Flaschenpost

Christina sitzt bei strahlendem Wetter am Elbufer hinter dem Hügel, und verzehrt die großen süßen Kirschen, die sie sich im Alten Land gekauft hat. Die Kerne wirft sie auf den Stein, der ganz in der Nähe des Ufers aus dem Wasser ragt.

Sie erkennt, dass er glitschig und grün ist.

Vielleicht ist er deshalb so grün, weil unzählige Kirschkerne ihn trafen, denkt Christina. Sie muss selbst über ihren unsinnigen Gedanken lachen. Dann nimmt sie die Sonnenbrille ab, um sich diesen Stein genauer zu betrachten. Mit hochgekrempelten Hosenbeinen watet sie durch das seichte Wasser.

Hinter dem Stein entdeckt sie eine Flasche. Es scheint ihr, als hätte sie sich wie eine Ertrinkende an ihm gerettet; er hinderte sie wohl aber auch daran, an Land gespült zu werden.

Wer weiß, wie lange sie schon da liegt? fragt Christina sich. Sie greift mit ihrer Hand ins Wasser. Wie eine Trophäe wird sie von ihr ans Ufer getragen.

Erst dann entdeckt sie eine schmale lange Papierrolle in dieser Flasche, die sie geschickt, mit vor Neugierde leicht zitternden Händen, aus ihr herausholt. Langsam rollt sie das Pergamentpapier auf...

und beginnt zu lesen.

Vielleicht bin ich noch am Leben, wenn diese Zeilen gelesen werden. Ich bin ein alter Mann, der viel in der Welt herumgekommen ist. Weil das Wasser für alles Leben steht, wählte ich diesen Weg, um Menschen, die ich nicht mehr erreichen konnte, um sie um Verzeihung zu bitten. Menschen, denen ich Schmerzen und Kummer bereitete. In ein paar Tagen werde ich 86 Jahre alt. Es ist Juli, und wir schreiben das Jahr 1966.

Christina nimmt einen Stift, und schreibt auf die Rückseite...

Alter Mann, mit Sicherheit bist du nicht mehr am Leben, und ich bin überzeugt, dass dir die Menschen verziehen haben. Deine Gedanken, die du auf diese Art an sie gerichtet hast, sind stark, so stark, dass sie in die Herzen der Menschen gelangen, die du um Verzeihung batest. Ich werde dieses Papier jetzt wieder dem Wasser übergeben. Wasser, das für alles Leben steht. Es ist Juli, und wir schreiben das Jahr 2010.

Mit einem wohligen Gefühl, geht Christina wieder über den Hügel zurück.
Sie ist mit sich und der Welt zufrieden.






@jones99
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