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Die Ginsheimer Schiffsmühle

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Es klappert die Mühle ……haben wir zwar nicht gesungen, aber das Lied kam mir in den Sinn, als ich die Schiffsmühle in Ginsheim sah. Schon lange hatte ich einen Besuch dieser historischen Einmaligkeit angestrebt, die seit 2011 an der Mündung des Ginsheimer Altrheinarms vor Anker gegangen ist. Nie hatte es geklappt. Zuletzt machte uns im Mai das Hochwasser einen Strich durch die Rechnung, der Steg lag etliche Zentimeter im Wasser.
Am 16. Juni 2015 ist es endlich soweit. Das Warten hat sich gelohnt, denn endlich ist sie voll funktionsfähig – eine Schiffsmühle auf dem technischen Stand wie im Jahr 1900. Das, was die ehrenamtlichen Helfer in vielen, vielen Arbeitsstunden geleistet haben, es kann sich wirklich sehen lassen. Wir spüren den Stolz in Herbert Jacks Stimme, als er uns erzählt, dass viele Zufälle halfen, seinen Traum in Erfüllung gehen zu lassen.

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Eigentlich müsste ich gar keinen Bericht schreiben, denn die Homepage des Vereins, der etwa 300 Mitglieder umfasst, ist so detailliert, interessant und umfangreich, dass es sich lohnt, nachzulesen. Ich will mich deshalb auf meine Notizen beschränken und nicht zu sehr ins technische Detail gehen. Das können andere besser.

Um 15 Uhr begrüßt Herbert Jack unsere elf Mitglieder. Noch am Ufer erzählt er uns etwas zur Geschichte der Schiffsmühlen.

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Die ersten Schiffsmühlen wurden um 540 n.Chr. erwähnt, als die Ostgoten bei der Belagerung von Rom die Aquädukte zerstörte und damit auch die Wasserleitung, die für die Mühlen der Stadt wichtig war. Der römische Kaiser ließ daraufhin Mühlen auf Schiffen im Tiber verankern und die Mahlwerke über Räder von der Strömung antreiben. Getreide war zur damaligen Zeit ein wichtiges Nahrungsmittel.
Ab dem Mittelalter gab es Schiffsmühlen auf fast allen großen Flüssen Europas. An der Donau waren über 2000 Schiffsmühlen in Betrieb. 1875 gab es in Ginsheim 22 Schiffsmühlen, 17 lagen bei Mainz.

Hier ist mehr über die Geschichte der Ginsheimer Schiffsmühlen zu lesen

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Seit dem neuen Layout erscheinen die Bilder unscharf. Wenn Du auf das jeweilige Bild klickst, erscheint es schärfer

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Bis 1838 lagen die Schiffsmühlen im heutigen Altrhein vor Ginsheim. Durch die Veränderung des Stromverlaufs 1828/29, wodurch die Altrheinarme entstanden und den Bau des Steindamms bei Trebur, veränderte sich die Fließgeschwindigkeit des Stroms; die Mühlräder konnten nicht mehr angetrieben werden. Die Schiffsmühlen wurden in den Hauptstrom vor die Nonnenaue und Langenau gelegt.

Durch die Zunahme der Rhein-Schiffahrt behinderten die Mühlen den Schiffsverkehr, umgekehrt brachten die großen Schaufelraddampfer durch ihre hohen Wellen die Schiffsmühlen in Bedrängnis. Darüber hinaus sank die Wirtschaftlichkeit durch die zunehmende Industrialisierung.

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1899 wurde die letzte Ginsheimer Schiffsmühle gebaut. Sie stellte 1926 ihren Betrieb ein, wurde vom Freistaat Hessen aufgekauft und in den Mainzer Winterhafen geschleppt. Hier sollte sie als Museumsmühle hergerichtet werden. Bevor es dazu kam, wurde sie im Februar 1945 von einer Bombe getroffen und sank.

Dass es heute wieder eine rekonstruierte Schiffsmühle in Ginsheim gibt, ist vielen Zufällen zu verdanken.

Wie es dazu kam, dass Herbert Jack die Idee zu einer Schiffsmühle hatte, und wie er sie verwirklicht hat, kannst Du hier nachlesen

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Nach der Exkursion in die Geschichte betreten wir über den Steg die Schiffsmühle.

Das Schaufelrad wird durch einen Elektromotor betrieben, ebenso die in der Schiffsmühle aufgestellten Maschinen, die nur für die Vorführungen eingeschaltet werden. Gemahlen wird aus hygienischen Gründen nicht mehr in der Schiffsmühle: Mit dem Getreide käme auch allerlei "Getier" in die Mühle und es würde zu sehr stauben. Durch den Mehlstaub könnte es gar zu Verpuffungen oder zu Bränden kommen.

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Diese für eine Mühle wichtigen Geräte bekommen wir in der Führung gezeigt und erklärt

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Herbert Jack zeigt uns, wie früher mit den ersten Mahlsteinen, die als Handmühlen genutzt wurden, die Getreidekörner zerkleinert wurden.

Im alten Ägypten wurden dazu einfache Reibsteine benutzt. Es bedurfte großer körperlicher Anstrengung, die harten Körner mit einem Stein, den man in der Hand hielt, in einer Mulde des Reibsteins zu zermahlen.

Die Römer entwickelten vor über 2000 Jahren die ersten Drehmühlen aus Stein. Mit dieser Technik konnten sie die Körner leichter zerkleinern. Die Drehbewegung der Mühlen erforderte nicht so großen Kraftaufwand und das Mahlen nahm weniger Zeit in Anspruch. Bis ins 19. Jahrhundert wurden Mühlen dieser Art genutzt, um aus Getreide Mehl zu gewinnen.

Die römischen Legionäre hatten diese Mahlsteine, die aus Gasbasalt bestanden, bei ihren Feldzügen dabei. Der Lavabasalt ist ein sehr rauher Stein. Nach jedem Mahlgang wurden die Körner gesiebt und etwa 6 bis 10x der Vorgang wiederholt, bis das Mehl fein genug war.

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Diese Säcke werden Maltersäcke genannt.

Was aber ist ein Malter?
Ursprünglich wurde das Getreide nicht gewogen, sondern gemessen. Der Müller verwendete als Maß den Maltersack, wobei 1 Malter in jeder Landesregion oder Stadt unterschiedlich war.
Das Maß war auch von der Getreideart bestimmt und entsprechend wurde es gehäuft oder gestrichen verwendet. Es gab das Hafermalter, das für glatte oder rauhe Frucht usw. In Stein am Rhein im Kanton Schaffhausen in der Schweiz war 1 Malter glatte Frucht = 130 1/6 Liter und das Malter für rauhe Früchte war gleich 300 Liter. In Nürnberg waren zwei Malter Getreide oder Erbsen 1 Simra, bei Gerste und Hafer waren es vier Malter auf ein Simra.

In Mainz betrug ein Malter 109,387 Liter, in Wiesbaden entsprach das Nassauer Malter genau 1 Hektoliter. (Quelle: wikipedia.de)

Herbert Jack sagte uns, daß ein Maltersack 100 kg wog. Die Müllerknechte mußten täglich 50 dieser Säcke schleppen. "Das waren noch richtige Kerle", meinte dazu eine unserer Damen.

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Herbert Jack zeigt uns die gewaltigen Räder, die die 700 kg schweren Mühlsteine antreiben.

Die Schaufelräder mußten vor Treibgut geschützt werden. Denn wenn sie blockiert wurden, konnten die sich weiterdrehenden Mühlsteine nicht sofort anhalten und die Zahnräder wären zerstört worden. Das war aber kein großes Problem, denn in den Zahnrädern waren eingesteckte und verkeilte hölzerne Zähne, die einfach ausgetauscht werden konnten.

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Was ist ein Kleiekotzer?
Die kunstvoll geschnitzten, meist fratzenhaften Gesichter mit offenem Mund waren die Schutzgeister der Mühlen. Sie hatten jedoch auch eine Funktion und waren Bestandteil des Beutelkastens.

Dieser Kasten nahm das Mehl auf, das aus dem Mahlgang herunter fiel und in einen Beutelschlauch geleitet wurde. Dabei handelt es sich um einen Schlauch mit porösen Wänden, der gerüttelt wurde. Dadurch wurde das Mehl und die Schalen getrennt. Das feine Mehl wurde in Säcke abgefüllt, die Schalen - Kleie - blieben in dem Schlauch und wurden durch den Kleiekotzer ausgespuckt.

Die Kleie konnte noch mehrmals ausgemahlen werden und immer wieder durch den Beutelkasten wandern.

Herbert Jack bot uns eine Wette an. Er wettete, daß wir alle schon einmal diesen Kleiekotzer gesehen haben.

"Rickeracke! Richeracke!
Geht die Mühle mit Geknacke."
Hier des Rätsels Lösung

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Wir gehen eine Etage höher und Herbert Jack zeigt uns einen wertvollen, sog. Champagnerstein. Er erklärt uns, dass bei der Konstruktion der Steine genügend Frischluftkanäle vorhanden sein müssen, damit sich das Korn nicht aufheizt. Bei 59° tritt das Eiweiß aus, bei höheren Temperaturen kann der Mehlstaub explodieren.

Mühlsteine konnten oftmals 40 - 50 Jahre benutzt werden, danach waren sie zu glatt.

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Gegen Ende des 19. Jh. lösten die Walzenstühle die großen Mahlsteine ab.

Im Walzenstuhl findet die Zerkleinerung des Getreides durch zwei gegeneinander laufende Walzen statt. Dadurch entstehen verschiedene Produkte (Schrot, Grieß, Mehl), die in einzelnen Arbeitsschritten weiterverarbeitet werden.

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Im Aspirateur werden mit einem Ventilator die Spelzen angesaugt und mit Hilfe von groß- und feinmaschigen Sieben von groben und feinem Schmutz gesäubert.

Ein Dreieck-Magnet entzieht dem Getreide alle Eisenstückchen, ein Steinausleser ermöglicht durch ein schräg gestelltes Sieb das Trennen von Steinen, Glassplitter und nicht magnetischen Metallteilen aus dem Getreide.


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Im Rundtrieur werden die länglichen bzw. runden Unkrautsamen aus dem Getreide getrennt.
Dies geschieht durch Bleche mit verschiedenen Vertiefungen. Getreidesamen sind oval, fremde Samen, z.B. von Distel, Mohn etc. sind rund. Durch das Drehen fallen die runden Samen in eine Auffangrinne und sind somit vom Getreidekorn getrennt.

Schließlich durchlaufen die Getreidekörner noch eine Schäl- und Bürstmaschine, bei der die äußere Schale des Korns entfernt wird.

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Im Walzenstuhl wird nun das Getreidekorn mit immer enger eingestellten Walzen gemahlen und anschließend im Sechskantsichter durch verschiedene Siebe sortiert.

Alles was nicht Mehl ist, wird mit dem Elevator wieder nach oben gebracht, die Passage beginnt danach erneut. Der Vorgang wird 8 - 10x wiederholt.

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Damit eine Mühle wirtschaftlich arbeiten konnte, lief sie Tag und Nacht. Der Müllerknecht hatte deshalb auch sein Bett in der Müllerstube stehen. Auch das ist in der Schiffsmühle originalgetreu rekonstruiert.



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Warum aber nun "klappert" die Mühle?
Es ist der Rüttelschuh, der das Getreide aus dem Trichter in das Steinauge am Mahlstein rüttelt. Dabei schlägt der hölzerne Rüttelschuh gegen das eiserne obere Mühleisen. Hartholz auf Eisen. Das obere Mühleisen dreht sich mit dem Mahlstein als "Nockenwelle".

Kennst Du noch das alte Kinderlied?

Es klappert die Mühle am rauschenden Bach, klipp klapp.
Bei Tag und bei Nacht ist der Müller stets wach, klipp klapp.
Er mahlet uns Korn zu dem kräftigen Brot,
und haben wir solches, so hat's keine Not.
Klipp klapp, klipp klapp, klipp klapp!

Flink laufen die Räder und drehen den Stein, klipp klapp,
und mahlen den Weizen zu Mehl uns so fein, klipp klapp.
Der Müller, der füllt uns den schweren Sack,
Der Bäcker das Brot und den Kuchen uns backt.
Klipp klapp, klipp klapp, klipp klapp!

Wenn reichliche Körner das Ackerfeld trägt, klipp klapp,
die Mühle dann flink ihre Räder bewegt, klipp klapp.
Und schenkt uns der Himmel nur immerdar Brot,
so sind wir geborgen und leiden nicht Not.
Klipp klapp, klipp klapp, klipp klapp!


Der Text des Liedes wird dem deutschen Schulmeister Ernst Anschütz zugeschrieben, der ihn um 1824 verfasst haben soll. (Quelle: wikipedia.de)

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Es gäbe sicher noch viel zu berichten, aber das kann die sehr gut erstellte Homepage wesentlich besser.

Klicke hier ....



Mit einem herzlichen Dankeschön für die informative zweistündige Führung bedanken wir uns bei Herbert Jack. Einige von uns werden sicher bei einer der zahlreichen Veranstaltungen des Vereins gerne wiederkommen. Die kleine Kulturbühne unterm Dach kann 60 Zuhörer aufnehmen.

Das obligatorische Gruppenfoto darf nicht fehlen. Doch, einer fehlt, unser Fotograf Günter !

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Im Hotel "Zum Engel" in Kostheim beschließen wir den Nachmittag. Schade, daß es zu kühl ist zum Draußensitzen, aber auch drinnen finden wir ein nettes Plätzchen.

Hier kommst Du zu Günters/bakru26 Fotos
und hier zu den Bildern von Kornelia/Jenny7778


(eingestellt am 18.6.15)

Autor: Feierabend-Mitglied

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