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Rechtschreibreform für Schildbürger (1)

Von tastifix Dienstag 01.08.2023, 11:54

Der Sommer, die Saison der Wärme, des pulsierenden Lebens voller Leichtigkeit und Frohsinns, neigte sich dem Ende zu. Die Tage, früher erhellt von gleißendem Sonnenschein, wurden trüber, nachdenklicher die Menschen. Beschäftigten sich wieder intensiver mit gewichtigen Problemen.

Auch in Schilda endete allmählich das sorglose Treiben. Anderes rückte in den Vordergrund. In diesem Jahr versetzte die Stadt etwas in Aufruhr, brachte die alte Ordnung dermaßen in durcheinander, wie es sich niemand in Schilda je hätte vorstellen können. All die Jahre zuvor hatten sie sich keinen Deut um das gesorgt, was jetzt ihre Herzen verunsicherte, was sämtliche anderen Themen abwürgte und dagegen eine heftige Diskussion auslöste. Ein bestimmter Begriff zog sie alle in den Bann, warf Fragen über fragen auf und raubte gar des Nachts den Bürgern von Schilda den Schlaf.

Einer der Ihren war von einer Fahrt in die Nachbarstadt zurückgekehrt, ohne erahnen zu können, welche Unruhe er mit seinem Reisebericht in seiner Heimatstadt auslösen würde.
´Reechtschreibrephorm!`
Keine Ahnung, was es bedeutete … Und doch dirigierte dieses Wort von einem Tag auf den anderen ihr Denken.
„So darf das nicht weitergehen!", berief der Schultheiß eilig eine Versammlung sämtlicher Bürger von Schilda ein.
Sie hätten schnell das Geheimnis zu lüften, bevor deswegen gar Panik ausbrach. würde. Von Neugier getrieben, strömten die Leute zusammen und krakelten lauthals herum.

Der Schultheiß von Schilda setzte eine dem Anlass angemessen ernste Miene auf.
„Uns ist zu Ohren gekommen, dass sich viel ändern soll. In unserer Nachbarstadt wird ein äußerst bedeutendes Treffen stattfinden. Auf dem wird es um ´Reechtschreibrephorm` gehen.“
Verständnislose Blicke. Unkenntnis aber quält.
„Hat jemand...", fuhr der Schultheiß fort, „ eine vage Idee, was darunter zu verstehen wäre?"
Nein, davon hatte man noch nie gehört. Aber die Bürger von Schilda waren ja als besonders schlau bekannt und keinesfalls bereit, ihr Ansehen aufs Spiel zu setzen.
„Ist denn sicher“, meinte der Bäcker, „dass das nicht ´Vonrechtsschreibreform-` heißt?"
Unter ´Vonrechtsschreibreform` hätte er sich wenigstens vage etwas vorstellen können. Vielleicht müsste er in Zukunft die Brötchen anstatt wie Buchstaben beim Schreiben, von links nach rechts auf dem Backblech von rechts nach links anordnen?

Die Umstehenden, froh, dass er sie mit der spontanen Wortmeldung vor der äußerst peinlichen Lage bewahrt hatte, zugeben zu müssen, dass sie ebenfalls total im Dunkeln tappten, klatschten Beifall. Oh, wie beschämend wäre es geworden, falls gar … Währenddessen sonnte sich der Bäcker, verblüfft über sich selber, in dem trügerischen Schein, etwas anscheinend sehr Kluges zur allgemeinen Diskussion beigetragen zu haben.
Alle blickten gespannt zum Schultheiß, den angeblich klügsten Mann von Schilda. Egal, welche Meinung er dazu kund täte ... Sie würden sich ihr anschließen, damit auch sie als klug gälten.
„Nehmt es mir nicht übel, aber dies meinte unser Reisender wohl nicht - ehem."
Er runzelte die Denkerstirn und ergänzte merkbar verlegen:
„Leute, fällt Euch vielleicht ein ähnlich klingendes Wort ein, das er gesagt haben könnte?"
Der Schulmeister meldete sich.
„Vielleicht eher ´Schreibrechtsrepfom`? Wahrscheinlich soll die Schreiblernpflicht per Gesetz nochmals dringlich verdeutlicht werden. "
Je länger seine Mitbürger darüber nachdachten, umso mehr gaben sie ihm recht. Dementsprechend stark brandete der Beifall auf, was der Schulmeister scheinbar berechtigterweise gebauchpinselt registrierte. Bereits ziemlich davon überzeugt, des Rätsels Lösung sehr viel näher gekommen zu sein, wären alle höchst zufrieden gewesen, hätte ihr Schultheiß dem zugestimmt. Stattdessen:
„Leider bin ich anderer Meinung!“
„Ooch!!"
„Ja, ich gehe nämlich davon aus, dass es eben doch um ´Rechtschreibreform` handelt!"

Enttäuschung bei Schulmeister und Bäcker. Vor erneutem Grübeln rauchte nun allen Bürgern der Kopf, der Kopf, aber ohne ein akzeptables Ergebnis. Immer wieder blickten die Leute ihren bis dato verehrten Schultheiß an. Von ihm hatten sie eigentlich mehr Klugheit erwartet. Ob sie sich in ihm so sehr täuschten? Doch darüber jetzt auch noch nachzusinnen, hätte den Kopfschmerzen, die sich wegen des allzu intensiven Denkens inzwischen eingestellt hatten, unnötige zusätzliche Nahrung geboten. So fahndeten sie lieber nach einer Chance, der Blamage aus dem Weg zu gehen, als wider Erwarten unkluge Bürger einer wider Erwarten unklugen Stadt dazustehen.

Ausgerechnet der Metzger, der sonst nie viel äußerte, kam auf den einzig fruchtbaren Gedanken:
„Ich ... Ich hätte ja eine Idee ...", meinte er nur zögernd, weil er seinen Ruf als einem nicht so ganz schlauen Mann kannte, „Lasst uns doch jemanden zu der Konferenz schicken, der uns dann hinterher alles erklären kann.“
Ob der für ihn ungewöhnlich langen Ausführung erntete er verblüffte Blicke. Erstaunen wich offen zur Schau getragener Bewunderung. Ja, vielleicht ließe sich so ihr Ruf retten, sehr klug zu sein. Befreit feierten sie den Metzger, der gar nicht verstand, wie ihm geschah, wie einen Helden. Immer schon hätten sie geahnt, dass in ihm ein unerkanntes Genie schlummerte. Soeben hatte er ihnen den Beweis dafür geliefert.
Und: Es würde die noch weitaus quälendere Sorge ersparen, vielleicht doch nicht so tüchtig zu sein.
Jedoch durften sie sich nicht lange in ihrem alten/neuen Im,age sonnen. Denn nun stand mein Beschluss von enormer Tragweite aus. Der Leitfaden für weitere Aktivitäten baumelte zum Greifen nahe in der Luft. Allein, ihn zu nutzen, brauchte es Zielstrebigkeit. Und die bewiesen die Bürger von Schilda, indem sie den Willen bekundeten, einen der Ihren zum Kundschafter zu bestimmen. Es verunsicherte erneut. Wer denn könnte diese schwierige Aufgabe übernehmen? Und dann alles so erklären, dass wirklich alle Bürger von Schilda es verstehen würden? Hoffentlich träfe die Wahl nur den Richtigen!

Wieder ergriff der Schultheiß das Wort.
„Ihm darf die Rechtschreibung keine Schwierigkeiten machen!“
Sich selber zu benennen, war der Schultheiß zu bescheiden, eben doch zu klug.
„Der müsste also das ganze ABC kennen!", bemerkte eine Frau.
Stolz blickte sie in die Runde, wohl in der Annahme, ihr würde genauso applaudiert werden wie wenige Minuten zuvor dem Metzger. Doch regten sich nur ein paar Hände, wie aus Versehen. Die, zu denen sie gehörten, empfanden wohl Mitleid mit ihr. Immerhin zählte auch sie zu ihrer illustren Gemeeinschaft und man hielt ja zusammen.
Der Schultheiß war sich unsicher, was er darauf antworten solle und ergänzte, der Angelegenheit mit Sicherheit weitaus förderlicher:
„Er muss unbedingt viele Bücher gelesen haben, um dort mitreden zu können."
Gegenseitig abschätzende Blicke, zum Teil begleitet von abschätzigen Gedanken. Wer von ihnen ...?? Nach kurzer Stille des Nachsinnens kam der erste Vorschlag ...






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