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Artikel erstellt am 13. April 2010

Bei unserm Treffen am 11. April 2010 ging es zur Wiechert'schen Erdbebenwarte am Hainberg, im Stadtwald oberhalb von Göttingen. Seit dem Errichtungsjahr 1902 arbeiten dort immer noch präzise und genau die von Wiechert konstruierten Seismographen und machen diese Anlage dadurch zur weltweit ältesten, arbeitenden Erdbebenwarte.

Es würde zu weit führen, alle physikalisch-technischen Details hier zu berichten, die uns erklärt wurden. Das haben Kompetentere bereits vielfach veröffentlicht. So berichtet dieser Artikel nur über das, was wir gesehen und erlebt haben. Für weitergehend Interessierte stehen am Ende des Artikels einige Links.

Die Beobachtung von Erdbeben war nicht der eigentliche Grund für die Forschungen, sondern, wie auf der Inschrift über dem Eingang zu lesen ist, wollte Emil Wiechert mittels seiner Erfindungen Erkundungen über das Innere unserer Erde anstellen.

Inschrift über dem Eingang zum Raum mit den Seismographen - 2010_04_11-041

Zunächst erhielten wir einen kurzen, aber äußerst spannenden Bericht über die Besitzverhältnisse des Geländes. Als im Jahr 2005 das Geohpysikalische Institut der Uni Göttingen von hier fortzog, gab es auch keinen Betreiber der Anlage mehr. Weder der Finanzminister von Niedersachsen, der für Landbesitz des Königs von Hannover offizieller Erbe war, noch die Stadt Göttingen, die Vorkaufsrecht besaß, wollten die Anlage weiter betreiben. Die Gebäude sollten abgerissen werden, was vom Measurement Valley durch schnelle Antragstellung auf Denkmalschutz erfolgreich verhindert werden konnte. Es gründete sich ein Verein, der nach vielem Hin- und Her schließlich das Gelände relativ günstig erwerben konnte und sich nun um die Sanierung kümmert, aber auch die Erdbebenwarte mit ihren wertvollen, alten Geräten weiter betreibt. Der 1. Vorsitzende selber führte uns durch die Anlage und verstand es, uns in unterhaltsamer Form alte und neue physikalische Erkenntnisse und Arbeitsweisen näher zu bringen.

Dank moderner Technik ist es möglich, die für unser Ohr unhörbaren Geräusche der Erdbebenwellen in einen Frequenzbereich zu bringen, den wir wahrnehmen können. Die bei einem Erdbeben vom Epizentrum ausgehenden Wellen haben unterschiedliche Schwingungen, eine schwingt in Ausbreitungsrichtung, die andere quer dazu, die eine schneller, die andere langsamer. Dadurch wird der zeitliche Abstand zwischen ihnen immer größer, je weiter sie bereits vom Zentrum entfernt sind. Das kann man auch erkennen, wenn die Geräusche hörbar gemacht werden. Anhand von Aufzeichnungen eines Erdbebens in der Türkei verfolgten wir dies als Kurven auf dem Bildschirm und erschraken fast vor dem ohrenbetäubenden Krach, den sie auslösten.

Eng wurde es in dem Raum zwischen den drei alten Seismographen, neben denen natürlich jetzt auch zusätzlich heutige Technik eingesetzt wird. Die Anlage ist also gleichzeitig Museum, dessen Geräte immer noch präzise arbeiten und Erdbebenwarte. Wie präzise, das sahen wir sogleich an den Aufzeichnungen eines der alten Seismographen, der die durch unseren Eintritt erfolgten Erschütterungen mittels einer stark ausschlagenden Kurve anzeigte. Die Empfindlichkeit der Geräte ist so groß, dass man sogar die Straße neben dem Gelände für LKW sperren musste.

Immer wieder bezog uns Herr B. in seine Erklärungen durch Fragen wie: „Auf welche Weise konnte man wohl um 1900 dies oder jenes Problem lösen?“ mit ein, forderte unsere Erinnerung an altes Schulwissen heraus und gestaltete die Besichtigung dadurch abwechslungsreich und spannend. Seine anschließenden Erläuterungen ergänzte dann die Sicht auf die alten Geräte, wie links im Bild die freie Aufhängung einer trägen Masse als Pendel, damit sie bei Erdbewegungen weitestgehend in Ruhe bleibt.

Bei rein mechanischer Funktionsweise mussten diese Massen natürlich besonders groß sein. Das Pendel dieses alten Seismographen in Göttingen hat z.B. ein Gewicht von 17 Tonnen. Es ist zugleich der größte neben zwei weiteren, etwas kleineren. Zwei messen horizontale Bewegungen, nordsüd und ostwest, einer die vertikalen. Zur genauen Lokalisierung eines Erdbebens sind allerdings die Messergebnisse von mindestens zwei, besser noch von drei Erdbebenstationen nötig.

Aber wie funktionierte damals die Übertragung zur Aufzeichnungsrolle? - Auch das war eine Denkaufgabe für uns. – Die Lösung: Mehrere übereinander installierte Hebel.Sogar das Papier ist hier in gewissem Sinn noch echt. Es wird nämlich

von den Mitgliedern des Vereins gewöhnliches Schreibpapier genau wie früher von Hand eingerußt. Sie sind froh, dass dabei bislang nur mal Papier Feuer fing.
Nebenstehend Papier mit einer Aufzeichnung eines echten Erdbebens aus jüngster Zeit.

Zum Abschluss durften wir sehen, wie ein klitzekleiner Antipp mit einem Kugelschreiber an das Pendel des großen Seismographen eine sichtbare Kurve erzeugte, sowohl auf dem Papier als auch in der modernen, digitalen Aufzeichnung.

Erdbebenwellen werden durch unterschiedliche Beschaffenheit des Erdinneren auch unterschiedlich abgelenkt. Genau dieses Phänomen benutzte Wiechert für seine Forschungen.

Eine spätere Nutzungsmöglichkeit war die Auffindung von Erdölvorkommen. Dazu mussten viele Versuche von durch Sprengungen verursachte künstliche Erdbeben unternommen und transportierbare Seismographen zu deren Aufzeichnung gebaut werden.

In Göttingen hat Ludger Mintrop, ein Schüler von E. Wiechert, die sog. Mintrop’sche Kugel entwickelt, mittels der er auf dem Gelände der Erdbebenwarte Fallversuche unternahm. Dazu ließ er eine 4 t schwere Eisenkugel aus 14 m Höhe auf anstehendes Gestein fallen.

Diese Kugel ist noch vorhanden. Aufstellgerüst, Winde usw., besonders auch eine Aufhängungsmöglichkeit, die sowohl mechanisch als auch elektronisch zu bedienen ist, baute oder besorgte man neu und lässt so diese Fallversuche für Touristen wieder auferstehen.

Auch wir erlebten dieses Highlight

Bildanimation vom Kugelfall

Weiter ging es zum Gaußhaus, das ursprünglich auf dem Gelände der Alten Sternwarte stand. Es diente Gauß und Weber für Experimente zur Erforschung des Erdmagnetismus. Dafür durfte kein einziges Stück Eisen mit eingebaut werden.

In der Mitte dieses kleinen Gerätes, mit dem Gauß-Weber ihre Messungen durchführten, befindet sich ein Kompass. Wird Strom durch den vorderen und hinteren Teil des Gehäuses geleitet, entsteht ein künstliches Magnetfeld.

Bringt man zusätzlich einen Magneten in die Nähe, ergibt sich, je nach seinem Standort eine Abweichung der Nadel. Durch ein Fernrohr vergrößert, konnten diese dann genauestens beobachtet werden.

Danach bedurfte es lediglich "kleiner" mathematischer Berechnungen, wie sie auf dem Bild hier zu sehen sind, um zu Ergebnissen über den Erdmagnetismus zu gelangen.

Diese Messungen wurden dann weltweit vorgenommen, um zu beweisen, dass diese Erscheinung überall auf unserer Erde die gleiche ist und somit im Zusammenhang mit dem Erdkern steht.




Damit auch alle im Raum die durch einen Magneten verursachte Abweichung der Nadel sehen konnten, wurde dies an einem größeren Kompass demonstriert.

Deutlich sieht man auf den beiden Bildern den Stand der Kompassnadel vor und nach dem Hinzufügen des Magneten.

Zuletzt warfen wir dann noch einen Blick auf eine Nachbildung des Gauß-Weber-Telepgraphen, mit dem die beiden das erste elektromagnetische Telegramm gesendet hatten.
Der Spruch lautete:

Wissen vor Meinen
Sein vor Scheinen


Diese 30 Buchstaben brauchten für eine Strecke innerhalb Göttingens 4,5 Minuten.

Wenn der Telegraph auch damals im Garten der Alten Sternwarte stand, hier in diesem Haus war er entwickelt worden.
Wir standen hier also quasi direkt
in der Keimzelle des Internet

Autor: Otima

Lieselotte Beuermann

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