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Das erschütternde Erlebnis eines Volksmissionars

Von ehemaliges Mitglied 19.07.2020, 21:28


Ein Industrieort im westlichen Deutschland. Wir sind seit acht Tagen am Werk. Es ist ein schweres, aber auch ein trostvolles Stück Arbeit. Die Predigten sind morgens um fünf und um neun Uhr, nachmittags um drei und abends um acht Uhr. Dazwischen und nach der letzten Predigt bis Mitternacht wird ununterbrochen Beicht gehört. Abends wird im Schulhaus polnisch und in der alten Kapelle, in der Nähe der großen Kantine der Italiener, italienisch gepredigt.
Heute ist Freitag. Die Frauen und Jungfrauen haben zum größten Teil schon gebeichtet. Auch die meisten älteren Männer sowie viele kleine Geschäftsleute und selbstständige Handwerker. Die ganze Bevölkerung ist in ernst-bewegter Stimmung: Die Wirtshäuser sind leer, weil alles zu den Predigten strömt. Man erzählt sich wunderbare Dinge. Von den Leuten, die seit ihrer Kindheit nicht mehr gebeichtet und jetzt den Anschluss wieder gefunden haben. Einem Landwirt sind 1600 DM zurückgestellt worden, die ihm vor einigen Jahren gestohlen wurden, ohne dass man den Täter finden konnte. Langjährige erbitterte Feindschaften wurden beigelegt. Aber eine bange Frage beschäftigt uns und den Rektor: Es fehlen uns noch 1200 bis 1500 Männerbeichten, und morgen ist der letzte, große Beichttag. — Werden sie noch alle zur heiligen Beichte sich einfinden?
Heute Abend soll ich über den Glauben und das Bekenntnis des Glaubens predigen und einen letzten Mahnruf zur Beichte an die Männer und Jünglinge richten, die, Kopf an Kopf ge- drängt, fast ausschließlich das Gotteshaus füllen. -
Ich weiß nicht, wie es gekommen ist: Nachdem ich die falschen Entschuldigungen der Menschenfurcht gründlich zerzaust hatte, wird es mir beim Anblick der Männerscharen plötzlich weich ums Herz und ich beginne einer plötzlichen Eingebung folgend, von der lieben Gottesmutter zu reden:

„Wenn jemand unter euch sein sollte, der sich noch immer nicht zur Umkehr entschließen kann, so soll er immer unsere himmlischen Mutter vertrauensvoll anrufen. Wer noch ein klein wenig Liebe zu seiner guten Mutter im Herzen spürt, der möge Mut fassen; er darf sicher sein, dass er durch ihre Fürbitte gerettet wird. Sage keiner: Was nützt mir das Beten? Ich glaube doch an nichts mehr! - Nein, lieber Bruder, mit dem letzten spärlichen Rest deines Glaubens, der noch in der Tiefe deiner Seele schlummert, versuche wenigstens zu ihr zu beten. Sie wird dir von Gott die Gnade des Glaubens, des vollkommenen Herzensfriedens und die Beharrlichkeit im Guten erlangen."

Ich weiß nicht, was ich sonst noch sagte; jedenfalls gehörte es eigentlich nicht in diese Predigt, und es war auch nicht überlegt, sondern wie von selber über meine Lippen gekommen, so dass mein Oberer, der einen Teil meiner Predigt von der Sakristei aus gehört hatte, mir hernach einen gelinden Tadel wegen dieser Abschweifung vom Gegenstand aussprach. - Dann gingen wir wieder in den Beichtstuhl.
Es war halb ein Uhr nachts, als ich aufstand, um ins Pfarrhaus hinüberzugehen. Da sehe ich vor dem Bilde der schmerzhaften Mutter einen Mann knien, mit dem Rosenkranz in der Hand der bitterlich weint. Auf meine Frage, ob er noch beichten wolle, antwortete er nur unter Tränen: „Herr Pater, ich habe seit mehr als fünfundzwanzig Jahren nicht mehr gebeichtet; ich habe an nichts mehr geglaubt, und ich bin auch nicht mehr zur Kirche gegangen. Aber dieser Rosenkranz, Hochwürden, ist von meiner seligen Mutter daheim in Lothringen. Auf dem Sterbebett hat sie ihn mir als Andenken gegeben. Ja, Herr Pater, ich hab's immer meiner seligen Mutter versprochen, jeden Tag wenigstens ein Gesetz vom Rosenkranz zu beten. Das hab ich ihr zuliebe bis heute gehalten. Ich bin tief gesunken, ich hab mir immer gedacht: Mit dir ist es zu weit gekommen; es ist zu spät, du kannst doch nicht mehr gerettet werden. Aber heute Abend bin ich aus Neugierde wieder einmal in die Kirche gegangen und habe nur noch gehört, wie Sie von der lieben Gottesmutter in ihrer Predigt sprachen. Sie haben gesagt: Wer noch ein klein wenig Liebe zur Gottesmutter hätte, der würde sicher gerettet. Herr Pater, da hab ich wieder Hoffnung geschöpft; denn, wenn ich auch sonst nicht viel getaugt habe, auf die Mutter Gottes habe ich nichts kommen lassen; ihren Rosenkranz habe ich in Ehren gehalten, und was ich meiner Mutter versprochen, das habe ich treu gehalten.
Ist es wirklich wahr, kann ich mich noch bekehren?"
Statt einer Antwort nahm ich den Mann beim Arm und führte ihn in den Beichtstuhl. Was weiter geschah, weiß nur Gott. — Es hatte längst ein Uhr geschlagen, als zwei überglückliche Menschen das inzwischen dunkel gewordene Gotteshaus verließen. Ich fühlte heiße Freudentränen nieder rinnen, als der Mann vor der Kirche meine Hand ergriff und sie dankbar an seine Lippen drückte.
Es ist Samstag, der vorletzte Tag der Mission, der letzte große Beichttag. Von einer Seite der Kirche her bis zu der anderen haben sich seit fünf Uhr morgens die Männer in langen Reihen vor den Beichtstühlen aufgepflanzt und warten geduldig, bis die Reihe an sie kommt. Viele haben Urlaub von der Fabrik begehrt und erhalten, um heute mit größter Ruhe das wichtige Geschäft ihrer heiligen Beicht zu erledigen. Heute sind auch nur zwei kurze Predigten, denn heute ist Erntetag im Beichtstuhl und der Schnitter liebt nicht die öftere Unterbrechung seiner Erntearbeit. Das wird morgen eine herrliche Generalkommunion der Männerwelt geben!

Die Freude und der Trost, die wir bei der Anhörung dieser Männerbeichten empfinden, erleichtern uns die mühsame, schier endlose Arbeit; denn immer neue Scharen rücken an: man merkt nicht, dass die Kirche leerer wird. Nur immer weiter, heißt die Losung. Wir dürfen nicht aufstehen, bis der letzte Mann gebeichtet hat, und wenn es die ganze folgende Nacht dauern sollte! So ermuntern wir uns gegenseitig in den kurzen Pausen, die wir alle paar Stunden machen müssen, um in der Sakristei eine kleine Erfrischung zu nehmen, oder um Luft zu schöpfen und die steif gewordenen Glieder zu bewegen. Keiner von uns denkt an Ruhe, obschon wir alle in den letzten Nächten kaum vier Stunden Schlaf mitbekommen haben. Plötzlich wurde ich zum Rektor gerufen. Es muss dringend sein, denn vor einer halben Stunde habe ich ihn zu einem Versehgang forteilen sehen. „Herr Pater, ich habe ihnen den letzten Dank eines Toten zu überbringen. Der Mann, der heute Nacht um ein Uhr bei Ihnen gebeichtet hat, ist soeben gestorben. Er ist zwischen die Räder der Maschine geraten; er war aber noch bei Bewusstsein und hat mir in Gegenwart von Zeugen erklärt, wie er dazu gekommen ist, sich zu bekehren. Er hat heute Morgen in der Kirche kommuniziert. Ich habe ihm soeben die heilige Ölung gespendet und die Generalabsolution erteilt. Er ist trotz seiner großen Schmerzen mit Ergebung gestorben wie ein Held. Den Rosenkranz, der ihn gerettet, hat er bis zuletzt in den Händen gehalten. Er lässt sie dankbar grüßen, und bittet Sie es überall zu erzählen, dass er durch Maria die große Gnade erhalten hat, an dem ihr geweihten Tag mit Gott ausgesöhnt zu sterben."

Aus dem Buch „Erlebtes und Erlauschtes"
des Volksmissionärs M. Kassiepe 0. M. S.
Echter-Verlag, Würzburg

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