Advent

Es ist Adventszeit.

Die dunklen Tage werden noch finsterer.
Die Stromsperre stört nicht mehr so sehr, manchmal bemerkt man sie gar nicht.
Das Kind liebt Kerzenlicht.
Es ist tröstend, denn alles, was nicht von den Flämmchen bestrahlt wird, versinkt in der Finsternis.
Nur aus dem Raum mag es nicht gehen, draußen ist es nachtschwarz.
Es sitzt lieber neben dem Bruder – auf das Sofa gekuschelt und singt: „Toch-te-her Ziii-jon, fro-ho-ho-ho-ho-je dich“!
Alle Strophen und zehnmal hintereinander – bis sich die Mutter die Ohren zuhält und der Vater droht, das Kind ins Bett zu stecken.
Das ist nicht weiter schlimm – alles spielt sich ja in diesem einen Zimmer ab – das Kind kann auch im Bett weitersingen:
„Fro-ho-ho-ho-ho-je dich“!
Es heißt von nun an „Tochter Zion“!

Rote Kerzen hat der Adventskranz.
Die kleckern. Man kann das Wachs vorsichtig von der Kerze lösen und wieder an die Flamme legen, dann kleckert es noch mehr.
Das darf die Mutter aber nicht sehen, sonst setzt´s was.
Mit „Katzenköppen“ ist sie schnell dabei.
Auch – dass man winzige Stückchen von den Tannenzweigen abbricht und im Kerzenlicht verkokelt, darf die Mutter nie und nie wissen.
Manchmal riecht sie ja was, aber der Bruder kann so ein harmloses Gesicht machen, dass sie denkt, sie hätte sich getäuscht.
Der Vater – der darf das! Aber nur der Vater – phhh!

Eines Tages bringt der Vater von einem Kunden ein Karnickel mit nach Hause.
Er hat es als Bezahlung angenommen.
So kurz vor Weihnachten eine Gottesgabe – wo bekäme man sonst einen Braten her?
Die Mutter ist entsetzt und wütend!
Nicht genug, dass das Viech frei im Zimmer umher hoppelt – einen Käfig hat man ja nicht – es hinterlässt auch noch was!!
Da jedoch ein Ende der Schweinerei abzusehen ist, wischt sie murrend hinterher!
Das Kind hat Masern – so ein Mist – so kurz vor dem Fest.
Es liegt mit Fieber im Bett und hat schlechte Träume.
Nur im Traum kann es doch gewesen sein, dass die Tante das zappelnde Fellbündel an den Füßen aus dem Zimmer getragen hat.
Wo ist das Häschen hin?
Und was – bitteschön – liegt am Ersten Feiertag als Braten auf dem Teller?
Das Kind weigert sich ganz entschieden, nur einen einzigen Bissen zu essen.

Anmerkung: DAS KIND bin ICH