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Johanniskirche Mainz_fidelis45

Führung in der Grabungskirche St. Johannis


Wer in Mainz anfängt zu graben, stößt auf Zeugen der Vergangenheit. So auch im Sommer 2013 in St. Johannis, als die in die Jahre gekommene Heizungsanlage erneuert, und eine moderne Fußbodenheizung eingebaut werden sollte.

Bei den Sanierungsarbeiten stieß man durch Zufall auf Reste eines Pfeilers aus dem 7. Jh. Mittlerweile sind die Archäologen tief ins Mittelalter vorgedrungen und Überraschendes ist zu Tage getreten:
St. Johannis ist älter, als bisher angenommen.
Die Kirche gilt als das älteste nach der Völkerwanderung errichtete Gotteshaus nördlich der Alpen. Teile des Mauerwerks stammen aus der Merowingerzeit, etwa 660 n. Chr.; möglicherweise könnten die 10 m hohen Mauerreste aus dem 4. Jh. stammen.

Bereits 2014 habe ich im Rahmen einer Führung St. Johannis besucht. Damals war noch nicht abzusehen, wie lange die Ausgrabungen dauern und wie spannend sie noch werden würden. Deshalb war es an der Zeit, die Kirche zwei Jahre später wieder zu besuchen. Die Resonanz war groß: mehr als 30 Mitglieder wollten dabei sein. Für 20 war eine Teilnahme möglich.
re: Aufnahme aus dem Jahr 2014
Bild oben: Aufnahme aus dem Jahr 2012, beide Aufnahmen von fidelis45

Johanniskirche 2016_bakru26


St. Johannis liegt im Schatten des Doms, aber so unscheinbar, wie die Kirche auf den ersten Blick neben dem mächtigen Martinsdom wirkt, ist sie gar nicht und unbedeutend ist sie schon gar nicht mehr, seit Archäologen und Kunsthistoriker Spektakuläres zu Tage befördert haben.

Vor dem Eingang empfängt uns Stadtkirchenpfarrer Gregor Ziorkewicz, der uns einschärft, dass wir gleich eine Baustelle betreten und auf unsere Füße aufpassen, damit wir nicht stolpern und stürzen. Der Seiteneingang wird hinter uns verschlossen.

Von innen wirkt das Bauwerk riesig, zumal es gänzlich entkernt ist und der Boden teilweise bis zu 3 m tiefer als ursprünglich abgegraben wurde.

Viel zu sehen ist leider nichts von den Ausgrabungen, da der Boden seit dem Abtransport der Orgel mit Tüchern zugedeckt wurde, um ihn vor Staub und Bauschutt zu schützen.

Johannis 2016_kobold1952

St. Johannis 2016_fidelis45

Um so interessanter sind die Erläuterungen von Pfarrer Ziorkewicz zur Geschichte von St. Johannis:

Fest steht, dass bereits seit 660 hier eine Kirche stand, wahrscheinlich sogar eine Bischofskirche, deren Mauern bis in die Merowingerzeit zurückreichen - möglicherweise bis in die römische Zeit, als Mainz noch Moguntiacum hieß. Um 900 ließ Bischof Hatto die Kirche "verschönern".

Ob die Vorgängerbauten des "Alten Doms" schon aus dem 4. Jh. stammen, ist Hypothese und muss noch gründlich erforscht werden.

Es wird vermutet – so Gregor Ziorkewicz – dass in römischer Zeit an dieser Stelle vielleicht ein Tempel gestanden hat, oder ein Römer, der zum Christentum konvertiert war, ein Gotteshaus errichtet hat, oder dass eine Persönlichkeit hier beigesetzt wurde. Auf alle Fälle gab es im Gebiet der Johanniskirche römische Bebauung.

Holzfunde im Mörtel zwischen den Steinen belegen eindeutig mittels der C14-Methode, dass die Mauern zwischen 640 und 680 datiert werden können. Die Proportionen und die Originalmauern stammen somit aus der Merowinger Zeit, ebenso die Bogenfenster.

In den verschiedenen Jahrhunderten wurde der Fußboden um etwa 3 m erhöht, warum, das weiß man nicht so genau. Es wird vermutet, dass es statische Gründe hierfür gegeben haben könnte.

St. Johannis 2016_kobold1952

St. Johannis 2016_kobold1952

Bei Grabungen an den Pfeilern wurden die Basissteine gefunden. Die Ausgrabungen lassen die enorme Ausdehnung der Kirche erahnen. Ein ungewöhnlicher Grundriß mit einem kurzen Langhaus, eine doppelchörige Kirche. Die Kirche war gewestet, auch das ist ungewöhnlich, da Kirchen normalerweise geostet sind. Der Johannes-Altar war im Osten, der Martins-Altar im Westen.

Nördlich der Kirche, im Bereich der heutigen Volksbank, befand sich ein Kreuzgang, der im 17. Jh. verschwand und über dessen genaues Aussehen wenig bekannt ist.

Im Zuge der Ausgrabungsarbeiten wurden nicht nur wertvolle archäologische Funde wie alte Mauerreste, einen zum größten Teil erhaltene Fliesenboden aus dem 13. Jh,, Keramikscherben und Knochen gefunden. Die über 50 gefundenen Skelette werden derzeit untersucht und danach, so Pfarrer Ziorkewicz, wieder beigesetzt.

Erzbischof Hatto I. ließ ab etwa 900 auf den Mauern der früheren Bebauung die Domkirche als dreischiffige Basilika neu errichten und weihte sie 910 ein. Sie war zunächst dem Heiligen Martin von Tours geweiht. 975 wollte Erzbischof Williges eine neue Kathedrale errichten, aber den „Alten Dom“ stehen lassen. Um den neuen Dom sollte mit der späteren Liebfrauenkirche und der Johanniskirche ein Domkomplex entstehen. Im Dommuseum findet sich noch das Modell des Komplexes aus dem 17. Jh, das einen Verbindungsgang, das sog. Paradies, über den Leichhof hinweg zwischen St. Johannis und dem Martinsdom zeigt.

St. Johannis 2016_fidelis45

Im alten Martinsdom wurden zwei Könige gekrönt: im Jahr 1002 krönte Erzbischof Willigis Heinrich II, und im Jahr 1024 wurde Konrad II. von Erzbischof Bardo zum Deutschen König gekrönt.

Am Tag der Weihe brannte der Neue Dom bis auf die Grundmauern nieder und wurde erst 1036 wieder fertig gestellt. Er wird ebenfalls dem Heiligen Martin geweiht. Der Martinsaltar wurde in die neue Kirche gebracht; der Johannesaltar blieb im Alten Dom.

Der alte Martinsdom wurde zur Stiftskirche und erhielt den Namen St. Johannis, nach dem Patron Johannes der Täufer. Als Weihetag der Johanniskirche wurde nie das Fest von Johannes d. Täufers am 24. Juni gesehen, sondern der Martinstag. Das Domkapitel hielt bis in die nachmittelalterliche Zeit jedes Jahr am 11. November einen Gottesdienst in St. Johannis.

In der Mitte des 13. Jahrhunderts war die Johanniskirche in einem so schlechten Zustand, dass Papst Gregor IX. einen Ablasshandel zugunsten der Kirche genehmigte. Größere Baumaßnahmen fanden jedoch erst im 14. Jahrhundert statt. Anstelle des Westchors entstand ein hoher gotischer Anbau mit einem nahezu rechteckigen Grundriß. Auch ein prächtiger Lettner wurde eingebaut, der die Stiftsherren im Chor (Westen) und die Laien im Osten trennte. Der Lettner wurde im 17. Jh. zerstört.

St. Johannis 2016_bakru26


In der Barockzeit erfolgten größere Umbauten. Der Fußboden wurde um mehr als 2 m aufgeschüttet, eine Kommunionbank eingebaut. Die Ostapsis wird abgerissen und das Hauptportal an die Ostfassade verlegt. 1767 brannte der Verbindungsgang zwischen Altem und Neuem Dom ab.

1792 wird Mainz durch die Franzosen besetzt. Damit endet die Zeit von St. Johannis als Stiftskirche. Wie jeder größere Besitz wird die Kirche verstaatlicht und als Lagerhaus militärisch genutzt.

Während sich bereits nach der Reformation wenige Protestanten auch in Mainz aufhielten, kamen unter den letzten Kurfürsten viele Evangelische nach Mainz. Die napoleonische Verwaltung gewährte die Religionsfreiheit, die Katholiken, Protestanten und Juden umfasste. 1802 wurde die Evangelische Gemeinde zugelassen und bekam die Altmünsterkirche zugewiesen, die damals Garnisonskirche war.

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Nach dem Wiener Kongress kam Mainz zu Hessen-Darmstadt. Im Jahr 1828 wurde die Johanniskirche der evangelischen Gemeinde zur Verfügung gestellt. Die Kirche war leer; sie musste von der Gemeinde selbst renoviert und eingerichtet werden. Es entstand ein modernes Gebäude mit einem klassizistischen Kirchenraum. Der Kreuzgang im Norden der Kirche wurde abgerissen, das Ostportal und die Arkaden in den Seitenschiffen zugemauert. Es entstanden Emporen im Mittelschiff und eine Orgelempore im Westchor. Die Seitenschiffe wurden zum Teil vermietet.

1906 wurde das Innere der Kirche von einem Darmstädter Architekten im Jugendstil umgebaut. Ein Zeugnis dieses Jugendstils kann man heute noch in der Lutherkirche in Wiesbaden sehen.

1942, im 2. Weltkrieg, brannte die Johanniskirche durch Brandbomben völlig aus. Lediglich die Mauern blieben stehen.

Nach dem Krieg wird die Kirche vom Darmstädter Architekten Karl Gruber im schlichten Stil des ursprünglichen Kirchenbaus von Bischof Hatto wieder aufgebaut. Die Mauern im Erdgeschoß werden aus Backsteinen erneuert, eine Holzdecke eingezogen. Ende 1956 wird die Johanniskirche wieder eingeweiht.

St. Johannis 2016_fidelis45

Zum Schluss der Führung stellt sich für uns die Frage, was nach Abschluss der Grabungsarbeiten mit St. Johannis geschieht. Pfarrer Ziorkewicz ist davon überzeugt, dass St. Johannis wieder eine Kirche sein wird, dass zugleich aber auch ein Weg gefunden werden muß, die Geschichte erlebbar zu gestalten.

Bis es soweit ist, werden allerdings noch einige Jahre vergehen und wenn man die Kirche heute sieht, kann man es sich kaum vorstellen, daß dort in wenigen Jahren wieder Gottesdienste und Konzerte stattfinden könnten.

Wer mehr wissen möchte, dem empfehle ich die Homepage von St.Johannis, insbesondere die Geschichte der Kirche

Auch in Wikipedia habe ich einen interessanten Beitrag gefunden

Wir beenden die Führung mit einer Spende und einem herzlichen Dank an Pfarrer Ziorkewicz für die spannenden Einblicke in die Ausgrabungsstätte und die Geschichte der Johanniskirche.

St. Johannis 2016_fidelis45

Die Bilder von der Führung und der anschließenden Einkehr im Hof Ehrensfels zeigen unsere Fotografen wie folgt:

Kordula/kobold1952 zeigt Ihre Fotos hier

Dieter/fidelis45 zeigt die Aufnahmen von 2016 und 2014 hier

Von Günter/bakru26 könnt Ihr die Bilder vor allem von Hof Ehrenfels hier sehen


unten: Eine Aufnahme von fidelis45 vom September 2008 von der "Nacht der Lichter" in St. Johannis. Damals ahnte kaum jemand, was sich hinter und unter den alten Mauern von St. Johannis verbirgt.

Nacht der Lichter 2008_fidelis45


(eingestellt am 12.3.16)

Autor: Feierabend-Mitglied

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