Zivilisation als Quelle globaler Probleme?

Zwei Autoren haben sich dieser Frage angenommen und als Antworten einige sehr beunruhigende Erkenntnisse gewonnen. Nun kommt sicher gleich die Frage, warum ich diesen Beitrag nicht in der Rubrik Buchvorstellungen einbringe, aber hier liegt die Sache etwas komplexer, denn es sind Bücher und vor allem Ideen, die mir so wichtig sind, dass ich ihnen mehr Platz einräumen möchte und vor allem möchte ich sie zur Diskussion stellen.

Ich spreche von den Büchern von Derrick Jensen – „Endgame Teil 1 und 2“, wobei der zweite Teil erst in Kürze als deutsche Übersetzung vorliegen wird und von Daniel Quinn’s Buch „Ishmael“, ein schon vor einigen Jahren auch in deutscher Übersetzung erschienenes Buch. Die beiden Autor nähern sich auf ganz unterschiedliche Weise dem gleichen Thema, während Jensen sehr analytisch und mit einigen an Deutlichkeit nicht zu unterschätzenden Appellen im ersten Band die Probleme aufzeigt und dann im zweiten Band seine Lösungsansätze vorstellt, finden wir in Ismael eine ganz andere Art der Betrachtung. Hier ist das Ganze in einen Roman verpackt und Ishmael erläutert seinen Schülern die Fehler, die die Menschen in der Vergangenheit gemacht haben und welche Konsequenzen dieses falsche Handeln nach sich zieht.

Eine kleine Bemerkung am Rande, Ishmael ist ein sehr tiefsinniger und brillanter Denker, der in der Form eines Gorillas daher kommt und uns auf diese Weise eine Sicht der Dinge von Außen ermöglicht. Ein mehr als lesenswertes Buch.

Worum geht es den beiden Autoren nun wirklich? Sie haben wie schon viele vor ihnen erkannt, dass wir dabei sind, die Welt zugrunde zu richten und dabei unbewohnbar zu machen, soweit keine besonders neue und schon gar keine besonders aufregende Erkenntnis. Warum sind sie mir also so wichtig? Die Antwort ist einfach: Die beiden Autoren haben Antworten gefunden, wo uns andere bisher nur mit Fragen haben im Raum stehen lassen. Sie zeigen in gut nachvollziehbarer Form auf, wie es zu dieser schlimmen Lage der Welt kommen konnte und warum es genau so passieren musste. Aber sie belassen es nicht bei der Analyse. Nein, sie zeigen auch sehr konkrete Schritte auf, wie man eine Änderung herbeiführen kann. Wer nun Loblieder auf die Demokratie oder große wissenschaftlichen Erfolge erwartet, wird allerdings arg enttäuscht werden, denn genau aus dieser Richtung erwartet uns keine Lösung.

Die Grunderkenntnis, dass es die von uns so hoch geschätzte Zivilisation ist, die uns in diese missliche Lage geführt hat, kommt für viele sicher als ein Schock. Die angeführten Beispiele und Informationen sind aber in ihrer Klarheit so bestechend, dass es sicher an der Zeit ist, sich mit diesen Ideen auseinanderzusetzen. Jensen stellt an den Anfang seines Buches 20 Prämissen und die belegt er auf den folgenden gut 500 Seiten in seiner ihm eigenen Art.

Hier einige der Prämissen:

Prämisse Eins: Zivilisation ist nicht nachhaltig und kann es niemals sein. Dies gilt insbesondere für die industrielle Zivilisation.
Prämisse Drei: Unsere Lebensweise – die industrielle Zivilisation – erfordert für ihren Erhalt permanente und allumfassende Gewalt. Ohne Gewalt würde sie sehr schnell zusammenbrechen.

Prämisse Sieben: Je länger es dauert, bis die Zivilisation zusammenbricht – bzw. je länger es dauert, bis wir sie selbst zu Fall bringen – desto chaotischer wird der Zusammenbruch verlaufen und desto schlimmer wird es allen ergehen, die ihn erleben und die danach kommen.

Prämisse Zehn: Die Kultur als Ganzes und die meisten ihrer Vertreter sind geisteskrank. Die Kultur ist von einem Todestrieb besessen, einem Zwang zur Zerstörung des Lebens.

Prämisse Elf: Diese Kultur – die Zivilisation – ist schon immer eine Besatzungskultur gewesen.

Prämisse Dreizehn: Die Herrschenden regieren durch Zwang, und je eher wir uns von der Illusion freimachen, dies sei nicht der Fall, desto eher können wir zumindest anfangen, vernünftige Entscheidungen zu treffen, ob, wann und wie wir Widerstand leisten.

Prämisse Achtzehn: Unser derzeitiges Selbstverständnis ist ebenso wenig nachhaltig wie unsere derzeitige Nutzung von Energie oder Technologie.

Prämisse Neunzehn: Das Problem der Kultur liegt vor allem darin, dass wir glauben, es sei gerechtfertigt, die Natur zu beherrschen und zu misshandeln.

Ich denke diese Auswahl aus den zwanzig Prämissen gibt einen recht guten Einblick, wie radikal hier in neuen Bahnen gedacht wird. Sicher wird es nun eine ganze Reihe von Menschen geben, die sagen werden: Wieder nur so ein Spinner, der die Welt verändern will. Aber ich denke in diesem Fall lohnt es sich einmal etwas genauer hinzusehen, zu lesen und vor allem über das Gelesene nachzudenken und vor allem zu reden. Die von Jensen angeführten Beispiele lassen sich eben nicht so leicht als verschrobene Ideen abtun.

Da ist, um nun einige Beispiele anzuführen, die Rede vom abgereicherten Uran. „Das sogenannte abgereicherte Uran ist das, was nach der Herstellung von angereichertem Uran übrig bleibt.

Die USA haben eine Menge davon produziert, fast fünfhunderttausend Tonnen. Schon seit Anfang der 1950er Jahre hat man angefangen, sich Gedanken darüber zu machen, was mit diesem ganzen Zeugs anzufangen wäre. Das Glück wollte es, dass Uran eine extrem hohe Dichte hat – es ist etwa 1,7 mal schwerer als Blei – und daher für die Produktion von Artilleriemunition verwendet werden kann, die ohne Weiteres Stahl durchschlägt. Und was noch besser ist, es ist pyrophor, sodass es sich durch die Hitze, die beim Einschlag entsteht, selbst entzündet und dabei verdampft, was ungeheure Energiemengen freisetzt. Wenn es einem nichts ausmacht, dass es die umgebende Landschaft und deren menschliche und nichtmenschliche Bewohner vergiftet und verstrahlt, ist abgereichertes Uran eine außergewöhnliche panzerbrechende Munition.“

„Die Liste der Staaten, die Waffen oder Munition aus abgereichertem Uran benutzen oder kaufen, ist lang. Unter anderem stehen auf ihr die USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada, Russland, Griechenland, die Türkei, Israel, die Golfstaaten, Taiwan, Südkorea, Pakistan und Japan. „Im ersten Golfkrieg setzten die USA jede Menge dieser Munition ein und als Folgen haben wir nun. „Neunzig- bis hunderttausend amerikanische Golfkriegsveteranen berichten bislang über Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit dem „Golfkriegssyndrom“, und in einigen Gemeinden beträgt die Fehlbildungsrate bei ihren Kindern annähernd 67%.

Ebenso wie die US Soldaten sind wahrscheinlich auch bereits zweihundertfünfzigtausend Iraker durch abgereichertes Uran zu Schaden gekommen. Dasselbe gilt für die Einwohner Bosniens und bald auch für das afghanische Volk. Im Süden des Irak haben Leukämie- und Krebserkrankungen in den letzten Jahren um 66 % zugenommen, örtlich sogar bis zu 700 %. Es gibt Missbildungen bei Neugeborenen.“Ich möchte euch an dieser Stelle die Liste der Missbildungen ersparen, denn sie ist nichts für schwache Gemüter.

Jensen belässt es aber nicht beim bloßen Aufzählen und Aufdecken der Fakten, sondern er setzt sich auch sehr intensiv mit der Frage des Widerstandes gegen ein solches System auseinander. Dieser Teil ist sehr interessant, denn er berührt auch solche Themen wie: Die da oben machen und ich kann doch gar nichts dagegen tun. Er zeigt, dass jeder Einzelne sehr wohl etwas gegen die Zerstörung der Welt und das System, welches dafür verantwortlich ist, tun kann.

Ich denke ihr habt inzwischen einen kleinen Einblick, warum mir diese Bücher so sehr am Herzen liegen. Auch wenn der zweite Band von Derrick Jensen’s Buch „Endgame“ noch nicht in Deutsch vorliegt, sollte man ihn sich vormerken und auch wirklich lesen.

Oktober 2009