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Gastarbeiter im Großherzogtum Luxemburg

Es war im April 1947 Wir waren drei junge Männer und ein schon etwas älteres Fräulein, die gemeinsam ihr "Glück" in Luxemburg suchen wollten. Unsere Anwerbung war für die Luxemburger Bauern relativ einfach. Denen wurde der Grenzübergang in die damalige französische Besatzungszone von Deutschland ohne weiteres erlaubt. Dagegen war die Ausreise dorthin für die hiesige Bevölkerung jedoch strikte verboten. So kam es denn, dass man "schwarz" über die Grenze mußte Ich und die anderen "Grenzgänger", wir trafen uns abends bei Dunkelheit im Grenzort Bollendorf, in Nähe der Zollbrücke über die Sauer. Um eine günstige Gelegenheit für den Grenzübergang abzuwarten, hielten wir uns hinter Bäumen versteckt. Auf der Brücke standen zwei Zollhäuschen. Hüben waren die Franzosen, die Besatzer, und drüben die luxemburgischen Zöllner. Der Grenzverkehr war trotz der nasskalten Witterung in den Abendstunden noch sehr rege. In der Hauptsache waren es die französischen Soldaten, die vom Einkauf in Luxemburg zurückkehrten. Dort gab es ja, obwohl der Krieg noch nicht allzu lange beendet war, schon wieder alles zu kaufen.

Mitternacht war schon vorbei, als es endlich ruhiger wurde. Die Franzosen verbrachten die meiste Zeit im Zollhaus. Um 2.00 Uhr bot sich dann die Gelegenheit. Wir "Schwarzgänger" schlichen uns an die Bücke heran, unter dem Schlagbaum durch und rannten so schnell wir konnten auf die Luxemburger Seite. Die Franzosen hatten uns Vier zwar gehört und liefen uns gestikulierend hinterher; bis dahin hatten wir jedoch längst die Mitte der Brücke überlaufen und befanden uns somit schon im "gelobten Land". Hier gab es bei unserer Ankunft keinerlei Schwierigkeiten hinsichtlich der zu erledigenden Formalitäten. Wir wurden von unserem jeweiligen "Patron" in der Zollstation empfangen. Diese hatten eine Aufenthaltsermächtigung über zwei Jahre für jeden von uns in der Tasche. Die Bauern waren froh, dass der Grenzübergang geglückt war und spendierten gleich in einem nahegelegenen Gasthaus, das noch geöffnet war, ein paar Runden Bier. Dann ging es im Auto in ein Dorf bei Echternach. Alle Vier kamen wir in den gleichen Ort. Mein Bauer hatte einen Betrieb in der Größenordnung von ca. 50 Hektar Acker- und Weideland. Hinzu kam ein größerer Waldbesitz sowie eine Brennerei. Der Viehbestand des Hofes belief sich auf 20 Milchkühe, ca. 40 Rinder, 5 Pferde, 200 Schweine und eine Großzahl an Geflügel. Da gab es was zu tun! An Personalbestand waren vorhanden: der Patron und Frau mit zwei kleinen Kindern, die Mutter des Patron - eine geborene Deutsche- , eine ältere Tante, -pensionierte Lehrerin -, ein ältererOnkel und ein Knecht im Alter von 60 Jahren.

Der Arbeitstag erstreckte sich über den Zeitraum von morgens 5.00 Uhr bis abends 20.00 Uhr, bei einer Mittagspause von einer Stunde. In der ersten Woche nach meiner Ankunft, war ich von der guten, für mich doch wohl so ungewohnten Verpflegung sterbenskrank. Mir war hundeelend von Erbrechen und Durchfall. Hauptursache hierfür war der Verzehr von viel Fleisch und Fett. Durch die harte Arbeit wurde mein Körper jedoch sehr stark gefordert, und bald habe ich die "Kraftkost" dann widerstandslos angenommen.

Die vielfältige Arbeit, und besonders der intensive Umgang mit den Tieren, machten mir sehr viel Spaß. So hatte ich auch schnell das Melken der Kühe erlernt. Bei dieser Arbeit, die hauptsächlich morgens und abends verrichtet wurde, konnte ich ja sitzen und die stark ermüdeten Beine etwas entlasten. Einen großen Nachteil barg das Melken jedoch in sich. In der Mittagspause, wenn die anderen ein kleines Nickerchen halten konnten, mußte ich oftmals fünf bis sechs "frische Kühe" melken. Das waren die, welche ein Kalb bekommen hatten. Rückblickend auf die damaligen Jahre meiner Tätigkeit in der Landwirtschaft, erfüllt mich heute noch ein Gefühl der Dankbarkeit darüber, daß ich diesen Berufsstand erleben konnte. Durch die Verbundenheit mit der Natur und dem Wachstum der Tierwelt, insbesondere jedoch bei der Verrichtung der mit der Landwirtschaft verbundenen Arbeit, ist mir die Achtung vor dem "täglichen Brot" für mein ganzes Leben anerzogen worden. Ich habe mich später dieser Tätigkeit nie geschämt und in allen Gesellschaftskreisen immer wieder gerne, sogar mit etwas Stolz, davon erzählt. Zu dieser Zeit konnte ich ja auch nicht im Geringsten ahnen, daß mir diese erworbenen Fachkenntnisse bei meiner späteren Verwaltungstätigkeit dienlich sein könnten.

Die Zeit verging sehr rasch. Der Sommer 1947 war arg trocken und brachte eine karge Ernte. Feldmäuse wurden zu einer echten Plage. Zu deren Vernichtung schwärmten die Dorfbewohner über Feld und Flur aus und legten Giftweizen in die Mauselöcher. Dadurch wurde der ohnehin schon sehr geringe Fruchtbestand nicht noch vollends von den Viehchern gefressen.

Die Sauer, das kleine Flüßchen, bildete auch bei dem nahegelegenen Echternach die Grenze zwischen Deutschland und Luxemburg. Aufgrund der Trockenheit, war im Sommer der Wasserstand sehr niedrig. Die Grenze wurde auf beiden Seiten gut bewacht. Ich konnte, da ich, so wie man heute sagt, ja illegal ausgewandert war, nicht nach Hause. Wie war ich daher eines Tages überrascht, plötzlich meine Mutter zu sehen. Die saß schon frühmorgens um fünf Uhr, als ich auf den Hof kam, auf der Bank und schloß mich lachend in die Arme. War die Frau doch bei günstiger Gelegenheit einfach so durch die Sauer gewatet und hat mir einen Blitzbesuch abgestattet. Am gleichen Tag mußte sie ja wieder zurück. Man kann wohl sagen, Meine Mutter war schon ein tolles Stück. Das hat sie auch in vielen anderen Situationen während des Krieges oftmals bewiesen.

1948 kam in Deutschland die Währungsreform und somit die harte D-Mark. Auch der langsame Wirtschaftsaufschwung begann. Es gab sehr viele Arbeitslose. Jeder konnte jedoch für sein Geld, wenn er welches hatte, wieder etwas kaufen. So kam es denn, daß einer meiner beiden Brüder auch eine Tätigkeit bei einem Bauern in Luxemburg aufnahm. Das Betriebsgebäude dieses Hofes lag in einem Ort unmittelbar an der Sauer gelegen, also direkt an der Landesgrenze. Nun waren wir zu zweit in dem Land, wo zu der Zeit, im Vergleich zu den Verhältnissen in Deutschland, im wahrsten Sinne des Wortes "Milch und Honig" flossen. Aber nicht nur das, es floss auch Geld, und dieses brauchten wir dringend zum Lebensunterhalt und zur Unterstützung unserer Angehörigen daheim in Deutschland.

Es sei erwähnt, dass ein Onkel von uns in Echternach wohnte und dort ein Feinkostgeschäft betrieb. Er hatte zur Nazizeit die deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben und lebte seit seiner Hochzeit mit einer Luxemburgerin als Staatenloser in Echternach. Dadurch hatte unser Onkel das große Glück, nicht als Soldat in den Krieg zu müssen. Er war im Grenzbereich hüben und drüben schon aus Vorkriegszeiten bestens bekannt und wegen seinem gefälligen Wesen auch sehr beliebt.

Im Laufe der Zeit ergab hat sich ergeben, dass nach der Währungsreform der sogenannte "kleine Grenzverkehr" unter den Schmugglern teilweise in seinem Geschäft abgewickelte wurde. Hauptschmuggelware waren Zigaretten und Kaffee. Einkauf ein Pfund Kaffee in Luxemburg ca. 2,00 DM, Verkauf in Deutschland für 18.00 DM. Da war bei einem gewissen Risiko schon etwas zu verdienen. Bei uns Brüdern "florierte" das Geschäft damals auch. Die Sache ist längst verjährt, deshalb kann ich ja heute ruhig darüber schreiben.

Wir kauften den Kaffee in Säcken beim Onkel in Echternach. Dieser brachte ihn mit dem Auto bei Bedarf an die Stelle des Grenzflusses, wo wir rüber nach Deutschland mußten. Es geschah jeweils im Dunkel der Nacht und zwar folgendermaßen:

Mit unserem ältesten Bruder, der ja in Deutschland lebte, wurde der Zeitpunkt der Übergabe vorher vereinbart. Dieser stand nun mit einem Trupp (schlag) kräftiger Burschen an entsprechender Stelle der Sauer auf deutscher Seite. Auf beiden Seiten mußte man stets auf der Hut sein, nicht von den Zollbeamten bzw. den Franzosen erwischt zu werden. Wir auf der Luxemburger Seite paßten auf, wo der Zollbeamte mit Hund seinen Kontrollgang durchführte. War die Luft bei uns rein, dann warfen wir, als Zeichen für den gegenüber wartenden Trupp, zwei Steine hintereinander ins Wasser. Wenn dann die auf der Gegenseite mit drei Steinen antworteten, war auch dort alles o. K. und die Aktion konnte gestartet werden. Jeder von uns einen Sack Kaffee über Schulter und Genick gelegt und ab ging es ins Wasser zur anderen Seite der Sauer. Entsprechend der Jahreszeit, und dazu noch während der Nacht, war das Wasser oft sehr kalt und es reichte an verschiedenen Flußstellen fast bis ans Kinn. Dabei wurde zum Teil der Kaffee auch naß, konnte jedoch keinen Schaden nehmen, da er noch nicht geröstet war. So mußten wir "Träger" uns dann vorsichtig Schritt für Schritt bis an das andere Ufer tasten, da das Flußbett sehr uneben und steinig war. Gott sei Dank sind die Nacht- und Nebelaktionen immer gut verlaufen. Es kamen dabei keine Gewaltanwendungen mit evtl. Strafvollzug zustande. Diese "Taten" wurden für alle Beteiligten so langsam zur Routine und sollten bald auch zum Wohle der Tiere und seiner Besitzer im Luxemburger Land werden. Dort war nämlich die Krankheit Seuchenhaftes Verkalben bei den Rindern ausgebrochen. Entsprechende Medikamente hiergegen gab es allerdings im "gelobten Ländchen" noch nicht. In der "Giftküche" von Beyer - Leverkusen hatte man damals so was jedoch schon gebraut. Zu der Zeit bestanden aber noch keinerlei Handelsbeziehungen zu den ehemaligen "Feinden" und so stellte sich die Frage, "Wie bekommt man das Zeug so schnell wie möglich rüber?"

Unser Onkel aus Echternach, hatte sehr schnell die entsprechenden Fäden geknüpft. Er war nebenbei als Busfahrer im Fremdenverkehr tätig und kam dadurch damals schon über die Grenze nach Deutschland. Dank seiner guten Beredsamkeit und gewissen Schläue, hatte er schnell Verbindungen als Mittelsmann zum Bezug der erforderlichen Medikamente hergestellt. Durch ihn wurde dann unser "Team" gegen guten Lohn als Medikamentenschmuggler angeheuert. Die ganze Aktion ist gut gelaufen und Ich betrachte sie noch heute als eine segensreiche Tätigkeit für die Luxemburger Rindviecher.

An Ostermontag war immer das große Fest der Pferdesegnung im Ort. Jeder Bauer hat sein schönstes Pferd mit bunten Bändern und Ohrenmützen geschmückt. Dann "pilgerte" eine Prozession der Pferde durch den Ort bis zur Kirche, wo die Segnung durch den Pastor erfolgte. Die Dorfmusikanten spielten getragene Musik dazu und das ganze war ein herrliches Schauspiel. Es hatte auch einen gewissen feierlichen Rahmen. Abends war dann Tanz in allen Lokalen. Da ging es rund bei Pernot und Bier. Jeder Tanz kostete damals einen Franken. In einer Nacht brauchte man da gut und gerne so an die hundert Franken nur zum Tanzen. Der Schweiß floß dabei in Strömen und das Bier auch. Aber was soll es, man hatte so seine Freude daran.

Im Ort waren noch einige ehemalige deutsche Soldaten, die sich in der Kriegsgefangenschaft verpflichtet haben, ein paar weitere Jahre bei den Luxemburger Bauern zu arbeiten, um Geld zu verdienen. Zu diesen Leuten hatte ich als junger Bursch, der ich damals ja noch war, sehr gute und fast freundschaftliche Kontakte. Es waren zum Teil ehemalige Marinesoldaten aus Norddeutschland, voller Witz und guter Laune. sonntagnachmittags trafen wir uns gemeinsam regelmäßig auf der Kegelhahn. Da gab es dann reichlich "Gut Holz". Einer der Kumpels hieß Siegfried, wir nannten ihn "Siggi". Dieser besaß viele Eigenschaften eines Künstlers. Biergläser knabberte er bis zum Glashoden auf, kaute Rasierklingen klein und spülte alles mit Bier runter. Ebenso stach er sich eine dicke Stopfnadel durch Nase, Ohrläppchen oder Wange, ohne dabei zu bluten. Oftmals ging ich mit meinen Freunden an Wochenenden abends nach Echternach zum Tanz. Aufgrund des dort schon herrschenden regen internationalen Fremdenverkehrs, war da immer was los. Es spielten gute Bands und man konnte mit hübschen Frauen und Mädchen herrlich tanzen. Die Deutschen waren ja kurz nach dem Krieg im Ausland nicht so besonders gut gelitten, ich möchte sagen, sogar gehasst. Es hieß aufgepasst, dass man nicht so sehr auffiel. Da ich jedoch als einziger von uns Deutschen den Luxemburger Dialekt fließend sprechen konnte ergab es sich von selbst, dass ich stets als Wortführer fungierte. Auch durch die korrekte und maßgeschneiderte Konfektion, passte unsere Gruppe sich rein äußerlich unauffällig dem allgemeinen Gesellschaftsbild an.

Im Ort hatte ich auch einen Luxemburger Freund. Er war Student am College in Echternach und passionierter Radrennfahrer. Vom eigenen Verdienst konnte ich mir ein Rennrad kaufen und so kam es, dass ich oftmals den Freund auf seinen Trainingsfahrten begleitete. Beide fuhren wir dann meistens eine Strecke von 40 - 50 Kilometern. Hierdurch konnte ich die Umgebung meines Tätigkeitsbereichs recht gut näher kennenlernen. Diesen Ausgleichsport habe ich dann auch in den späteren Jahren noch gerne betrieben. Einige Stürze waren jedoch damit verbunden, deren Folgen ich noch heute verspüre.

Daheim in Deutschland wurden die Lebensverhältnisse immer besser. Mein Bruder hatte mittlerweile seinen Arbeitsplatz in Luxemburg aufgegeben und somit war ich wieder allein im Ausland. Inzwischen waren faßt drei Jahre vergangen. Es stellte sich für mich die Frage: "Wie soll es mit mir weitergehen?" Auf meine damaligen Bewerbung in Trier war nichts mehr gekommen. Ich kam daher zu der Erkenntnis, obwohl mir die Arbeit in der Landwirtschaft viel Freude bereitete, dass dies doch wohl nicht mein ganzer Lebensinhalt sein durfte. Daher habe ich mich entschlossen, das Land zu verlassen und mein Glück, wie das wusste ich noch nicht, daheim in Deutschland zu suchen. So habe ich denn mein Arbeitsverhältnis aufgekündigt. Der Abschied vom Hof, den Tieren und den Menschen, die so gut zu mir waren, ist mir schwer gefallen und ich denke heute noch gerne an die doch für mich relativ schöne Zeit zurück.

Es war Oktober 1949 !

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