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Der Rosenkranz des Paters Ogilvie

Von ehemaliges Mitglied 01.11.2020, 10:56


Der junge Baron Johann von Eckersdorf hatte ein unseliges Liebesabenteuer hinter sich. Trotz seiner Schönheit, seines Reichtums und seiner Liebenswürdigkeit war die kleine Komtesse Viola Martini ins Kloster gegangen, statt, wie er es gewollt und erwartet gehabt, Protestantin zu werden aus Liebe zu ihm.
Er hätte es nie für möglich gehalten, dass Viola, seine Spielgenossin von Kindheitstagen an, im entscheidenden Augenblicke Nein sagen und zu den Klarissinnen gehen könnte, wie sie getan. Hoch bäumte sich der Trotz in der Brust des jungen Edelmannes; denn bisher war ja alles immer nach Wunsch in seinem Leben gegangen. Auf der hohen Schule war er wohlgelitten gewesen, in den erlesensten Salons huldigte man ihm ob seiner Bildung und seines Auftretens, das Schicksal hatte ihn in jeder Weise bevorzugt ... und nun sagte dieses verarmte Mädchen, das er durch seine Persönlichkeit auszeichnen wollte, ganz einfach Nein.

Dennoch, diese Weigerung traf ihn härter, als er wünschte, als er geahnt hätte, denn sie traf ihn überraschend.
Er konnte den Giebel des nachbarlichen Herrenhauses, in dem Viola als verarmte Verwandte seit Kindheitstagen gewohnt hatte, nicht mehr ohne ein wehmütiges Erinnern sehen, und er schickte sich daher an, auf Reisen zu gehen, fremde Länder und Menschen kennen zu lernen, wie es damals, zu Anfang des 17. Jahrhunderts, Sitte gewesen und auch heute noch ist.

Sein Weg führte ihn zunächst durch die Schweiz nach Frankreich, und wo es Kunstschätze und Naturschönheiten zu bewundern gab, sah man den jungen Baron in den ersten Reihen. Er wollte das Leben auskosten, das kurze, herrliche, aber doch einmal begrenzte Leben. Wozu war man jung und angesehen? Doch nicht, um im heimatlichen Deutschland betrübt an der Türschwelle des väterlichen Hauses zu sitzen und in den Nach- barsgarten hinüberzustarren, dessen schönste Blume verschwunden war ...?

0, in den Adern des jungen Barons lebte das Blut der Abenteuerlust, er wollte genießen und froh werden!
So kam er auch nach England, dessen düstere Nebel wieder ein wenig die Schwermut in ihm zu wecken drohten, die Schwermut, die ihn in die Fremde getrieben hatte.
Es war am 10. März des Jahres 1615, als er zu Glasgow in Schottland halt machte. Eine große Menschenmenge war in der Stadt versammelt und ein aufgerichteter Galgen schrie nach seinem Opfer.

Der junge Baron, der froh war, seiner Schwermut durch neuartige Eindrücke abzuhelfen, mengte sich gar bald unter die aufgeregten Leute. Schnell war er in die Situation eingeweiht. Ein junger Jesuitenpater, Johann Ogilvie mit Namen, sollte hinge- richtet werden, weil er sich erkühnt gehabt zu behaupten, dass die Obergewalt in geistlichen Dingen auch in Schottland dem HI. Vater in Rom und nicht dem König Jakob I. zustehe.
Der Standplatz des jungen Barons war so günstig, dass er den Todeskandidaten mit einem protestantischen Prediger an sich vorbeigehen sah und auch die Worte hörte, die zwischen den beiden fielen. Der lutherische Priester bot dem Jesuitenpater Ehre, Macht und Reichtum an, wenn er sich vom Glauben lossage. Doch der Ordensmann wies diese Zumutung entschieden zurück. „Wohl", rief er aus, als der Protestant vor der ganzen Menge sein Ansinnen wiederholt hatte, „einzig meiner Religion wegen bin ich verurteilt und für sie wollte ich hundert Leben mitfreudigem Herzen hingeben. Nehmt also das eine, das ich besitze, und zögert nicht; meine Religion werdet Ihr mir niemals rauben!"

Pater Ogilvie umarmte und küsste den Galgen, ja, er tröstete selbst den Henker, der vor soviel Jugend, Schönheit und Opfermut nur schwer seines traurigen Amtes zu walten sich entschließen konnte. Als man daran ging, seine Hände zu binden, warf der Märtyrer seinen Rosenkranz, den er so oft für die Bekehrung der Irrgläubigen gebetet, auf gut Glück in die Volksmenge, dass ihn einer der nahe stehenden Katholiken zum Andenken erhaschen möge.

Aber die Perlenkette mit dem Kreuz des Erlösers traf die Brust des jungen Barons von Eckersdorf so günstig, daß er sie mit hohler Hand auffangen konnte. Die ungestümen Katholiken aber bedrängten den Fremden nur zu bald, das kostbare Ding wieder herzugeben.
Jedoch die Hand, die wenige Sekunden bloß das Liebespfand eines Märtyrers umschlossen, schmerzte, und es war dem jungen Edelmann, als hätte ihm der Rosenkranz eine Wunde geschlagen. Er musste immer und immer wieder an diesen letzten Blick des bereits Hingerichteten denken.

Tief erschüttert suchte der Adelige später seinen Gasthof auf und grübelte den ganzen Abend und die ganze Nacht über dieses eigenartige Erlebnis, das ihn tief ergriffen hatte. Und noch manche Wochen und Monate dachte er über den heldenhaften Tod des jungen katholischen Priesters nach und musste sich endlich eingestehen, dass es doch interessant sein müsste, die Lehre, die soviel Opfermut aufbrachte, lieber näher kennen zu lernen als zu bespötteln oder gar zu verurteilen.
An die Stelle seiner Vergnügungs-, Abenteurer- und Genusssucht war ein beständiges Forschen getreten und vier Jahre später, nachdem der geworfene Rosenkranz des jungen Märtyrers in seiner Hand geruht, stand auch Baron von Eckersdorf in den Reihen der katholischen Glaubensbrüder.

„Alles Geld der Welt würde ich nicht scheuen, könnte ich heute noch den Rosenkranz des Paters Ogilvie bekommen", sagte er am Tage seiner Aufnahme in den Schoß der Kirche, „denn nur er hat meine ganz wundersame Bekehrung verursacht."


Aus dem Buch "Die schönsten Mariengeschichten"
von Stadtpfarrer Karl Maria Harrer, München

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