Gefühlsentscheidung

Lexikon der Liebe Nr. 38 Parallelbeziehung - DIE ZEIT

Johann : Als wir 1999 auf einer Party in der Küche rumknutschten und uns ineinander verliebten, war sie 21 und Studentin. Ich war 30 Jahre alt und bereits seit mehreren Jahren berufstätig an der Universität. Wir begannen eine leidenschaftliche Beziehung, aber es blieb eine Affäre, denn ich war in einer festen Beziehung, die ich nicht aufgeben wollte. Ich suchte etwas Verbindliches mit Perspektive zur Familiengründung und glaubte nicht, das bei einer so jungen Frau finden zu können. Eine aus meiner heutigen Sicht immer noch verständliche, aber vermutlich falsche Entscheidung.
Nach einem Jahr trennte sie sich von mir. 15 Jahre hatten wir fast gar keinen Kontakt. Aber zu meinem 47. Geburtstag bekam ich überraschend eine Mail von ihr. Wir lebten da bereits lange in verschiedenen Städten und waren beide verheiratet, ich hatte zwei, sie ein Kind. Ein halbes Jahr lang schrieben wir uns. Wir arbeiteten auch ihren Zorn über mein damaliges Verhalten auf. Die alte Leidenschaft und das Interesse aneinander waren wieder erwacht, als hätte es die lange Pause nie gegeben. Irgendwann trafen wir uns für zwei Nächte in Berlin. Sehr bald nach unserer ersten Begegnung war sie wieder schwanger, von ihrem Mann. Doch es ging weiter.

Seit fast sechs Jahren führen wir nun eine Fern- und Parallelbeziehung. Nie hätte ich gedacht, dass wir so lange durchhalten würden. Nach etwa 7000 virtuellen DIN-A4-Seiten Korrespondenz und diversen überstandenen Krisen weiß ich, dass sie die Liebe und die Frau meines Lebens ist. Ich habe ihr einen Heiratsantrag gemacht, aber der blieb bislang unbeantwortet. Sie will sich nicht von ihrem Mann trennen, da ihr die Perspektive zu unsicher ist. Ich weiß nicht, ob und wann es ein gemeinsames Leben geben wird, was sehr bedrückend und enttäuschend ist. Wenn ich sie verlassen müsste, wäre das härter, als mich von meiner Frau zu trennen.