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Advent in Rüdesheim

Für Touristen ist Rüdesheim am Rhein immer eine Reise wert. Doch abseits vom Touristenrummel hat die liebenswerte kleine Stadt am Eingang zum UNESCO-Welterbe noch mehr als die Drosselgasse zu bieten: das erste deutsche Museum für mechanische Musikinstrumente.

Wettermäßig hatten wir uns am 3. Dezember einen der seltenen milden Winter-Sonnentage ausgesucht und so starteten wir gut gelaunt um 12 Uhr am Mainzer Hauptbahnhof. Mit dem Zug sind wir eine Stunde später in Rüdesheim.

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Während wir mit dem Zug fahren, kommt Günter von Bingen mit der Fähre nach Rüdesheim

Unser Weg führt uns in die Oberstraße zu einem der schönsten Adelshöfe in Rüdesheim, dem Brömserhof. Er war das repräsentative Wohnhaus der Brömser, die im 16 Jh. hier lebten. Die ältesten Teile des Brömserhofes stammen aus dem 13. Jh., der malerische Fachwerkturm aus dem 15. Jh.

Im Rüdesheimer Stadt-Archiv findet sich ein interessanter Beitrag über den Brömserhof. Hier kommst Du hin

Im Flyer des Museums ist zu lesen, dass Siegfried Wendel zunächst aus Liebhaberei mit dem Sammeln und Restaurieren von alten Uhren begann. Die Sammlung wurde immer umfangreicher und ausgefallener. 1962 kaufte er sein erstes mechanisches Musikinstrument. Heute umfasst die Sammlung 350 Instrumente, wovon 80 % in einem guten Zustand sind. In der hauseigenen Werkstatt werden die Instrumente von den Söhnen Jens und Jörg Wendel restauriert und für Liebhaber nachgebaut.

1976 bekam Siegfried Wendel von der Stadt Rüdesheim den Brömserhof als Domizil für seine mechanischen Musikinstrumente angeboten. Er griff sofort zu. Seit 1998 ist der Brömserhof in das Eigentum der Familie übergangen. Die Geschichte des Musikkabinetts und vieles mehr kannst Du auf der Homepage oder auch unter diesem Link nachlesen

Vor dem Besuch hatte ich eine schriftliche Genehmigung eingeholt, im Museum für diesen Bericht fotografieren zu dürfen und die Bilder einzustellen. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle bei Herrn Wendel bedanken. Die Fotos zeigen eindrucksvoll, wie kostbar und interessant seine Sammlung ist.

Auf YouTube finden sich etliche Videos, teilweise sogar mit Herrn Wendel persönlich. Wenn Du auf die Instrumente klickst, kannst Du das Video abspielen. Nimm Dir ein wenig Zeit für den Bericht - es lohnt sich. Und wenn es Dir gefallen hat: Komm' nach Rüdesheim und sehe und höre es Dir selbst an.

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Siegfried's mechanisches Musikkabinett im historischen Brömserhof

Nachdem wir unseren Obolus entrichtet hatten, begann um 13.30 Uhr die Führung.

Die kundige junge Dame aus St. Petersburg, ihr Akzent zwingt zum genauen Hinhören, zeigt uns zu Beginn der Führung verschiedene Orchestrions. Sie können mit Bass, Piccoloflöte, Violine, Klavier und Schlagzeug ein komplettes Orchester imitieren. Besonders im Schwarzwald und in Sachsen entwickelten Instrumentenbauer Orchestrien, die auf Jahrmärkten, in feinen Hotels und bürgerlichen Salons mit Hilfe von Walzen oder Lochstreifen Tanzmusik oder Sinfonien spielen konnten.

Wenn Du auf das Orchestrion und die tanzenden Damen klickst, kannst Du es hören.

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Das Weber Maestro Orchestrion wurde zwischen 1922 und 1928 in Waldkirch/Schwarzwald erbaut. Es beinhaltet 19 verschiedene Instrumente und kann wie eine Jazzband oder Symphonie-Orchester spielen.
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Die Musik animiert zu einem Tänzchen

Für die Hausmusik oder in Gaststätten geeignet war das Symphonion, das um das Jahr 1900 entwickelt wurde. Es war sozusagen der Vorläufer der Jukebox. Die Musik kommt von großen Lochplatten. Natürlich darf in Rüdesheim das Loreleylied nicht fehlen, das Du hören kannst, wenn Du auf das Symphonion klickst.

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Im früheren Weinkeller steht eine Karussellorgel der Gebrüder Bruder aus Waldkirch. Sie wurde um 1908 gebaut. Siegfried Wendel entdeckte sie total auseinander gebaut in einem Schuppen in Budapest. Vier Jahre dauerte die Restauration. Diese riesigen Orgeln waren auf Jahrmärkten zu finden und ersetzten ein Orchester von etwa 40 Musikern.
Wenn Du auf das Bild klickst, kannst Du Siegfried Wendel bei einer Führung erleben.

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1877 erfand Thomas Alva Edison den Phonographen, der es ermöglichte, Schall aufzunehmen und wiederzugeben. Eine Membran wird zum Schwingen gebracht und eine Nadel ritzt verschieden tiefe Rillen in eine Hartwachswalze.

Das Verfahren wurde 1887 von Emil Berliner verbessert, der das erste Grammophon baute, auf der Schallplatten aus Bakelit abgespielt werden konnten. Sie erreichten 150 Umdrehungen. Erst in späteren Jahrzehnten wurden Platten aus Schellack verwandt.

Das Grammophon, das wir im Museum sehen und hören, stammt aus dem Jahr 1910.

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Knuddeline56 lauscht einer Aufnahme aus dem Film "Der Mann, der zuviel wusste", gesungen von Doris Day

Im gleichen Raum steht eines der eindrucksvollsten mechanischen Musikinstrumente, die Hupfeld Phonoliszt-Violina.

1908 wurde sie das erste Mal in Leipzig gespielt. Die junge Dame erklärt uns, dass es fast undenkbar war, dass Violinen mechanisch gespielt werden konnten. Hupfeld entwickelte einen runden Geigenbogen, der mit Rosshaar bespannt ist. Die Geigen werden durch ein pneumatisches System stärker oder schwächer gegen den sich laufenden Geigenbogen gedrückt. Begleitet werden die Violinen vom Klavier. Für jedes Lied gibt es eine eigene gelochte Papierrolle. Zwischen 1909 und 1939 baute die Firma Hupfeld in Leipzig etwa 3.500 Instrumente; rund 60 sind weltweit noch erhalten geblieben.
Bei beiden Bildern gibt es eine Kostprobe:

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Eine Kuriosität ist die Walzenspieluhr im Stuhlsitz. Sie wurde ausgelöst, sobald sich jemand auf den Stuhl setzte.

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Mag jemand Platz nehmen?

Wir gehen weiter in den ehemaligen Rittersaal des Brömserhofes. Das Gewölbe aus der Spätrenaissance ist mit Wappen verziert, die Wände schmücken Szenen aus der Bibel „Jonas und der Wal“.

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Gewölbedecke im Rittersaal

Hier steht ein Bechstein-Welte-Reproduktionsflügel.

Bei Wikipedia ist zu lesen: „Das Welte-Mignon-Reproduktionsklavier war der erste mechanische Musikautomat, der die weitgehend authentische Wiedergabe von Klavierstücken ermöglichte“. Berühmte Pianisten hatten damit eine Möglichkeit, ihre Werke aufzunehmen. Wie aber funktionierte das? Das kannst Du hier lesen

Wir hören den Liebestraum von Franz Liszt. Siegfried Wendel stellt den Reproduktionsflügel auf einem YouTube-Video vor (erstes Bild). Beim zweiten Bild hat sich jemand mehr für die Technik interessiert.

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Die Mechanik wird pneumatisch mittels Saugluft gesteuert, mit gelochten Papierstreifen als Datenträger. Die Tasten werden durch einen Balg angeschlagen, der sich durch Luftzufuhr bewegt. Die Steuerung der Luft erfolgt mittels der Lochreihen eines Papierbandes, der „Notenrolle“.


In der Hauskapelle, deren Fußboden aus dem 12. Jh. noch im Original erhalten ist, sehen wir das älteste Instrument, eine Flötenuhr von Christian Kleemeyer. Sie wurde etwa um 1780 gebaut.

In einer Vitrine können wir eine Pistole mit Singvogel-Automat von etwa 1803 bestaunen, musikalische Vogelkäfige und etliche Schnupftabakdosen, die ebenfalls mit einem Singvogelautomat ausgestattet sind. Wir bekommen eine Replik aus der Werkstatt vorgeführt, die aus 376 kleinen Teilen besteht.

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Spieldose mit Singvogel
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Pistole mit Singvogel-Automat

27 Puppen faszinieren beim nächsten Instrument, einem Automaten-Orchestrion von Bernhard Dufner. Dufner stammte aus dem Schwarzwald und emigrierte in die USA. Dort stellte er in Buffalo aufgrund einer privaten Bestellung zwischen 1888 und 1892 das große Automaten-Orchestrion her. Es hat eine Länge von 1,80 m und kann 11 verschiedene Melodien spielen. Die Puppen, die eine Kapelle darstellen und unterschiedliche Instrumente spielen, bewegen sich auf Scheiben.

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Naturgetreu aufgebaut ist die Werkstatt von Giovanni Bacigalupo aus Berlin. Giovanni Battista Bacigalupo (1889 – 1978) gilt als der Begründer der Familiendynastie im Drehorgelbau.

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In der Werkstatt in Berlin stellte Bacigalupo Drehorgeln her

Zum Schluss erlebten wir noch eine Überraschung. Vorgeführt wurde eine Drehorgel von Franz Oehrlein aus Mainz. Jeder von uns kann sich noch an die Leierkastenmänner erinnern, die auf Jahrmärkten oder als Straßenmusikanten unterwegs waren. Marlies (marchen) kennt sogar Franz Oehrlein, der in ihrer Nachbarschaft wohnt. Es war für sie eine besondere Freude, die Drehorgel zu bedienen.

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Marlies dreht die Orgel und wir hören "Mein Vater war ein Wandersmann".
Wenn Du auf das Bild klickst, siehst Du zwar nicht Marlies, aber Du hörst die Drehorgel von Franz Oehrlein aus Mainz

Der Rundgang durch das Museum endete im Museumshop. Spieluhren, zahlreiche Instrumente in Miniaturformat, Postkarten, singende Vögel in Käfigen und viele weihnachtliche Geschenke können erworben werden.

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Nach dem Besuch von Siegfried’s mechanischem Musikkabinett haben wir noch zwei Stunden Zeit für einen Bummel über den Weihnachtsmarkt, der in Rüdesheim, wie die Touristen, international ist.

Seit 1994 der erste „Weihnachtsmarkt der Nationen“ in Rüdesheim eröffnet wurde, ist der Markt jedes Jahr größer geworden. In diesem Jahr sind es 124 Stände. 12 Nationen bieten ihre Spezialitäten und Handwerkskunst an. Und was es da alles zu sehen gibt – hier nur eine kleine Auswahl: Mongolische Cashmir- und Kamelwoll-Produkte, Kunsthandwerk aus Polen und Thailand, Russische Schmuckwaren, Peruanische Geschenke, Wollsachen aus Nepal, Keramik aus Litauen, Köstlichkeiten aus Italien, USA, Tirol, Holland. Auf dem Marktplatz präsentieren sich Rüdesheimer Künstler.

Impressionen vom Weihnachtsmarkt:

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Wir teilten uns in kleine Gruppen auf. Zu fünft spazierten wir an den Ständen vorbei und wärmten uns danach im beheizten Wintergarten des Hotels Zum Grünen Kranz bei einer Tasse Kaffee auf. Es war natürlich kein gewöhnlicher Kaffee, sondern Rüdesheimer Kaffee, eine Spezialität, die 1957 für Asbach erfunden wurde. Seit 1892 gibt es die Weinbrennerei Asbach in Rüdesheim und den Slogan „in Asbach Uralt ist der Geist des Weines“.

Bakru26 (Günter) hielt die Zeremonie der Zubereitung in Bildern fest.

In der Rüdesheimer Kaffeetasse werden 4cl Asbach Uralt mit 3 Stück Würfelzucker flambiert und erwärmt. Anschließend wird starker Kaffee zugegeben, mit einer Vanillezucker-Sahnehaube bedeckt und mit Schokoladenstreusel bestreut. Köstlich!
Schaue Dir das Wechselbild an:

Rüdesheimer Kaffee_bakru26

Aufgewärmt und gut gelaunt schlendern wir zurück in die Drosselgasse, wo uns um 17 Uhr in Breuer’s Rüdesheimer Schloss reservierte Plätze erwarten. In dem Weingasthaus mit Tradition sind wir zu Beginn die einzigen Gäste und kommen in den Genuss eines noch nicht gestressten Personals. Gegen 18 Uhr füllen sich die Räume mit Gästen eines Flusskreuzfahrtschiffes und mit den Touristen beginnt auch eine 3-Mann-Band Rhein- und Weinlieder zu spielen. Es wird laut - wie man es von Rüdesheim und der Drosselgasse gewöhnt ist.

So sind wir froh, als wir um halb acht zurück zum Bahnhof spazieren können. Um 21 Uhr sind wir wieder wohlbehalten in Mainz.

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Nicht alle Bilder konnten im Bericht Verwendung finden.
Hier kannst Du Dir die Aufnahmen von Günter-bakru26 anschauen und hier die Fotos von Marita-knuddeline56, die besonders viele kleine Kuriositäten im Museum mit der Kamera festgehalten hat.

(eingestellt am 5.12.13)

Autor: Feierabend-Mitglied

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