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In den allerletzten Sekunden

Von ehemaliges Mitglied 16.05.2021, 12:03


Es war Sonntag vormittags. Gerade hatte ich den Pfarrgottes- dienst gefeiert, da kam ein Anruf: Der Vater eines Mädchen der Jugendgruppe liegt in einer Münchener Großklinik im Sterben. Der Klinikgeistliche ist nicht erreichbar. Alle ihre bekannten Priester sind in Urlaub. Ich wäre ihre letzte Hoffnung. Der Vater stand der Kirche sehr ferne, aber nun wäre er doch bereit einen Priester zu empfangen. Er wird aber den heutigen Tag nach den Aussagen der Ärzte nicht mehr überleben. — Was sollte ich tun? Ich hatte noch bei der 11-Uhr-Messe die Predigt zu halten und um 1 Uhr war die Abfahrt unseres Omnibusses zu einer Probeaufführung der Oberammergauer Passionsspiele in der neuen Fassung. Die Klinik lag eine halbe Stunde entfernt auf der anderen Seite der Stadt. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht. Ich meinte, es müsste doch ein Priester zu finden sein, der näher dem Krankenhaus ist und nicht gerade so eingespannt wäre, aber nach dem sie mir versicherten, sie kennen sonst keinen, sagte ich zu. Als ich mit der Predigt in der 11-Uhr-Messe fertig war, stand das Auto schon bereit mit dem sie mich holten. Werden wir noch rechtzeitig zu dem Sterbenden kommen? Ich entsann mich, dass der hl. Clemens Maria Hofbauer einmal gesagt hat, wenn er noch Zeit hatte, auf den Weg zu einem Sterbenden den Rosenkranz zu beten, dann ist es immer noch gut gegangen.
So schlug ich vor, während der Fahrt durch die Stadt den Rosenkranz für den Kranken zu beten. Wir waren gerade mit dem Rosenkranz fertig, als wir gegen 12 Uhr die Klinik erreichten. Ich hatte nun auch das Empfinden: Es wird gut gehen. Dann eilten wir in die Klinik und wirklich, der Kranke lag noch bei vollem Bewusstsein in der Intensivstation. Mit einem stillen Lächeln empfing er mich. So gut es ging nahm ich ihm die Beichte ab, gab ihm die Krankensalbung, den Sterbeablass, und schließlich auch noch einen kleinen Teil der konsekrierten Hostie. Als ich ihm den Leib des Herrn gereicht hatte, merkte ich, wie sein Gesicht langsam steif wurde. Ich sprach gerade das Dankgebet, da — plötzlich ein lautes schrilles Pfeifen. Die Arzte kamen gerannt, packten den Sterbenden und versuchten mit verschiedenen Methoden noch einmal das Leben zurückzuholen. Aber es war vergeblich. Der Vater des Mädchens war tot. Noch in der allerletzten Sekunde seines irdischen Lebens, ausgesöhnt mit der Kirche und versehen mit allen Gnaden, die die Kirche einem Sterbenden geben kann.


Aus dem Buch "Die schönsten Mariengeschichten"
von Stadtpfarrer Karl Maria Harrer, München

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