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Kühe, Milch und noch mehr .....


„Milch von glücklichen Kühen“ – so verspricht es die Werbung. Vegetarier oder Veganer werden einwenden: Kühe in einem Zuchtbetrieb sind dazu da, möglichst viel und lange Milch zu geben – glückliche Kühe gibt es nicht mehr.
Auf dem Weidenhof bei Familie Gill haben wir bei der Führung den Eindruck gewonnen, dass die Kühe von Hans-Christoph und Annika Gill ein glückliches Leben führen.

Wer bei Familie Gill in Bodenheim zufällig oder auch gezielt vorbei kommt, kann sich ebenfalls davon überzeugen, dass sie alles dafür tun, um ihren Rindern das Kuhleben so angenehm wie möglich zu machen. Die Besucher können sich im offenen Stall umschauen und bekommen ihre Fragen beantwortet.

Viele Fragen hatten auch unsere 26 Mitglieder, die bei der Führung am 2. November dabei waren. Wir haben vor allem aber gestaunt: Ein moderner Betrieb hat so gut wie nichts mehr mit dem kleinen Bauernhof früherer Zeiten gemein, den viele von uns noch aus eigener Anschauung kennen. High-Tech ist auch hier eingekehrt, und sie erleichtert das Leben von Mensch und Tier.

Auf die Idee, zu Familie Gill zu fahren, hat uns Elke/Sunny322 gebracht. Sie schwärmte von der „Milchtankstelle“, die es seit April 2017 in der Rheinallee 100 in Bodenheim gibt. Einmal pro Woche fährt sie dort hin, um sich die frische Milch – quasi direkt von der Kuh – zu holen. Der Liter kostet 1 €. Dafür erhält der Kunde beste Rohmilch mit einem unvergleichbar guten Geschmack. Genauso ist sie uns von früher in Erinnerung, als wir sie noch direkt vom Bauern holten oder mit den Milchkannen im Milchgeschäft.

Die Milchtankstelle wurde für uns am Nachmittag aber eigentlich zur Nebensache – die Kühe und der Betrieb waren wesentlich interessanter. Vor allem durch die lebhafte Schilderung von Hans-Christoph Gill, der mit Herzblut, Leidenschaft und einem enormen Wissen begeisterte. Wir spürten bei jedem Satz, wie sehr er seine Arbeit und vor allem seine Tiere liebt.

Bewundernswert auch seine Frau Annika, die das Leben und die Arbeit mitträgt und von der Bankkauffrau zur Landwirtin umgeschwenkt ist. Eine Arbeit, die keinen geregelten Tagesablauf und Feierabend kennt.

Seit sein Vater vor 5 Jahren gestorben ist, betreibt Hans-Christoph Gill den Bauernhof alleine. Er hat Agrarwirtschaft studiert.

Ihm zur Seite stehen vor allem seine Frau Annika und seine Mutter, ein Auszubildender und eine Minijobberin, ein junges Mädel, die, so Hans-Christoph Gill, soviel Freude an der Arbeit hat, dass sie für ihn eine große Entlastung vor allem am Wochenende darstellt.

1966 siedelte sein Großvater aus und baute einen Stall für 16 Kühe. 1983 waren es 45 Kühe, 1998 bereits 100 und aktuell leben auf dem Weidenhof 220 Kühe, die Milch geben, dazu etwa 300 in der Nachzucht. Dazu zählen Kälber und Färse, so heißen die Kühe, bevor sie das erste Mal gekalbt haben. Hinzu kommen 130 ha Bewirtschaftung, hauptsächlich für Futter wie Rüben, Luzerne, Weizen, Mais und Gras. Am Tag werden 12 to Futter gebraucht und etliche Rundballen Stroh als Einstreu. Für besondere Arbeiten, z.B. den Mais, werden regelmäßig Lohnunternehmer mit großen Maschinen eingesetzt.

Zu den Kälbchen führt uns auch unser erster Weg. Sie sind in Boxen untergebracht und haben als Unterstand einen „Iglu“. Dadurch, dass die Kälber von der Mutter nach wenigen Tagen getrennt werden, sank die Sterblichkeit auf unter 1 %, erklärt uns Hans-Christoph Gill. Als die Kälber bei den Mutterkühen blieben, lag sie bei über 10 %. In den Boxen können die Kleinen besser betreut werden, es kann kontrolliert werden, wieviel sie trinken und ob sie gesund sind. Sauberkeit spielt eine große Rolle; die Hütten werden regelmäßig desinfiziert.

Zwei Wochen bleiben sie auf der „Babystation“ und bekommen ein sog. „Kälbermüsli“, das aus einer Mischung aus Muttermilch und Kälberkorn besteht. Erst nach ca. 3 Monaten bekommen sie Silage, denn erst dann können sie es verdauen. Die kleinen Kälbchen haben nur einen Labmagen, der Pansen entwickelt sich erst noch.

Unsere Frage, ob seine Tiere geimpft werden, verneint Herr Gill. Krankheiten, die eingeschleppt werden, kommen so gut wie nicht mehr vor, jedenfalls nicht von Besuchern.

Einige Tage nach der Geburt bekommt jedes Kalb eine Ohrmarke, die es sein ganzes Leben begleitet. Auf der Ohrmarke steht eine Nummer, die Auskunft über das Herkunftsland (Deutschland) gibt, dem Kürzel für das Bundesland (Rheinland-Pfalz) und eine laufende 8-stellige Nummer. Zusätzlich besitzt jedes Tier einen sog. „Rinderpass“. Er ist wichtig für jeden Zuchtbetrieb und ist sozusagen der Stammbaum. Dort und auch handschriftlich auf der Ohrmarke ist der Name des Tiers vermerkt, der mit dem gleichen Anfangsbuchstaben wie ihn die Mutter hat, beginnt.

Bei Familie Gill gibt es 25 verschiedene Linien, z.B. hat die A-Linie (alle Rinder haben einen Namen der mit A beginnt) 14 Kühe. Durch diesen Stammbaum können Gills auch genau die Historie ihrer Tiere nachvollziehen. Hans-Christoph Gill versichert uns, dass er und seine Frau alle Namen ihrer Rinder kennen.

Danach gehen wir in den großen Stall, den Familie Gill 2000 – 2002 in offener Bauweise errichtet hat. Seitdem, so Hans-Christoph Gill, gäbe es keine Probleme mehr bei seinen Kühen mit Atemwegserkrankungen. Überhaupt kommen Kühe mit Kälte bestens zurecht, die optimale Temperatur für sie liegt von minus 8° bis plus 8°. Sie vertragen aber auch Kälte bis -20°. „Sie bekommen ein Winterfell“ erklärt er uns. Wenn es zu heiß ist, fühlen sich die Tiere unwohl und suchen den Schatten. Der Stall kann mittels "Markisen" beschattet werden. Im Sommer, aber auch im Winter, saufen die Kühe am meisten.

Die Kälber, die vorne im Stall untergebracht sind, haben eine Ruhezone mit Stroh im hinteren Teil. 1x die Woche wird frisches Stroh eingestreut. Der vordere Teil der Box ist betoniert, damit die Klauen hart werden. Vorne an den Absperrgittern hängen die Eimer mit dem Futter, das aus angesäuerter Vollmilch besteht. Die älteren Kühe liegen lieber auf weichen Liegematten.

Entmistet wird vollautomatisch. Ein maschinell gesteuerter Schieber fährt durch die Ställe und türmt den Mist am Rand auf. Dort wird er verladen und entsorgt. Wir können beobachten, dass der Schieber die Tiere überhaupt nicht stört. Sie steigen einfach über ihn und lassen sich nicht aus der Ruhe bringen.

Die Färsen, also die Tiere, die noch nicht gekalbt haben, haben eine eigene Gruppe, genauso wie die sog. „Trockensteher“. Sie haben mindestens einmal gekalbt und werden im Zeitraum von acht Wochen vor der Geburt des nächsten Kalbes bis dahin nicht gemolken, damit sie sich für die Geburt erholen kann. Zum Großteil dürfen sie auch raus auf die Weiden, die im Polder liegen.

Etliche Bullen sorgen dafür, dass es immer genügend Nachwuchs für die Zucht gibt. Zwei Rassen von Rindern züchtet Familie Gill: die schwarz-weiß gescheckten Holstein-Friesian Rinder mit einer hohen Milchleistung und die braunen Jersey-Kühe, die weniger Milch geben, dafür aber eine bessere Qualität mit mehr Fett und Eiweiß, daneben noch Jerseys, die mit den Blau-Weißen Belgier gekreuzt werden, um Rinder mit besserem Fleisch zu züchten. Diese Kälber werden
zur Mast verkauft.

Es erstaunt uns zu hören, dass die Kühe auch nach ihrer Kondition von 1 – 5 beurteilt werden. Erreicht dieser sog. „Body condition score“ die Stufe 5, gilt das Tier als zu fett. Das Futter wird dann entsprechend angepasst. Die Milchkühe erhalten alle eine Mischung aus Mais, Gras, Zuckerrübenschnitzel, Luzerne und Wasser. Eine Kuh benötigt ca. 160 Liter Wasser am Tag.

Uns fallen die Halsbänder auf, die die Tiere tragen. Die digitale Technik sammelt verschiedene Daten. Die Sensoren zeigen die Aktivität an. Der Bauer weiß dann sofort, ob die Kuh z.B. brunftig ist oder krank, wann sie frisst und wie viel. Durch die neue Technik bekommt er auch sofort Nachricht, wenn sie kurz vorm Kalben ist.

200 Kühe werden täglich gemolken; eine Kuh gibt ca. 20 Liter Milch am Tag. Bis zum November 2016 mussten die Kühe alle von Hand zweimal am Tag an die Melkmaschine angeschlossen werden. Das dauerte jedes Mal 4 Stunden. So war es ein großer Fortschritt und Zeitersparnis, auf das automatische System mit fünf Melkboxen umzustellen. Hierfür wurde ein großzügiges Gebäude errichtet, das wir uns ebenfalls anschauen.

Interessant, wieviel Technik heutzutage eingesetzt wird, wie effizient sie arbeitet und alle Arbeitsabläufe steuert, die vorher viel Zeit und Kraft gekostet haben. Zeit, die der Landwirt jetzt für die Betreuung seiner Tiere und der übrigen Arbeit einsetzen kann. Nur so kann auch der Tierbestand gehalten oder gesteigert werden.

Die Kühe gelangen über eine Schleuse in den Wartebereich. Sie öffnet sich aber nur, wenn die Kuh sozusagen „an der Reihe ist“. Manche seiner Kühe – so Hans-Christoph Gill – würden am liebsten ständig zum Melken gehen, anderen wiederum reicht es, wenn sie den Bereich zweimal am Tag betreten. Stimmt etwas nicht, schlägt der Sensor am Halsband Alarm.

Manche Kuh wartet auch, weil eine andere in den Melkboxen steht, oder im Vorbereich wartet, die sie nicht leiden kann. Ist der Melkvorgang beendet, gibt die Nachselektion den Weg in die einzelnen Gruppen frei.

Die Kühe haben sich schnell an den Melkroboter gewöhnt. Kein Wunder, am Melkstand gibt es für jede Kuh ein kleines Leckerli.

Steht die Kuh in einer der Boxen, werden die Euter mittels Kamera abgescannt und die Zitzen gereinigt. Dann werden die Becher genau angesetzt. Beginnt der Melkvorgang kann man auf dem Display genau sehen, wie viel Liter gemolken werden. Die Milch wird vom Roboter untersucht und analysiert. Danach kommt sie in große Edelstahltanks. Zum einen für die neue Milchtankstelle, zum anderen für die Molkerei, die die Milch jeden zweiten Tag abholt.

Zum Abschluß zeigt uns Hans-Christoph Gill noch den „Reha-Bereich“, in dem Kühe kurz nach dem Kalben, oder alte und kranke Kühe untergebracht sind.

Sie werden besonders betreut und haben es im hinteren Teil des Stalles ruhig und auf dem weichen Stroh gemütlich. Ein direkter Zugang in den Vorraum zum Melkroboter sorgt für kurze Wege. Zur "Wellness" dient eine Bürste, an der sie sich gerne schrubben, wie wir beobachten können.

Nach interessanten zwei Stunden stehen Kaffee, Kuchen und natürlich die frische Milch für uns bereit. Annika und ihre Schwiegermutter haben bestens für uns gesorgt.

Wir bedanken uns bei Familie Gill für diesen erlebnisreichen und vor allem informativen Nachmittag und wünschen der jungen Familie alles Gute.

Einige gehen zum Abschluß noch zum Italiener gegenüber.

Bevor wir nach Hause fahren, muß aber noch einmal die neue Milchtankstelle aufgesucht und frische Milch gezapft werden. Wir kaufen uns eine neue Flasche im Automat und lesen die Anleitung, wie wir zapfen und was wir beachten sollen. Auf einem Schild steht, dass wir die Milch abkochen, bei 5° aufbewahren und binnen drei Tagen aufbrauchen sollen. Nichts leichter als das. Ich genieße die Milch jedoch ungekocht – so, wie ich es als Kind gewöhnt war. Und ja, sie schmeckt noch genauso wie früher. Ich bin begeistert und werde mich künftig öfter mal auf den Weg nach Bodenheim begeben.

Ein Dank auch an Elke/Sunny322 für die hervorragende Idee, zum Weidenhof zu fahren. Ich bin sicher, alle die dabei waren, haben es nicht bereut.

Stille ist am Abend auf dem Weidenhof eingekehrt; Gelegenheit für Günter/bakru26 noch ein Bild im Stall zu knipsen.

Seine Bilder zeigt bakru26 hier

Bilder von Annelie/007Ulli und Günter/Moritz22 sind im Bericht zu sehen und unter meinem Namen im Album von Günter.

Und hier, als besonderes Schmankerl noch ein Video, das Günter auf seinem YouTube-Channel eingestellt hat. Der Link dazu findet sich in unserem Forum !

(eingestellt am 4.11.17)

Autor: Feierabend-Mitglied

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