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Eine unbeschwerte Zeit

Irgendwann in den späten 1940er Jahren auf dem Lande. Es war ein schöner, sonniger, sommerlicher Vormittag und es herrschten angenehme Temperaturen. Tante Minna kam mit dem kleinen Jungen, der sie zum Bäcker begleitet hatte, zurück an die Behausung, die man der Familie nach der Evakuierung auf das Land zugewiesen hatte. An der Stirnseite des Hauses lagen einige Reisigbündel auf die der kleine Junge zusteuern wollte, weil er neugierig war und gerne damit gespielt hätte. Doch Tante Minna hielt ihn zurück und meinte, dass diese Bündel anderen Leuten gehörten und er nichts daran verloren hätte.

Der kleine Junge allerdings war schnell anderweitig abgelenkt, denn auf der Strasse vor dem Hause fuhr gerade eine Kolonne olivgrüner Fahrzeuge mit großen, weißen, fünfzackigen Sternen darauf vorbei. Es waren Lastwagen und offene kleinere Wagen und auf diesen saßen Männer mit genauso olivgrünen Helmen und hatten Gewehre in der Hand. Dies beeindruckte den Jungen sehr. „Tante Minna, was sind das für Autos und was sind das für Leute“? „Junge“, entgegnete die Tante, „das verstehst Du noch nicht; das sind Lastwagen für Soldaten und die da drin sitzen, das sind amerikanische Soldaten“. Der Junge schaute sie mit großen Augen an und fragte weiter: „Was machen denn die Soldaten hier, machen die Krieg“? „Oh nein“, bekam er zur Antwort, „der ist Gott sei Dank schon vorbei“!
Sie gingen nun um das Haus herum zum Vordereingang, stiegen wenige, ziemlich große und ausgetretene Steinstufen hinauf, öffneten eine alte Holztür und standen in der Küche.

Das Haus, in der die Familie wohnte, war ein uraltes Mesnerhaus, teilweise in Fachwerkbauweise und teilweise mit Lehm und Astwerk erbaut. Eine direkt angebaute Scheune war Bestandteil des Gebäudes. Es sah insgesamt recht baufällig aus und lag direkt neben dem Dorffriedhof und der Kirche. Das Dorf war zu Zeiten der Pest vom Friedhof und von der Kirche abgerückt und befand sich ungefähr 200 m weit weg.

Trotz aller Widrigkeiten hatte sich der Vater daran gemacht, das alte Gemäuer für die sechsköpfige Familie zum Wohnen herzurichten und er brachte es auch fertig, neben dem Eingang ein „Plumpsklosett“ aus Backsteinen, die er irgendwo zusammengesucht hatte, zu bauen. In der Küche stand ein alter Holz- und Kohleherd, auf dem alle Speisen zubereitet wurden; es stand auch ein alter Spülstein dort, den der Vater irgendwo aufgetrieben hatte. Fließendes Wasser gab es nicht, es musste immer in großen alten Milchkannen vom nächsten Bauern geholt werden. Als Transportmittel diente ein so genannter „Bombenschlitten“ aus Luftwaffenbeständen mit vier eisenbeschlagenen Holzrädern. Schon allein dieses Transportmittel war unwahrscheinlich schwer.

Gegenüber der Eingangstür befand sich eine weitere alte Holztüre, die in einen kleinen Vorraum führte. Von dort aus konnte man auf einer Holztreppe die Bühne erreichen und auf einer abwärtsührenden alten Steintreppe einen Stall, in dem Holz und Kohle gelagert war. Bei Dunkelheit im Winter traute sich der kleine Junge überhaupt nicht mehr in diesen Vorraum, weil sich dort oft genug Ratten und Mäuse tummelten.

Auf der linken Seite führte eine Tür in einen einen Wohn- und Essraum, ausgestattet mit einem Kohleofen, einer großen Liege an der Wand, einem großen, schweren Eichentisch, der aus Militärbeständen stammte und eine Reihe von Holzstühlen, die um ihn herum standen. An der Wand gegenüber vom Ofen hing eine alte Uhr, die aber noch treu und brav ihren Dienst verrichtete. Allerdings nur dann, wenn man sie immer aufzog und es nicht zu feucht an der Wand war. Es stand dort auch eine alte Kommode auf der ein Radio, ein Volksempfänger, stand. Morgens um neun Uhr spätestens wurde der Volksempfänger eingeschaltet und Großmutter, eine ehemalige Kapellmeisterin und Musikerin suchte nach dem Sender AFN, denn der brachte die Musik, die sie so sehr liebte und die lange Zeit verboten war. Wenn sie dann die Erkennungsmelodie hörte, damals war dies "In the Mood" von Glenn Miller, war sie glücklich und zufrieden.

Nach dem Ess- und Wohnraum folgte eine kleine Kammer, die mit ein oder zwei Betten ausgestattet war und anfänglich als Schlafraum diente. Wenn man nachts die Fensterläden nicht schloss schimmerten die Grabkreuze und Grabsteine des Friedhofs im fahlen Mondlicht in den kleinen Raum. Später wurde aus dieser Kammer mit Hilfe von neuen Möbeln die "gute Stube".

Weiter aus diesem Raum ging es wieder durch eine Holztür zwei Stufen hinab in einen schmalen Raum in dem ein Bett und ein Klavier standen. In dem Bett schlief der Opa und er benutzte auch oft genug das ziemlich verstimmte Klavier. Opa war – wie Oma auch – Kapellmeister und Musiker und spielte zu der Zeit nachts in der Stadt in Bars, in denen vornehmlich amerikanische Soldaten verkehrten. Die liebten seine Musik und zeigten sich oftmals erkenntlich indem sie ihm Zigaretten und andere Dinge (auch Schokolade) zusteckten. „For your little boy and your little girl, Joe“! Das freute den kleinen Jungen und seine Schwester dann auch sehr.

Der nächste Raum war ein etwas Größerer, in diesem standen nur selbst zusammengebaute Betten – hier schliefen alle anderen Familienangehörigen, mit Ausnahme von Oma, die schlief auf der Liege im "Wohnesszimmer".

Nachdem Tante Minna mit dem Jungen die Küche betreten hatte, kam Oma aus dem Wohnesszimmer. „Hast Du Erfolg beim Bäcker gehabt! Hat er Dir ein Brot über den Zaun gereicht“? Damals gab es Lebensmittel nur auf Marken und wenn einmal die Ration verbraucht war, musste man eben anderweitig Essbares beschaffen. Der Bäcker war Raucher und bekam dann als Gegenleistung ein paar Zigaretten, die Opa immer mitbrachte. Später hat der kleine Bub für ihn Maikäfer gesammelt, die er an seine Hühner verfütterte.

Tante Minna bestätigte ihr, dass sie erfolgreich gewesen war und reichte ihr das Brot. „Gott sei Dank, jetzt haben wir wenigstens etwas zum Abendbrot und zum Frühstück“, kam der Stoßseufzer von Oma.

Der kleine Junge war inzwischen wieder vor das Haus gegangen. Ihn interessierte, ob vielleicht noch mehr Soldatenautos vorbei kommen würden, denn das war unheimlich interessant für ihn. Aber es kam keines mehr. Also widmete er sich anderen Dingen. Er wollte den Hund, der vor dem Haus eine kleine Hütte hatte und der gerade dösend in der Sonne lag, ein wenig ärgern – aber der ließ sich nicht ärgern und döste weiter.
Nun wendete sich der Junge den drei Gänsen zu, die auf einer kleinen Wiese neben dem Haus ihr Futter suchten und er begann, diese zu jagen. Laut und empört schnatternd stoben sie auseinander und der Bub hatte seine helle Freude daran. Da aber griff Oma ein, zog den Buben am Ohr und bedeutete ihm, damit aufzuhören.

Gerade da kamen ein paar Jungens aus dem Dorf auf dem Feldweg hinter dem Haus daher und grinsten ihn an. „Bei den drei Linden, da oben an der Straße, haben amerikanische Soldaten ein Lager aufgeschlagen. Gehst Du mit? Wir wollen mal sehen ob sie Schokolade für uns haben“. Die Jungens waren alle älter als unser Bub und er ließ sich überreden. Ohne der Oma etwas zu sagen ging er einfach mit.

Nach ungefähr 10 Minuten hatten sie den Lagerplatz erreicht und sahen dort eine Anzahl Lastwagen, ein paar Zelte und Soldaten, die faul in der Sonne lagen. Unbemerkt schlichen sie sich näher und beobachteten das Ganze. Plötzlich bemerkte einer der Soldaten die Jungs, hob seine Waffe und schrie laut „Peng, peng“! Die Jungs erschraken sehr und versuchten, sich aus dem Staub zu machen, aber wie aus heiterem Himmel stand ein ziemlich großer, schwarzer Mann vor der kleinen Gruppe, lachte über das ganze Gesicht und ließ sie nicht vorbei. Der kleine Junge hatte fürchterliche Angst und begann zu weinen. Da lachte der schwarze Soldat noch mehr, nahm ihn auf den Arm und versuchte ihn zu trösten. Das gelang ihm aber erst, nachdem er in die Seitentasche seines olivgrünen Anzugs gegriffen hatte und eine Handvoll Süßigkeiten zum Vorschein brachte.

Inzwischen waren noch mehr Soldaten dazu gekommen und alle verteilten plötzlich Süßigkeiten wie Schokolade, Kaugummi und kleine runde Bonbons an die Jungs. Die kleinen runden Bonbons hatten ein Loch in der Mitte und – wie der kleine Junge erst sehr viel später erfuhr – hießen „Life Savers“, was so viel heißt wie Rettungsringe. Diese kleinen runden Bonbons und deren Pfefferminzgeschmack hat der Bub sein Leben lang nicht vergessen.

Danach trollten sich die Jungs und auch der kleine Bub machte sich auf den Weg nach Hause, nicht ohne Stolz, denn er brachte ja etwas mit.

Allerdings war die Begrüßung zu Hause nicht so recht nach seinem Geschmack. Die Oma fragte ihn ziemlich laut und verärgert, wo er denn gewesen sei und warum er nicht gesagt hätte, dass er weggehen wollte. Als sie dann auch noch von ihm gesagt bekam, dass er bei den Soldaten gewesen sei, war der Ärger noch größer und er bekam zwei drei Hiebe auf sein Hinterteil. Da halfen auch nicht die Süßigkeiten, die der Junge dann auf den Tisch legen musste und die ihm bis auf Weniges abgenommen wurden. Später erhielt er sie dann Portionsweise zugeteilt, musste sie aber mit seiner Schwester teilen und jedes Mal, wenn eine Portion zugeteilt wurde und seine Schwester genüsslich davon abbiss, betrachtete er sie voller Ingrimm.

Die Schwester war einige Jahre jünger als er und sie wurde oft in einem Kinderwagen, einem weißen Korbwagen, wie er damals üblich war, herumgeschoben. Sie schlief auch nachmittags in der Sonne vor dem Haus in diesem Wagen. Der kleine Bub kannte diesen Wagen sehr gut, denn auch er hatte früher darin geschlafen und die Erinnerung daran weckte in ihm sehr heimelige, angenehme Gefühle der Geborgenheit.

Also versuchte er, diese Gefühle wieder zum Leben zu erwecken. Zu diesem Zweck klammerte er sich, als die Schwester darin schlief, an die Seite des Wagens und begann heftig hin und her zu schaukeln. Es kam natürlich, wie es kommen musste; die kleine Schwester begann zu schreien und auf diese Weise wurde Oma alarmiert. Sie stürzte aus der Haustür zum Wagen, nahm die Schwester heraus und auf den Arm, nicht ohne den Bub zu fragen, ob er der Schuldige an dem Geschrei sei.

Oma ging mit der Schwester auf dem Arm ins Haus und der Bub kletterte in den Korbwagen, machte es sich darin gemütlich und war bald darauf eingeschlafen.
So schlummerte der Kleine an diesem sonnigen Sommernachmittag neuen Geschehnissen entgegen, denn es folgte ja auch noch der Abend, an dem die Mutter aus der Stadt mit dem Bus von der Arbeit wieder nach Hause kam und die Oma nach dem Tagesablauf befragte.

Fortsetzung folgt

Autor: dumbo2

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