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Die Grausamkeit der Märchen

Abends kuscheln sich die Kinder in ihre Decke und lauschen mit leuchtenden Augen den Gutenacht-Märchen. Zumindest zunächst. Zwar siegt generell das Gute über das Böse, aber der Weg bis zum freudigen oder doch wenigstens beruhigenden Ende ist mit spitzen, manchmal allzu spitzen Steinen gepflastert. Die Kleinen freuen sich mit den Helden, sie durchkämpfen mit ihnen brenzlige Situationen und leiden oftmals mehr als jene in der Geschichte selber. Die Abbildungen verstärken den erschreckenden, bedrohlichen oder gar grausamen Eindruck und lassen ihn bis hin zur Horrorvorstellung auswachsen. Die kindliche Fantasie hat also viel zu verkraften.

Wir kennen alle die klassischen Geschichten der Gebrüder Grimm. In ihnen geht es sehr hart zu: Im ´Dornröschen` tritt eine böse Hexe auf, verflucht die Prinzessin, jene sticht sich an einer Nadel und fällt in einen hundertjährigen Schlaf. Fast jedes Kind hat sich schon einmal in den Finger gestochen. Es hat zwar etwas geschmerzt, aber meist war es weiter schlimm. Deshalb ist diese Vorstellung noch gut zu verarbeiten. „Arme Prinzessin!“

Obwohl die Hexe auf dem Bild recht böse guckt, hat sie Dornröschen ja nicht gequält oder gar getötet. Zudem befreit ein schöner Prinz das Mädchen und nimmt es für immer mit auf sein Schloss. Das düstere, bedrohliche Hexenbild wird von dem Eindruck des Schönen in der Geschichte relativiert und verdrängt. Weitaus grausamer dagegen geht es in dem Märchen vom Aschenputtel zu. Die Stiefmutter hackt ihren Töchtern Zehen und Ferse ab. Wem danach der Schuh passt, wird Königin. „Die ist aber böse. Das tut doch schrecklich weh!“

Die Kleinen sehen die Szene deutlich vor sich. Je länger sie darüber nachgrübeln, umso furchtbarer wird die Vorstellung von jener brutalen Aktion. Sie wälzen sich unruhig im Bett. Die Dunkelheit im Zimmer jagt ihnen zusätzliche Angst ein. „Vielleicht liegt unter meinem Bett die böse Stiefmutter mit ner Axt und haut mir gleich den Fuß ab!“

Ganz schlimm wird es in der Geschichte vom ´Rotkäppchen`. Der als schreckliches Monster dargestellte Wolf frisst tatsächlich das Rotkäppchen und dessen Großmutter. Zwar kommt dann der Jäger, schneidet dem Wolf den Bauch auf und rettet den Beiden das Leben. Aber die Vorstellung, jenes furchtbare Biest könnte gar unter ihrem Bett hocken und nur auf die erstbeste Gelegenheit warten, auch sie zu verschlingen, ruft bei den Kindern große Furcht hervor. Manchmal hilft nicht einmal mehr der elterliche Zuspruch. Die Kleinen verkriechen sich unter ihre Decke und weinen. Nichts kann sie mehr beruhigen. Braust zudem der Wind hohl ums Haus, klappern die Fensterläden dumpf oder malt das fahl ins Fenster scheinende Laternenlicht etwa gar lebhafte Schatten an Decke und Wände, sehen sie in den Schatten die Horrorfiguren aus den Märchen. Sie bilden sich gar ein, diese kämen auf sie zu, um ihnen etwas Böses anzutun wie dem Aschenputtel oder auch dem Rotkäppchen. Albträume sind vorprogrammiert.

Kinder sind sehr unterschiedlich veranlagt. Einige lässt die Brutalität mancher Märchen fast ungerührt. Andere dagegen werden mit ihren Ängsten nicht fertig und stehen unter Umständen Todesängste aus. Nun frage ich mich: Darf dies sein? Es kann doch wohl nicht die gewünschte Wirkung eines Märchens sein, dass es die kindliche Psyche verunsichert oder gar schädigt! Was meint Ihr dazu??

von tastifix

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