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Petition "Effektiver Opferschutz von Betroffenen"

Von Rosenrot09 Mittwoch 12.02.2020, 21:48

Ihr Lieben,

ich bin überwältigt von den vielen Solidaritätsnachrichten!

Danke, dass ihr meine Petition "Effektiver Opferschutz von Betroffenen der Onlinekriminalität" unterzeichnet habt!

Ich muss zugeben, dass ich mich sehr lange sehr einsam und alleingelassen gefühlt habe. Ich wusste nicht, was ich machen soll, oder wo ich mir Hilfe holen kann. Das ist nämlich eins der größten Probleme bei Hassangriffen, deren Ursprung im Netz liegt: Betroffene wissen oft nicht, wo sie Hilfe und Unterstützung bekommen. Gegen dieses Problem schlage ich in meiner Petition vor, dass die Polizei mit Informations- und Beratungsstellen kooperiert, die Betroffenen mit konkreter, akuter Hilfe und psychologischer Unterstützung zur Seite stehen.

Als das Ganze für mich begann, erhielt ich auf Twitter täglich mehrere Suizidaufforderungen. Das machte mich fertig, und als ich einem anderen User schrieb "Ich kann nicht mehr", wurde das von vielen als Erfolgsschein genommen. Sie teilten Screenshots von meiner Aussage, um die Wirksamkeit ihrer Hasskampagne zu beweisen, um zu zeigen, wie sie es mir so richtig gezeigt hätten. Sie hatten ein Erfolgserlebnis. Wie sie gefeiert hätten, wenn ich das tatsächlich nicht ausgehalten und mir das Leben genommen hätte?

Das mag zwar übertrieben klingen, allerdings ist das bereits in den USA passiert. Die 18-jährige Brandy Vela nahm sich vor den Augen ihrer Eltern das Leben, weil sie das jahrelange Mobbing nicht mehr aushielt. Vela wurde gemobbt - mit Fakeprofilen, frauenfeindlichen Beleidigungen, durch Stalking u.a. Als sie Hilfe suchte, hieß es, dass man nichts machen könne. Hier erzählt ihre Schwester, wie es war. Und hier kann man nachlesen, dass selbst nach ihrem Suizid weiterhin Fake-Profile in ihrem Namen geöffnet wurde, auf denen sich Menschen über ihren Tod lustig machten.

Zuerst bis in den Suizid quälen und sich dann darüber lustig machen. So weit geht die Gewalt, deren Ursprung im Netz liegt.

Während die Anonymität so furchtbare Taten erlauben kann, brauchen das andere unbedingt, um sich auf den sozialen Netzwerken politisch äußern zu können, ohne Angst um ihr Leben haben zu müssen. Wir wissen, dass Nazis Feindeslisten führen, auf denen Namen und Adressen stehen. Während politische Gegner*innen von Nazis zur Zielscheibe gemacht werden, werden andere alleine aufgrund ihrer Existenz angefeindet, selbst wenn sie sich nicht politisch äußern, zum Beispiel wie bei den NSU-Morden.

Die NSU-Morde und der Umgang damit traumatisierte in Deutschland mehrere Generationen von Menschen mit Migrationsgeschichte. Der Mord an Walter Lübcke verursachte teilweise Retraumatisierungen, vor allem aufgrund der stechenden Ruhe nach dem Attentat. Eine Freundin fragte mich, ob sich die Öffentlichkeit überhaupt für "unser" Schicksal interessieren würde, wenn "uns" dasselbe passiert. Immerhin schwieg die Öffentlichkeit zuerst einmal, obwohl es um einen konservativen CDU-Politiker ohne Migrationsgeschichte ging. Diese Frage stammt aus den Wunden, die der Umgang mit den NSU-Morden verursachte.

Anonymität schützt Leben. Die Bundesregierung will allerdings, dass mehr Überwachung im Netz eingeführt wird. So sollen die Daten der Nutzer*innen von gemeldeten Inhalten auf den sozialen Netzwerken - egal, ob es sich tatsächlich um strafbare Inhalte handelt - gleich an die LKAs weitergeleitet werden. Der Gesetzesentwurf von Christine Lambrecht für eine Reform des NetzDG sieht sogar vor, dass künftig alle Telemediendienste selbst bei Ordnungswidrigkeiten die Daten der Nutzer*innen an die Behörden geben. Das ist Überwachung, und Überwachung schützt nur die Falschen. In meiner letzten Kolumne habe ich ausführlich erklärt, warum ich NetzDG für disfunktional halte. Ich bin überzeugt, dass NetzDG nicht reformiert, sondern abgeschafft werden muss.

Viele fragen mich über E-Mails, wie sie mir helfen können. Erstmal: Danke! Alleine diese Frage bedeutet mir viel und zeigt, dass es vielen nicht egal ist, was da passiert. Gerne könnt ihr weiterhin meine Petition über eure Netzwerke verbreiten. Und wenn ihr mir noch anderweitig helfen wollt, könnt ihr immer meine Texte lesen - das ist für mich das Wichtigste. Aufgrund der Angriffe komme ich inzwischen viel mehr als Opfer zu Wort als als politische Autorin. Viel mehr muss ich über die Gewalterfahrungen sprechen als über meine Arbeit. Die Gewalt und der Umgang damit kostet unfassbar viele Ressourcen und lenkt mich vom Wesentlichen ab - von der politischen Arbeit, die ich machen möchte, und von meinen Zielen, die ich als Autorin erreichen möchte. Genau das ist auch deren Ziel. Lasst das bitte nicht zu.

Ich danke euch herzlich für eure Unterstützung.

Liebste Grüße
Sibel Schick


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