „Ich verlange nicht, Herr, dass Du uns verschonest! Ich erflehe die Kraft aushalten zu können. In einer Stunde werden die Vorsteherinnen aller unserer Häuser hier sein und an meinen Lippen hängen, in der Erwartung eines Allheilmittels zur Abhilfe ihrer gewiss nicht zu verkennenden Kümmernisse! Im voraus errate ich, was mir eine jede von ihnen sagen wird. Eilige Hilfe allüberall zu gleicher Zeit — hier ist der viereckige Kreis, den Deine Liebe, Herr Jesus, mir vorschlägt! — Man heilt offene Wunden nicht mit schönen Worten. Meine Kinder, Herr, erwarten keine Worte! Doch ich fühle mich arm, verwirrt, leer."
Aufrecht in ihrem Betstuhl, die Hände in ihre Rockärmel vergraben, heftet Mutter Brigitte ihre Augen auf den Tabernakel in der Hoffnung, dass von dort irgend eine Antwort komme.
Einen Augenblick später betrachtet sie ihre Uhr und erhebt sich eilig. Heute darf sie nicht zu spät kommen! Zwei Schritte vor der Tür besinnt sie sich, biegt nach links ab, steigt auf einen Stuhl und mit Mühe holt sie ein durch das Alter schwarz gewordenes Bild von der Wand herab.
Mutter des »Guten Rates«, sagt sie, indem sie das Bild küsst, Du wirst der Versammlung vorstehen! Habe ich Dir nicht, gleich am ersten Tage, meinen Platz abgetreten? Bist Du nicht die General - Oberin unserer Kongregation? — Die Stunde ist ernst. Gestatte mir Dir unsere Abmachung ins Gedächtnis zurückzurufen. Wenn Du da bist, werde ich die Stirn zu bieten wissen.

Schwester Theodorine traut ihren Augen nicht, als sie die Oberin im Refektorium erblickt, mit dem großen schweren Rahmen in den Armen. Etwas schwer atmend setzt sie sich an ihren Platz und sagt zur jungen Schwester, die ihr etwas geröstetes Gerstenwasser vorsetzt, das sie hochtrabend »Kaffee« nennt: „Kind, reinigen Sie dies Bild gründlich und tragen Sie es in den Konferenzsaal."
Da erst erkannte Schwester Theodorine die schwarze Mutter Gottes der Kapelle, und zwar nicht an ihren fast unkenntlichen Linien, sondern an den künstlerischen Formen des Rahmens. Ehrfurchtsvoll überstrich sie das Gnadenbild mit ihrem Federwisch und ihrem Reinigungslappen, derweil die ehrw. Mutter frühstückte. Bis zur Versammlung verblieben nur noch fünf Minuten.
Dem in einem kurz zuvor angezündeten gusseisernen Ofen brodelnden Feuer gelang es nicht, die eisige Temperatur des Kapitelsaales zu erwärmen. Der Winter 1953 meldete sich streng an und schon begannen die Kohlen zu fehlen. Natürlich wurden den Kongregationen Zuteilungstickets nur spärlich und nach unzähligen Bittgängen zugeteilt. „Noch eine Frage, die zur Diskussion gestellt werden wird", dachte Mutter Brigitte, indem sie sich dem Tisch zu bewegte, auf dem in der Mitte das gut abgestaubte Gnadenbild stand.
Hinter dem ihr zugedachten Platz befand sich ein Sockel, von einem Kreuze überragt. Die ehrw. Mutter maß die Entfernung ab, nahm das Gnadenbild und stellte es so auf diesen Sockel, dass der Fuß des Kreuzes den Rahmen des Bildes berührte. Die in Glas gefasste gegenüber liegende Öffnung strahlte reichlich das winterliche Licht ein. Doch trotz dieser guten Beleuchtung blieb das Bild unkenntlich. Die Überlieferung umgab diese Mängel mit frommen Legenden. Man glaubte jedoch behaupten zu können, dass König Jean III. Sobieski bei seinem Eilmarsch zur Hilfe Wiens (1683) während einer Ruhepause vor diesem Gnadenbild gebetet hat.
Die Sitzung eröffnend sagte Mutter Brigitte: „Meine lieben Kinder, ihr werdet die Einleitung meiner Rede gewiss erraten! Die Lage ist ernst. Eure arme Mutter hienieden fühlt sich unfähig Abhilfe zu schaffen. Ich habe vorhin den Herrn gebeten, dass er mich erleuchte. Als ich die Kapelle verließ, dachte ich, wir könnten nichts Besseres tun, als unserer himmlischen Mutter den Vorsitz dieses Kapitels anzuvertrauen. Sie ist unsere Generaloberin. Sie kennt alle unsere Qualen und Ängste; durch dieses ehrwürdige Gnadenbild ist sie bei uns sowohl durch ihre Ratschläge als auch durch die Eingebungen des Heiligen Geistes, der sich in ihren Dienst stellt. Bevor wir beginnen, beachten wir ihr gegenüber einen Augenblick der Sammlung und bitten wir, jede für sich, um das, was uns an Kraft und Licht nötig ist."

Nach diesen Worten kehrte sich Mutter Brigitte zum Gnadenbild und alle ihre Kinder, siebenundzwanzig an der Zahl, folgten ihrem Beispiel. Einen Augenblick lang hörte man nur das Flackern des Feuers, einige am Fensterrand herumflatternde Krähen und das asthmatische Atmen der Schwester Ambrosia. Plötzlich schrie Mutter Petronilla auf! Ihr folgten andere, so dass Mutter Brigitte schon schellten wollte, jedoch sich selbst zum Hinschauen entschloss. Alles, was unnatürlich ist, ist ihr zuwider und unter ihrer Führung haben die Seherinnen und die »Zärtlichkeits- Verwirrungen«, wie sie St. Therese nennt, wenig Aussicht zu gedeihen. Jetzt im Kampf mit den Gottlosen, die auf der Lauer gegen alle religiöse Schwärmerei sind, verfolgt sie »wie die fest« die falschen Wunderaufmachungen.

Als uns Mutter Brigitte die Tatsache mitteilte, hielt sie ausdrücklich daran, uns ihre diesbezügliche Skepsis zu bestätigen. Sie misstraute mit ihrem gesunden Menschenverstand allem geistig Anormalen. Und nun sagen zu müssen, dass gerade ihr das passieren musste, seufzt sie halb betrübt, halb entzückt.
Sie konnte sich die Augen reiben, wie sie wollte. Sie konnte den Apostel Thomas anrufen, der ja der Patron der Misstrauischen ist. Der Generalstab der Kongregation schien in Salzstatuen, »zeitentrückt« die Augen auf das Gnadenbild gerichtet, verwandelt zu sein. Als Mutter Petronilla als erste die außergewöhnliche Erscheinung sah, glaubte sie, dass das Bild sich belebe. Ganz oben, unter dem Rahmen, erschien ein goldenes Band von fünf Zentimetern. Es entstand eine kaum merkliche Bewegung des leuchtenden Randes, der sich unaufhörlich Millimeter um Millimeter ausdehnte. Plötzlich erschien in der Mitte »eine Beule« in Dunkelblau. Nach einer kurzen Zeit, die kein Chronometer aufzeichnete, trat in der Mitte dieser Beule ein goldener Stern hervor, sechsstrahlig, dann eine mit feinen Broderien (Stickereien) durchwirkte Krause, endlich ein fahler, braunschwarzer Fleck, der über den Falten des Schleiers hinausragte. Nun wurde Mutter Brigitte endlich wieder ihrer Sinne mächtig. Das unerwartete Ereignis war zweifellos die Wiederherstellung des Gnadenbildes! Von oben bis unten fiel die jahrhundertealte dunkle Schmutzschicht wie ein Vorhang ab, die ursprünglichen Farben freilegend; die Züge eines Gesichtes erschienen wie eine Vision, die vor Jahrhunderten den Künstler erfasst haben musste.

Jetzt erschienen die Augen, unendlich traurig und mild, deren Blick bis in die geheimsten Tiefen der Seele zu dringen schien. Durch welches Wunder der Kunst konnte der unbekannte Maler diese Tiefe einer Liebe hervorrufen, die sich einem jeden ihrer Kinder so ganz hingibt, als wäre nur dieses allein auf der Welt? Die Liebe einer Mutter, die nicht wählt, die umarmt? Jede der Schwestern glaubte die einzige gewesen zu sein, die diesen zärtlichen, liebevollen Blick aufgefangen hat, der sie wie ein Pfeil traf....

Sie brauchte Überwindung dazu, die Augen abzuwenden! Sie hätte es vorgezogen, mit ihren Mitschwestern in stiller Bewunderung zu verweilen. Zu seinem Vergnügen ist man im heutigen Polen jedoch nicht mit der Würde einer Generaloberin bedacht. Die Vision wird verschwinden: Man braucht Zeugen, die in die Kirche berichten. Die ehrw. Mutter Brigitte weiß, woran man sich bei Autosuggestion zu halten hat. Mitten im Wunder ist es ihr Recht, misstrauisch zu sein ...
Der dichte Schleier fällt langsam, ein ovales, durch die Sonne vergoldetes Gesicht enthüllend, als Mutter Brigitta endlich die Stille bricht: — Meine Kinder, sagt sie, Ihr habt vor Euch Papier, Tinte und 1 oder. Im Namen des heiligen Gehorsams befehle ich einer jeden von Euch, jede für sich alles aufzuschreiben, was ihr seht. Für den Herrn Bischof müssen wir ein regelrechtes Protokoll aufnehmen.

Noch nie war ihnen der heilige Gehorsam so schwer gefallen! Mit Bedauern lösten sie ihre Blicke vom Gnadenbild, das seine Enthüllung fortsetzte ... Mutter Brigitte sah auf ihre Uhr: Notiert, am 15. Dezember 1953, 9.34 Uhr..." Um ein Beispiel zu geben, beginnt sie sofort zu schreiben.

Die »Wiederherstellung« dauerte zweiundfünfzig Minuten. Die ganze Fläche des Gnadenbildes wurde erneuert, mit Ausnahme eines kleinen Dreiecks rechts unten, das wohl absichtlich als Musterzeichen des alten Schmutzes dort belassen wurde. Die Schwestern glaubten zuerst, dass es sich nur um eine Unterbrechung handle und versteiften sich darauf, »den letzten Bürstenstrich« abzuwarten. Plötzlich lacht Mutter Brigitte auf:

— Es ist zu Ende, meine Töchter! Seht Ihr denn nicht, dass man im voraus jeden Verdacht einer Unterschiebung unseres Gnadenbildes durch ein anderes unterbinden will? Die sind schlau im Himmel, fein und voll Humor ...

Unter dem mütterlichen Blick des »beleuchteten« Gnadenbildes verglich das Kapitel die 27 Zeugenaussagen, die bis in die kleinsten Einzelheiten übereinstimmten, und nahm das Protokoll für den Herrn Bischof auf. Als das getan war, ging man zur Erledigung der Tagesordnung über ...

— Wie, fragte ich ein wenig betroffen Mutter Brigitte, nach soviel Aufregungen haben Sie ihren Töchtern nicht einmal erlaubt, etwas zu verschnaufen? — Das war nicht möglich. Mehrere mussten vor dem Abend den Zug nehmen. Wir hatten ein belastetes Programm ...
— und dann. Wie war's mit den Debatten, die sich so schwer anließen? —

Alles lief wie auf Rädern. Beruhigen Sie sich, die Schwierigkeiten blieben dieselben, doch man sah klar. Der vom Vorgefallenen in Kenntnis gesetzte H. H. Bischof ordnete in Erwartung besserer Tage vollkommene Verschwiegenheit an. Mutter Brigitte und ihr Kapitel waren genau derselben Ansicht. Sie ängstigten sich so, dass man ihnen das renovierte Gnadenbild wegnehmen würde! Für die Kirche würden sie das harte Opfer noch bringen, wenn aber die Sache weiter bekannt werden würde, könnte sich die Kultusverwaltung mit der heiklen Angelegenheit befassen und das Bild in einem Museum unterbringen. »Präzedenzfälle« sind übergenug vorhanden und das Schweigen drängt sich auf. Deshalb, liebe Mutter Brigitte, habe ich mir soviel Mühe gegeben, die Spuren zu verwischen.


Aus dem Buch "Die schönsten Mariengeschichten"
von Stadtpfarrer Karl Maria Harrer, München

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