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Wie Haustiere alten Menschen helfen

Von Cyberbob Freitag 12.08.2011, 12:57

Liebe Tierfreunde,

Wie Haustiere alten Menschen helfen

Bello & Co. halten auf Trab, stimmen fröhlich und ersetzen manche Tablette. Tiere sind bis ins hohe Alter ein Gewinn
Die alte Dame beugt sich zu Karamelli herunter. „Wir schaffen das“, flüstert Maria Wessler Name geändert dem Kaninchen ins Ohr. Wie von selbst gleiten die Hände der 80-Jährigen über das Fell des Tiers. Jede Streicheleinheit, so wirkt es, entführt die Heimbewohnerin in eine andere Welt. „Mein liebes Kind, Oma beschützt dich“, sagt sie auf einmal, und drückt das Kaninchen fest an sich. Dann setzt sie es behutsam auf den Schoß zurück. Glanz ist in ihre sonst so matten Augen getreten.

Jana Kurrer beobachtet solche Szenen täglich. „Tiere sind Türöffner zur Seele eines Menschen“, erklärt die Hamburger Tiertherapeutin. Mehrmals wöchentlich besucht sie mit ihren Hunden und Kaninchen Maria Wessler und die anderen Bewohner im Hamburger Pflegeheim Amarita. Besonders bei verschlossen wirkenden Demenzkranken erlebt sie, wie die Patienten im Beisein ihrer Vierbeiner aufleben. „Sie beteiligen sich an Gesprächen, erinnern sich besser, wirken wach und lachen öfter“, hat Kurrer beobachtet.


Ähnlich gute tierische Erfahrungen machen Ärzte, Ergotherapeuten, Psychologen und Physiotherapeuten bei anderen Krankheiten. So helfen „Servicehunde“ Blinden, sicher über die Straße zu kommen, oder melden Gehörlosen das Klingeln an der Haustür. Diabetikerwarnhunde schlagen an, wenn Herrchen eine gefährliche Unterzuckerung droht. Epileptiker berichten, dass ihr Liebling sie vor Anfällen warnt.

Auch in Krankenhäusern, Geriatriezentren oder Reha-Kliniken stellen Tiere ihre besonderen Fähigkeiten unter Beweis. Sie sind Motivationstrainer bei Schlaganfall- oder Parkinson-Kranken, Depressive leben auf, wenn sie mit Kaninchen schmusen. Samtpfoten beruhigen auch traumatisierte Menschen. „Tiere eignen sich besonders gut, um Patienten zu mobilisieren, aber auch um ihre Konzentration oder Motivation zu fördern“, betont Rainer Wohlfarth vom Freiburger Institut für tiergestützte Therapie. Fällt es Kranken schwer, Gefühle zu zeigen, hilft oft ein Tier, den Bann zu brechen. „Menschen sprechen in ihrem Beisein plötzlich über Erfahrungen, die sie vorher in der Therapie verschwiegen haben“, sagt der Psychologe.

Hasso und Co. setzen ihre Heilkraft aber nicht bewusst ein. „Nicht sie sind die Therapie, sondern das Zusammenwirken von Patient und Tier unter der achtsamen Leitung des Therapeuten“, sagt Dr. Carola Otterstedt aus München. „So wie der Ergotherapeut einen Gymnastikball einsetzt, kann ein Tier ein lebendiges Hilfsmittel sein.“ Aber das gelingt nur, so die Leiterin der Stiftung Bündnis Mensch-Tier, wenn der „Co-Therapeut“ gut vorbereitet ist. Also intensiv geschult ist und über bestimmte Charaktereigenschaften verfügt, etwa lernbegierig und friedfertig ist. „Das Tier muss Freude am Kontakt mit Menschen haben und über Jahre an die Einsätze gewöhnt sein.“

Vierbeiner und gefiederte Freunde stehen nicht nur in der Gunst von Therapeuten ganz oben. 23 Millionen Haustiere leben in deutschen Haushalten. 87 Prozent der über 50-Jährigen, zeigt eine repräsentative Umfrage des Senioren Ratgeber, glauben, dass Tiere gut für die eigene Gesundheit sind – und haben recht. Tierbesitzer, belegen Studien, sind gesünder, müssen nicht so oft zum Arzt, brauchen weniger Medikamente, haben weniger Herzprobleme, bewegen sich mehr.

Das tierische Know-how macht Wissenschaftler neugierig. Warum profitieren Tierbesitzer, Heimbewohner und Klinikpatienten von Waldi, Maunz oder Hoppel? Für Dr. Andrea Beetz von der Universität Erlangen-Nürnberg ist des Rätsels Lösung einfach. „Tiere sind so toll, weil sie Tiere sind“, sagt die Leiterin der Forschungsgruppe „Mensch-Tier“. „Sie fragen nicht, wer der Schönste oder Klügste ist.“ Sie stören sich nicht an Falten oder an einem Rollstuhl. Vermeintliche seelische Macken haben für sie keinerlei Bedeutung.

Umgekehrt: Tiere liebkosen ist unverfänglich. „Bei ihnen zeigen Menschen ohne Hemmungen ihre Gefühle“, erklärt die Erlanger Psychologin. Gerade im Alter, wo menschliches Miteinander weniger wird, tun Streicheleinheiten gut. „Tiere aber nur als Partnerersatz zu sehen ist falsch“, betont Beetz. „Als eigene soziale Wesen waren sie für Menschen schon immer gute Freunde.“
Ob füttern oder Gassi gehen: „Wir Menschen wollen Verantwortung übernehmen, und das fordern Tiere regelmäßig ein“, betont Beetz. Ältere, die sich um ihren treuen Hausgenossen kümmern, ziehen daraus doppelten Nutzen: „Tiere strukturieren den Alltag“, erläutert Carola Otterstedt vom Bündnis Mensch-Tier. „Sie zwingen uns aufzustehen, statt uns vielleicht im Ruhestand einer Lebensmüdigkeit hinzugeben.“

Ältere Menschen, mahnt die Verhaltensforscherin, kann das Versorgen des Lieblings leicht überfordern. Wer kein eigenes Tier besitzen will, muss aber nicht auf den Kontakt verzichten. „Wer will, kann zur nächsten Hundewiese gehen und dort Tierbesitzer kennenlernen“, schlägt Otterstedt vor. Eine andere Möglichkeit besteht darin, sich ehrenamtlich im Tierheim zu engagieren oder im Supermarkt einen Zettel aufzuhängen und nach Tierkontakten zu fragen. Wer auf Streicheleinheiten in den eigenen vier Wänden nicht verzichten will, kann sich an Tierbesuchsdienste wenden, die auch nach Hause kommen.

Jana Kurrer besucht Altenheime. „Ich habe den schönsten Beruf auf der Welt“, sagt die Tiertherapeutin. „Mich strahlen die Leute immer an.“ Und sie fangen endlich an, miteinander zu reden. So wie im Pflegeheim Amarita. Das heutige Gesprächsthema dort: Kaninchen soll nicht mehr auf dem Speiseplan stehen. Karamelli in die Pfanne hauen? Maria Wessler schüttelt den Kopf.

Herzliche Grüße
Werner

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