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Der Werwolf

Von ehemaliges Mitglied Samstag 02.11.2019, 22:32 – geändert Montag 04.11.2019, 09:20


Der sommerliche laue Abend wurde in aller Stille von der dunklen Nacht verdrängt. Bis der Vollmond sich in voller Montur zeigte, dauerte es noch etwa eine gute Stunde, dachte Jacob und machte sich auf dem Weg. 
Es würde nicht einfach, in der Dunkelheit die steilen Klippen zu bezwingen. Er hatte es aber versprochen. Das ganze Dorf konnte es bezeugen. Nein, einen Rückzieher machen, undenkbar. 
Zuerst den Mutigen spielen, die Nachbarn verspotten und jetzt kneifen.
Auf dem halben Weg drehte er sich um und blickte von oben auf das sanft schlafende Dorf. 
Wie täuschend die ganze Dorfkulisse, dachte er und verspürte einen heftigen Stich in seiner Brust. 
Schon seit Wochen hatte er sich sorgfältig für diese Nacht vorbereitet. Zuerst hatte er  sich mit der Seherin getroffen, einer seltsamen Frau, die am Rande des Dorfes wohnte. Sie hatte schon öfter den Dorfbewohnern geholfen oder sie gemahnt. Was sie ihm geraten hat würde er niemandem verraten. Und hätte er auch nicht gedurft, sonst hätte er für seine unvorsichtigen Bemerkungen mit dem Leben bezahlen können. Ab diesem Schritt war er nur auf sich selbst gestellt. Er durfte mit niemandem darüber sprechen. Nicht mal mit Heza, seiner Frau.

Für diese Zeit hatte er die Dorfgemeinschaft verlassen und lebte nun abseits des Dorfes, in einer verlassenen Hütte an dem Mühlenstein, in voller Einsamkeit. 
Seit Ewigkeit mieden die Dörfler das Gebiet um den Finsterwald. Seit damals traute sich niemand sich auch nur einmal in Waldes Nähe blicken zu lassen. So hatte er seine Ruhe. Dorthin würde sich niemand verirren, dachte er.
Die ganze Zeit beschäftigte er sich nur mit sich selbst. Er lebte in Bescheidenheit, verzichte auf jegliche Genüsse und meditierte. 

Doch es dauerte nicht lange, da bekam er wieder Besuch. Die Wahrsagerin Samira suchte ihn auf. Er hatte sie natürlich sofort erkannt. Wer hätte sein Vorhaben erahnen können, wenn nicht sie?
Samira, die Geheimnisvolle, blieb bei ihm den ganzen Abend, bis in die Nacht. Sie beeindruckte ihn sehr. Sie war eine Frau, die keinen Stress kennt, das ruhigste Wesen auf diesen Planeten. Ihre wertvollen Ratschläge prägte er sich gut ein. Sie waren selbstverständlich auch nur für ihn bestimmt. 
Er musste sie auswendig lernen, um sie in Not ohne nachzudenken zu gebrauchen. Zum Schluß bekam er von ihr eine Art Talisman, der ihn schützen sollte in den ganz brenzligen Situationen, wenn es um Tod und Leben gehen sollte. Es war ein von ihr persönlich angefertigter Leibgurt. Sie legte ihn um seine Hüfte. Der Gurt war aus Wolfsfell gefertigt. Die schwere Schnalle aus geweihten Altsilber schloß sie eigenhändig und wendete dabei magische Zaubersprüche an. Er dürfte ihn niemals abnehmen. Erst, wenn die ganze Aktion beendet und durch Opfergaben aufgelöst würde. Oder, im schlimmsten Fall, wenn er nicht überlebt. Sie bat ihn noch den Rücken zu entblößen, und mit ihren krallenartigen Fingernägeln ritzte sie auf seiner Haut fremdartige Zeichen, dabei flüsterte sie in einer fremdartigen Sprache kurze Zauberformel vor sich hin. Ihm kam es vor, als hätte sie mit dem Wind gesprochen. Dann durfte er sich anziehen und umdrehen. Das tat er auch umgehend, aber sie war nicht mehr da. Sie war fort. Als hätte sie sich in der Luft aufgelöst. 
Die Zeit drängte. Er nahm seinen Wanderstab und machte sich wieder auf den Weg. Es war nicht einfach. 
Mühselig kämpfte er sich durch die Dornen und Steine, stolperte über die Unebenheiten und schlich sich durch die Sumpfpfade.
Doch plötzlich spürte er, dass er nicht allein war. Es kam ihm vor, als folgte jemand seiner Spur. Ein Schatten, der leichte Atemgeräusche macht. Er bekam Angst. Es war bald so weit. 

Ganz vorsichtig tastete er sich immer höher, Schritt für Schritt erkundete er die Lage. Oben der Mond in voller Pracht, unten er und sein unsichtbarer Verfolger, der sich schon ganz nah heran gewagt hat. Dazwischen die Nacht und die dunkle Mächte. 

Ein bestialischer Geruch breitete sich aus. Ein Zeichen, ER war schon ganz dicht an ihm. Er wusste, bald würde sich zeigen, ob er oder der andere den Kampf bestimmen und gewinnen wird. Augenblicklich bereute er, die Kräuterhexe nicht getroffen zu haben. Er wollte nicht so viele in seinen Plan einweihen. Jetzt war es zu spät. Er hätte noch gerne gewußt, welche Mächte ihm heute gut gewogen waren? Ihm, dem Verfolger oder ihm, dem Verfolgten? 
Karola

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