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Beim Tierarzt

Von tastifix Freitag 14.10.2022, 13:04 – geändert Samstag 14.01.2023, 18:19

Beim Tierarzt

´Sind ja nur zwei Stationen!`
Es blieb für jenen Tag der einzige Lichtblick.

Ich griff mir Knödels Impfpass, der bewies, dass wir stets alle Termine eingehalten und ich demnach ein gewissenhaftes Frauchen war. Mein schon gebürsteter Hund glich einem Dressman auf vier Beinen, was ich ihm auch sagte. Prompt trug er die Nase noch höher als ohnehin schon.
Für den Fall, dass Knödel unterwegs wieder einen der mir bestens bekannten wegen-zum-Tierarzt-gehen-Trotzanfälle bekam, steckte ich eine Tüte mit Leckerchen ein.Vielleicht würde es ihn ja davon ablenken, wo es hin ging. Pech gehabt! Schon auf dem Parkplatz vor dem Einkaufszentrum - der Bahnhof war noch gar nicht zu sehen - dämmerte ihm etwas.
´Nee, wuff! Da stimmt etwas nicht!`
Die Knistertüte vor seiner Nase half nicht mehr. Oben auf dem Bahnsteig warf er mir anklagende Blicke zu und winselte. Ich tröstete und streichelte. Immerhin sprang er noch folgsam in den Zug. Aufatmend sank ich auf den nächstbesten Platz.
„Sitz!”
Knödel blieb sogar kurz brav sitzen. Dann aber trippelte er nervös hin und her.
´Jaul! Tierarzt!!`
Auf dem fremden Bahnsteig blieb er stur stehen, ich zog. Zerknirscht ließ er sich vorwärts schleifen, allerdings allein wegen der besagten Tüte. Dennoch plumpste dieses große Angstpaket (Eurasier) an der nächsten Straßenecke erneut auf seine vier Buchstaben.
„So nicht!!“
Leicht frustriert schlich er daraufhin im Schneckentempo neben mir her. An der nächsten Kurve versuchte er per anderem Trick die Annäherung an die verhasste Praxis noch etwas hinaus zu zögern.
´Cool, wuff, hat doch vorhin toll geklappt …`
Er blieb stehen, stemmte sich mit aller Kraft gegen die Laufrichtung, aber ich hatte zur Sicherheit das Halsband ein Loch enger geschnallt. So kämpften wir uns Schritt für Schritt vorwärts. Für den zu erwartenden Zirkus in der Praxis waren nur fünf Leckerchen übrig. Dort angekommen, bugsierte ich Knödel halb durch die Luft hinein und schloss blitzschnell die Tür. Endlich da - in der Höhle des Tierarztlöwen!

Im Wartezimmer zitterten vor allem Dackel und ähnliche Exemplare um die Wette. Die Mienen der Besitzer sprachen Bände. Nicht alle waren ja wie meiner nur wegen einer Impfung hier. Herrchen und Frauchen heuchelten Gelassenheit, aber die Tiere wussten Bescheid. Die Panik ließ sie selbst Aggressionen gegen ihnen unsympathische Artgenossen und auch anwesenden Katzen und Hasen vergessen. Einige Hunde versteckten sich möglichst weit hinten unter den Stühlen und fahndeten verzweifelt nach Schutz versprechenden Mauselöchern. Knödel jaulte und bibberte nach Kräften mit.
´Bloß weg hier! Frauchen kann sich ja pieken lassen. Ich jedenfalls nicht!`
Und zerrte an der Leine:
´Verflixt, wann reißt die denn endlich?`
Nur mit Zureden und den restlichen Leckerchen konnte ich ihn noch einigermaßen beruhigen.

Im Katzenkorb neben uns maunzte es kläglich. Knödel ignorierte es wie auch den Hasen, der direkt gegenüber in einem hübschen Weidenkorb hockte. Mein Hund hatte extrem mit seiner eigenen Angst zu kämpfen. Schließlich gab er die Fluchtversuche auf und robbte kleinlaut unter meinen Stuhl.
„Hier findet mich kein Tierarzt der ganzen Welt!“Leider aber war er ziemlich groß und seine buschige Rute lag verräterisch zwischen meinen Beinen.

Nach eineinhalb Stunden Wartezeit kamen wir an die Reihe. Resolut schleifte ich ihn hinter mir her ins Behandlungszimmer. Drinnen schielte er hilfesuchend zum leicht geöffneten Fenster, die Vorderpfoten landeten auf der Fensterbank und ein Zettelstapel segelte zu Boden.
„Spinnst Du? Runter da!“
Energisch lotste ich ihn auf den Boden zurück. Im selben Moment betrat Frau Dr. Pieks den Raum. Knödel mochte sie sehr und ließ sich trotz Panik lieb von ihr kraulen. Auch die herbeizitierten Hilfskräfte (irgendwer musste ihn ja bändigen!) durften ihn streicheln. Die Ärztin meinte:
„Eigentlich habe ich vor Chowchow ähnlichen Hunden etwas Respekt. Aber Knödel würde nie beißen!“
Selbst den Maulkorb wollte sie ihm ersparen. Doch ich bestand darauf.
„In Panik kann jedes Tier mal zuschnappen!“
Lieb ließ sich er sich das Ding überstreifen.
„Brav!“, lobte ich.
Nur - aus Nervösität setzte ich es ihm falsch herum auf.
„Ach entschuldige, Knödelchen. Frauchen ist ein bisschen blöd!“
Ein fixer Griff und der Maulkorb saß richtig. Mein Hund fand den mehr als lästig, strich mit der Pfote über die Schnauze und der Korb baumelte unter derselben. Ehe er jedoch den kleinen Triumph auskosten konnte, befestigte ich das Ärgernis fix ein wenig enger.
´Verflixt, gemeines Frauchen!`

Mit geübtem Griff schnappte sich eine Assistentin meinen Teddy. Der hing total unglücklich wie ein nasser Sack auf ihrem Arm, jaulte los und trampelte ihr, weil ihm ja jegliche andere Chance zur Gegenwehr vereitelt worden war, mit allen Vieren fest gegen den Bauch. Es nützte ihm nichts und Knödel fand sich oben auf dem wackeligen Untersuchungstisch wieder. Selbst dort probte er noch äußerst heftig den Aufstand, um der Freiheitsberaubung durch dreifachen Klammergriff von vorne, von der Seite und von hinten zu entkommen. Pfiffig rutschte er rückwärts auf das hintere Ende des Tisches zu.
´Vielleicht merken die es ja nicht!?`
Aber wir merkten es und umklammerten ihn mit aller Kraft, denn nun näherte sich die böse Spritze. Weinerlich schielte Knödel erst zu mir und dann auf das spitze, etwa sieben Zentimeter lange Ungetüm.
´Winsel, gleich brennt es!`
Doch ging alles so fix, dass mein Hund noch nicht mal quiekte und nur sehr überrascht drein schaute. Weil er wahrlich extrem tapfer gewesen war, lobte ich ihn über den grünen Klee. Nach Hundeart nahm er es für wahre Münze.
´Hast recht, Frauchen. Bin eben ein richtiger Held!`
Der Hauptakt war überstanden. Knödel landete ein zweites Mal auf dem Arm des jungen Mädchens. Völlig groggy ließ alles Weitere mit sich willenlos geschehen.

Im nächsten Augenblick spürte er wieder festen Untergrund unter den Pfoten, wuchs in Nullkommanix vom Floh über die Maus zu einem Prachtexemplar von Eurasier und guckte sofort wieder blasiert. Erleichtert ließ er sich vom Maulkorb befreien:
´Puuh, endlich weg!`
Er genoss zwar die Streicheleinheiten, schnupperte aber trotzdem noch gründlich den Boden ab:
´Nicht, dass etwa noch eine nachträgliche Gemeinheit auf mich wartet!`
Aber zu seiner Beruhigung war wieder alles in bester Ordnung. Er lebte noch und die vier Beine waren auch noch dran.
„Meine Güte! Knödelchen hat schreckliche Angst gehabt und ist dennoch soo lieb gewesen!“, begeisterte sich Frau Dr. Pieks.
Tja, für ihn kam eben Knurren oder gar Schnappen nicht in Betracht.
´Die wollen mir nur helfen und außerdem ist Frauchen ja bei mir!`
Aber jetzt in diesem doofen Behandlungszimmer ein Belohnungsleckerchen anzunehmen, fiel ihm dann doch nicht ein:
´Denkste, hier bestimmt nicht!!`
Routiniert spielte er den gequälten Patienten.
´Gleich draußen wird er mir wegen der Leckerchen fast die Finger abbeißen!`
So etwas nennt man Wiedergeburt eines süßen Machos. Seine Medaille jedoch nahm er denn doch hochnäsig in Empfang.
„Tollwut geimpft!“, stand auf dem Orden.
Kaum war die Praxistür hinter uns zugefallen, hockte er mit Bettelblick vor mir, hob die Pfote und forderte:
´Wuwuuh! Her mit dem Frolic!`
Frau Dr. Pieks beobachtete uns und lachte. So etwas erlebte sie nicht jeden Tag.

Als wir später daheim eintrafen, bellte Knödel seinem Quinny die Ohren voll und redete sich so die Restaufregung von der Hundeseele. Im eigenen Revier fühlte er sich wieder als King.

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