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Maria und der Bierkampf

Von ehemaliges Mitglied 25.10.2020, 08:29


Aus dem Alltag einer deutschsprachigen Gemeinde im sozialistischen Chile

Alle unsere Pfarrmitglieder haben unsere »Bierstube« in bester Erinnerung. Denn nach der hl. Messe konnte man immer an den heißen Sonntagen einen eisgekühlten »Escudo« durch die Kehle rinnen lassen. Das war einmal!

Seit zwei Monaten war die Pfarrei »Trockenzone« geworden, was beinahe eine Protestbewegung des gläubigen Volkes ausgelöst hätte. Als Pfarrer entschloss ich mich, deshalb einzugreifen. Ich ging persönlich zur Bierfabrik mit zehn leeren Kisten. Dort brachte ich mein Anliegen vor und begründete es mit drei Argumenten.
1. die Deutschen haben großen Durst,
2. wir feiern Erstkommunion, und es ist unzumutbar, eine Pfarrei ohne Bier zu lassen,
3. wir sind ein soziales Unternehmen und verwenden den Reinerlös für soziale Werke.
Der Verkaufsleiter, der mich freundlich empfangen hatte, sah sofort die Wucht dieser Argumente ein und betonte, dass das erste das stärkste sei, worin ich mit ihm übereinstimmte. Aber er bedauerte, keine Erlaubnis geben zu dürfen, denn es sei verboten, an Privatleute Bier abzugeben. Ich entgegnete, dass wir kein Privatunternehmen seien, da wir eine Bierkonzession für die Pfarrei erworben hätten. Er sagte dann, dass trotzdem ein Verkauf in Anbetracht des Streiks der Camionfahrer nicht stattfinden könne, worauf ich erwiderte, dass ich das Leergut mitgebracht hätte und das Bier selber mitnehmen würde. Er zuckte die Achseln und sagte: „Es geht nicht! Ich bedauere außerordentlich!" Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass dieses Bedauern den Durst der Gläubigen nicht löschen würde. Ich musste zu außerordentlichen Maßnahmen greifen: „Könnte ich nicht mit dem obersten Produktionsleiter sprechen?" Darauf erhielt ich die überraschende Antwort: „Der Produktionsleiter hat im Augenblick nichts zu sagen, da die Regierung uns einen Interventor geschickt hat .... „Gut", sagte ich, „dann möchte ich mit diesem sprechen. Ist das möglich?" Er darauf: „Sehr schwer, aber wenn Sie es versuchen wollen, es wird nichts nützen." Ich bat aber doch um eine Unterredung.
Der Herr Interventor machte einen neutralen Eindruck auf mich und hörte sich meine Bitte wohlwollend an. Ich wiederholte meine drei Argumente und fügte als viertes noch hinzu: „Man muss außerdem noch berücksichtigen, dass das Bier in Deutschland erfunden wurde und dass es deutsche Fabrikanten waren, die das Bier in Chile eingeführt hatten." (Ich war mir allerdings nicht ganzsicher, ob das Bier eine deutsche Erfindung ist. Doch erinnerte ich mich an die alten Germanen, wobei mir der Vers einfiel: ...sie lagen auf der Bärenhaut und tranken immer noch eins.") Sichtlich beeindruckt versuchte der Interventor unser Bierproblem in positivem Sinn zu lösen. Doch hielt ihn ein gewisses Etwas zurück, sein Jawort auszusprechen, da eine gesetzliche Bestimmung dagegen war. Wir redeten hin und her. Ich wollte den Kampf nicht aufgeben. Schließlich sagte er: „Also mein letztes Wort: beim besten Willen kann ich Ihnen das Bier nicht privat abgeben. Wenn Sie Bier haben wollen, gehen Sie zur Verteilungsstelle ins Zentrum." Worauf ich erwiderte: „Dort befindet sich eine wenigstens drei Quadra lange Schlange, und wenn ich mich jetzt anstelle, ist es zu spät; denn das Lager ist spätestens in einer Stunde ausverkauft.
Erneut bedauerte er außerordentlich, mir trotzdem nicht helfen zu können. Es sei das letzte Wort. Worauf ich sagte: „Gestatten Sie mir auch, mein letztes Wort zur Angelegenheit zu sagen: Sie wissen, dass ich Geistlicher bin und deshalb gute Beziehungen zur »Virgen del Carmen« habe. Wenn Sie mir trotz gefüllter Lager das Bier jetzt nicht geben, dann wird die Virgen del Carmen Ihnen zürnen." — Und auf einmal geschah das Wunder! Er stutzte einen Augenblick, schaute mich kritisch an und sagte: „Ah, Virgen del Carmen, fuerza mayor!" (Ah, die Gottesmutter, Höhere Gewalt!). Sofort erhielt ich die schriftliche Erlaubnis, stellte mich dem Verkaufsleiter vor, der den Kopf schüttelte: „Wie haben Sie da bloß fertig gebracht?" Worauf ich zur Antwort gab: „Ja, eine »fuerza mayor« hat mir geholfen!"


Aus dem Buch "Die schönsten Mariengeschichten"
von Stadtpfarrer Karl Maria Harrer, München

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