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Newlyn School of Art – eine Künstlergruppe in Cornwall im ausgehenden 19. Jahrhundert

- Teil 1 -


Ich möchte Sie heute mitnehmen auf eine etwas ungewöhnliche Reise. Es ist eine Reise in die Vergangenheit, und deswegen brauchen wir meine Zeitreisemaschine, ja, das glänzende Ding dort drüben. Bitte einsteigen. Und keine Angst, das klappt - auch zurück! Setzen Sie sich bequem hin. Anschnallen nicht vergessen! So, und nun die Augen ganz fest schließen. – Hallo, Sie da, nennen Sie das „ganz fest“? Na bitte, geht doch!

Es dauert etwas. Nicht unruhig werden. Augen fest geschlossen halten. – So! jetzt sind wir da!


Wo wir hier sind? Na, schauen Sie doch mal aus dem Fenster! Richtig! Der Eiffelturm! Wir sind in Paris! Wir schauen uns im Raum um. Sieht aus wie’n Büro! Überall Zeitungen, auf den Tischen, auf dem Fußboden. Das Büro eines Journalisten. Der Kalender an der Wand zeigt das Datum 15. April 1874.

Der Journalist selbst sitzt mit hochrotem Kopf an seinem Schreibtisch. Die Schlagzeile hat er fertig. „Ausstellung der „Impressionisten“ – Skandal“ - „Hallo. Monsieur Journalist, worüber regen Sie sich denn so auf?“ Wenn man wie wir aus dem 21. Jahrhundert kommt, sind die Impressionisten ja nichts Neues. Für ihn im Jahr 1874 aber wohl.


„Aufregen? Da soll man sich nicht aufregen?! Ich komme gerade von einer Ausstellung. Also, die Realisten und Naturalisten waren ja schon gewöhnungsbedürftig. Aber diese jungen Leute! Wer? Na, dieser Monet, dieser Renoir, Cèzanne, Sisley, Pissaro, Manet und wie sie alle heißen. Wollen nicht mehr im „Salon“ ausstellen wie jeder vernünftige Künstler. Haben eine eigene Ausstellung organisiert und finanziert! Und was zeigen die dort? Hat man da noch Worte? Die haben, wie ein anderer Besucher sagte, wohl die Farben mit Pistolen auf die Leinwand gefeuert! Die malen nicht mehr, was sie sehen, die malen ihren Eindruck davon. Den Eindruck, die Impression! Man sollte sie die „Impressionisten“ nennen! Diese Art Malerei hat doch keinen Bildungs- oder Repräsentationswert!“ – Den Künstlern selber gefiel übrigens der Ausdruck „Impressionisten“, der als Schimpfwort gedacht war, gut, und sie übernahmen ihn gern für sich und ihre neue Kunstrichtung, den Impressionismus.

Es gab aber auch positive Stimmen zur neuen Kunstrichtung, besonders in Künstler- und Fachkreisen. Aufmerksam schauten Künstler aus aller Welt nach Frankreich, und viele kamen, um von den Impressionisten zu lernen. Diese malten nicht mehr allein nach Skizzen in ihren Ateliers, wie es bis dahin üblich war. Nein, sie gingen gemeinsam mit ihren Staffeleien und Malutensilien in die Landschaft, um dort ihren Eindruck, ihre Impression schnell direkt auf die Leinwand zu bannen. Das war möglich, weil es seit 1841 Ölfarben in Tuben gab. Vorher mussten die Künstler ihre Farben mit allerlei Pülverchen selber anrühren, und das ging draußen nicht so gut, wie man sich vorstellen kann.

Reizvolle Motive boten sich in Paris und Umgebung und vor allem in der Bretagne und in der Normandie. Überall sah man sie, die Künstler aus aller Welt, in den Parks und Gärten, in den Wäldern und vor allem an der See. Begeistert waren die Künstler von der wunderschönen Landschaft von Bretagne und Normandie. Vor allem die besonderen Lichtverhältnisse faszinierten sie.

Wunderschöne Landschaft? Besondere Lichtverhältnisse? Das haben wir doch zu Hause in England auch, und zwar sozusagen direkt vor der Haustür, in Cornwall – dachte sich ein englischer Künstler – und ließ sich in Cornwall nieder. Erst einige und dann immer mehr folgten ihm. Es waren nicht nur Engländer, sondern Künstler aus aller Welt hatten Cornwall für sich entdeckt, vor allem West-Cornwall, das „Cornwall von Cornwall“.


Ich glaube, wir können unseren aufgebrachten Journalisten jetzt mit seiner Empörung allein lassen. Wir wissen ja, es geht gut aus für die Impressionisten. Aber was ist aus den Malern geworden, die Cornwall für sich entdeckt hatten? Kommen Sie mal mit, ich zeige es Ihnen. Ab in die Zeitmaschine, es dauert diesmal nicht lange. Wir haben nur eine kurze Weg- und Zeitstrecke zurückzulegen, nur mal eben über den Kanal und über ein paar Jahre vorwärts. Ich stelle den Bordcomputer ein. Reiseziel: Newlyn, Cornwall. Zielzeit: 1882.

Ups! Da sind wir schon, am Rande der Mount’s Bay, die auch noch im 21. Jahrhundert zu den drei schönsten Buchten der Welt gehört. Newlyn 1882: Ein winziger Fischerort, steile, enge Gässchen, die kleinen Fischerhäuser aus Granit lassen nicht gerade auf Reichtum schließen. Es riecht nach Fisch. Fischköpfe und –schwänze und Schuppen bedecken das Pflaster und machen es glitschig. Aufpassen! – sonst sind Sie schneller unten am Hafen, als Sie das eigentlich wollten. Menschen lehnen in den Haustüren und plaudern mit den Nachbarn, Frauen tragen große Körbe voll Fisch auf ihren Schultern die Straße runter zum Verkauf am Hafen. Überall herrscht Geschäftigkeit. Die Luft ist klar und rein, die Farben sind frisch und brillant.


Aber es liegen auch Sorgen in der Luft. Die Fischer dort unten an der Ecke stecken die Köpfe zusammen. Es hat schon wieder weniger Pilchards gegeben. Die kamen doch früher in großen Schwärmen, man brauchte sie nur noch mit großen Netzen, gespannt zwischen zwei Schiffe, einzusammeln. Ja, ja: es wird immer schlechter. In der Landwirtschaft soll es ja auch nicht gerade gut aussehen, so berichtet einer, dessen Bruder Farmer ist. Die größte Sorge aber machen die Zinnminen. Die Zukunft für die Minenarbeiter sieht düster aus. Die Männer in der Runde nicken sorgenvoll.

Und hier sollen sich die Maler niedergelassen haben? Ausgerechnet hier? Ja, haben die denn nicht mal vier Kilometer weiter gesehen? Nur vier Kilometer weiter lag – und liegt immer noch – die aufstrebende Stadt Penzance. Hier tat sich was! Und wie! Im Jahre 1852 war die Eisenbahnlinie von Truro nach Penzance fertig geworden. 1859, nach Fertigstellung der berühmten Brunel-Brücke über den Tamar bei Saltash, war Cornwall an das nationale Eisenbahnsystem angeschlossen. Was diese Verbindung für neue Möglichkeiten bot! Die Bauern zum Beispiel konnten ihre Produkte jetzt auch über Nacht an entfernte Märkte liefern. Der Anbau von Schnittblumen ( vor allem Osterblumen) fing wegen der neuen schnellen Versandmöglichkeit an sich zu lohnen. Man konnte von Ackerbau auf Milchwirtschaft umstellen, denn nun konnten Milch, Butter, Sahne und Käse schnell zum Verbraucher transportiert werden.


Und dann tat sich noch durch diese Zugverbindung ein ganz neuer Industriezweig auf: der Tourismus. Die Entwicklung von Auto und Telefon würden dazu beitragen, die Welt hier zu verändern.



Autor: Maus2010

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