Partnerschaft

Lexikon der Liebe Nr. 40 Zeit.de

Getriebenheit

Gisa*; 67: 30 Jahre war ich mit Martin zusammen. Freunde hatten uns verkuppelt. Es hat mir gefallen, dass er einfach gemacht hat, worauf er Lust hatte. Es war ein sehr enger Beginn. Nach einem halben Jahr war ich schwanger. Zusammen bauten wir eine Werbeagentur auf, bekamen zwei weitere Kinder. Wir haben uns intensiv geliebt in den ersten Jahren, waren aber auch Konkurrenten, trieben uns an, entwickelten neue Ideen, gründeten eine größere Firma, gingen auf Reisen, engagierten uns sozial und politisch. In den Ferien machten wir lieber eine Radtour, als am Pool herumzuliegen.

Es war ein anstrengendes Leben. Für mich war es irgendwann zu viel. 2013 hatte ich ein Bourn-out. Hinter mir lagen schwierige Jahre : Zwei enge Freunde waren an Krebs gestorben, mein mittlerer Sohn hatte eine Drogenpsychose, und mein Vater war aus Verwirrtheit aus dem zweiten Stock eines Krankenhauses gesprungen. Bloß nicht heulen, das kriegen wir schon wieder hin, habe ich immer gedacht. Aber es war eine Depression. Ich konnte nicht einmal mehr sprechen, weil ich so ausgelaugt war, und fuhr auf Kur. Mein Mann kam mit. Die Ärzte in der Klinik sagten mir am Ende : Sie können gern wiederkommen, aber ohne ihren Mann. Es hat ein Jahr gedauert, bis ich mich erholte.

Martin machte einfach weiter. Oft habe ich zu ihm gesagt : Lass den Computer aus ! Doch er konnte nicht anders, die Welt musste gerettet werden. Ich wollte mich endlich zurücklehnen, zusammen und ohne Hektik durch die Welt gehen, um den Rest unserer Zeit zu genießen.

In einem Urlaub in Kroatien bekam er Rückenschmerzen. Kurz darauf konnte er sein Bein nicht mehr bewegen. Ein bösartiger Hirntumor. Drei Monate später war ich Witwe. Das ist jetzt vier Jahre her. Oft denke ich an die Standesbeamtin, die gesagt hat : Erhaltet euch eure Liebe. Weniger Aktion und Ehrgeiz hätten uns gutgetan. Wir haben nicht genug aufeinander aufgepasst.