Plötzlich aber weckte mich ein knarrender Laut. Ich wurde hellwach und konnte danach nicht mehr einschlafen. Neben mir hörte ich Inges regelmäßiges Atmen.
Kein Gemurmel war mehr aus dem Nebenzimmer zu hören. Wir beide waren allein.
Mich beschlich ein Gefühl hilfloser Verlassenheit. Wie eine Schlafwandlerin erhob ich mich leise und ging durch die angelehnte Tür ins Freie. Hier schien die Luft stillzustehen. Kein Lüftchen regte sich, nur die Grillen zirpten laut und schrill im hohen Gras. Vor mir lag ausgebreitet die weite Landschaft mit Heide und Birken. Glühwürmchen schwirrten hier und da durch die Sträucher, und über allem lag eine geheimnisvolle, zwielichtige Dämmerung.
Es war die Zeit der Sonnenwende und der `Weißen Nächte´, in denen es nicht ganz dunkel wird. Kein Mensch war weit und breit zu sehen. Wie im Traum ging ich den sandigen Weg entlang. Aber da – von Ferne näherten sich zwei Gestalten, lautlos wie Gespenster.
Erst als sie näher kamen hörte ich ihre Stimmen und erkannte Mutter und Großmutter im diffusen Licht. Auch sie hatten nicht schlafen können und beschlossen, einen kurzen Abendspaziergang zu unternehmen. Auch sie glaubten zuerst ein Gespenst heranschweben zu sehen, bis sie erkannten, dass ich es war – eine kleine Figur im weißen Nachthemd.
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