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Trauer ist eine lange Reise

von Georg Koeniger

Buchcover Trauer ist eine lange Reise

Dieses Buch war eines meiner Lesehighlights des Jahres 2015 und der Eindruck war und ist nachhaltig!

Vor einigen Jahren habe ich schon einmal mit Hape Kerkelings "Ich bin dann mal weg" ein mich ungemein berührendes Buch über eine Absolvierung des Jakobsweges gelesen, aber dieses Buch hier beeindruckt mich beinahe noch etwas mehr. Obwohl, eigentlich kann man diese beiden Bücher gar nicht miteinander vergleichen, denn Hape ging mit ganz anderen Voraussetzungen, Georg Koeniger ging nicht, er radelte, er absolvierte zudem den ganzen Weg. Er flog nicht wie Hape einen Großteil der Strecke, sondern startete bereits in Deutschland, in Würzburg. Georg Koenigers Buch bietet, wie auch jenes von Hape, eine Karte, die es dem geneigten Leser erleichtert, mittels Zeigefinger die Reise zu verfolgen, und ein Lesebändchen. Ich habe die Karte immer wieder mit Freuden zu Rate gezogen.

Koeniger beginnt mit dem Abreisemorgen und erzählt dann mehr oder weniger parallel einmal von seinem Weg von Würzburg durch Frankreich und Spanien bis hin nach Santiago de Compostela und dann von der Zeit ziemlich genau ein Jahr zuvor, als seine Ehefrau Andrea den Krebstod starb. Er schildert das Sterben eindringlich und nachvollziehbar und genau in der richtigen Dosierung und ohne falsches Pathos. Der Tod seiner Frau ist auch ein wesentlicher Grund für das Jakobsweg-Unternehmen. Manchmal verzweifelt, manchmal ironisch, manchmal melancholisch... immer liebevoll und authentisch klingend konnte ich die beschriebenen Gefühle gut nachempfinden.

An zwei Stellen konnte ich sogar breit grinsen. Man merkt Koeniger seinen Beruf als Kabarettist deutlich an, als er einmal von der Schöpfungsgeschichte erzählt: Gott war ganz schön im Stress und konnte einige seiner Visionen nicht verwirklichen, wie beispielsweise die äußere Erscheinung der Pinguine, die mit langen Reiherbeinen geplant waren. Wegen Lieferschwierigkeiten bei den Reiherbeinen klebten die Helfer eigenmächtig die Füße gleich an den Pinguinkörper, was Gott zu der Anordnung brachte, diese wenig ansehnlichen Tiere an den von nur wenigen Betrachtern frequentierten Südpol zu verbannen und ihnen die Flügel zu stutzen, "damit sie nicht abhauen können". Und dann schildert Koeniger, wie es denn überhaupt dazu kam, dass ausgerechnet Santiago de Compostela ein Wallfahrtsort wurde: 800 Jahre nach Chr. hatten die Mauren fast ganz Spanien besetzt und der damalige König brauchte ein Motiv, seine Bevölkerung dazu zu bringen, sich gegen die Maurenherrschaft aufzulehnen. In einer ernsthaften Beratung kommen die tollsten Vorschläge - ausgerechnet ein Kirchenmann erwähnt ein exquisites Bordell, ein anderer Rat fordert Reliquien, ein Wunder wird ebenfalls in Erwägung gezogen - aber keiner findet Gnade vor dem König ("Wenn Jesus soviele Nägel gehabt hätte, wie es jetzt schon an angeblichen Kreuznägeln gibt, hätte er einen Fakirladen eröffnen können"). Und so findet endlich ein kleiner Knappe Gehör, der vorschlägt, dem wenig bekannten Apostel Jakob doch nachträglich ein Wirken auch in Spanien anzudichten und deshalb einige von einem Eremiten gefundene Knochen als von Mönchen nach Galizien gebrachten Rückstände Jakobs erklären zu lassen: "Wer will das nach 800 Jahren noch überprüfen?!". Der König erteilte Anweisung, das Ganze noch etwas "aufzuhübschen", so kamen dann noch die Muscheln hinzu, die heute noch den Jakobsweg kennzeichnen und auch im Buch einzelne Abschnitte voneinander trennen.

Aufgelockert durch solche Anekdötchen bringt einen das Buch nicht dazu, selbst in Tieftrauer zu versinken, zumal es dem Leser möglich gemacht wird, langsam und glaubhaft - nicht durch "Wunder" - ein Heilen der Seele und ein langsames Zurückkehren ins Leben Georg Koenigers mitzuerleben.

Autor: Feierabend.de Mitglied mamawo

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