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Ghostrunner

Vorwort

Diese Geschichte ist frei erfunden. Trotz aller Aufgeklärtheit kann ein Nachtlauf den einsamen Läufer dazu bringen, sich umzudrehen. Man hört Geräusche, die man nicht sofort zu ordnen kann, man wird unsicher und ein aufgescheuchtes Nachttier, ein Zweig, der einem ins Gesicht peitscht, kann einen Schreck auslösen. Eine Gänsehaut läuft einem über den Rücken und man wünscht sich, geschützt zu Hause zu sein. Aber dazu ist es zu spät. Man denkt plötzlich an die Ballade des „Erlkönigs“.
Jetzt keine Panik aufkommen lassen.

Vorbild dieses geschilderten Erlebnisses sind die psychophantastischen Geschichten des Altmeisters des intellektuellen Gruselns Edgar Allan Poe. Dessen Qualität der Verfasser aber nie erreichen kann.

Meine Idee war, das Ganze in die Nacht von Allerheiligen auf Allerseelen zu legen. Mein Weg führt immer am Friedhof vorbei. In dieser Nacht sind die Gräber der Verblichenen mit gespenstischen rotleuchtenden Kerzen versehen. Es ist die Zeit, in der man den Verstorbenen gedenkt. Am Tag vor Allerheiligen ist Halloween, wenn schaurige Gestalten die Straße bevölkern.
Und wenn es euch bei meiner Geschichte nur ein kleines bisschen gruselt, würde ich mich sehr darüber freuen und den Zweck meines gedachten Erlebnisses erfüllen.

Der Beginn meines Albtraumes.

Gruseliger Friedhof bei Nacht


Ghostrunner


Lieber Freund,

wenn ich Dir heute von einem neuen Wohnort aus schreibe, geschieht dies mit viel innerer Unsicherheit und Lebensängsten.
Ich hatte Dir ja schon mitgeteilt, dass ich als Ruhesuchender und auch aus beruflichen Gründen in ein kleines Dorf gezogen war, welches weit ab vom Weltentrubel in einer einsamen Gegend liegt und für meine Arbeit eigentlich als ideal anzusehen ist.

Alles in diesem gottverlassenen Ort dem Verfall preisgegeben zu sein. Das betrifft nicht nur die alten Katen, die sich um ein noch älteres morsches Kirchlein scharren, sondern auch die Menschen, die in dieser Stille leben, oder gar gezwungen sind, dort in dieser Einöde schließlich zu ihrem Ende zu verkommen.

Bei den Einwohnern – es sind derer nicht sehr viele und nur alte – handelt es sich ausschließlich um Lebewesen, die es anscheinend aufgegeben haben, unbedingt dem normalen menschlichen Willen folgend weiter existieren zu wollen.
Meine Kontakte zu ihnen bestehen lediglich in einem Kopfnicken, wenn man sich, was äußerst selten stattfindet, begegnet. Ansonsten herrscht Schweigen; und eine Ansprache – ich habe dies mehrmals versucht – scheint unerwünscht zu sein.
Aber das kommt mir gerade recht und so und so lassen wir uns gegenseitig die Ruhe, die alle hier anstreben.
Einmal in der Woche erhält das Dorf Besuch von einem fahrenden Händler, der die Waren anbietet, die das tägliche Leben ermöglichen. Luxus gibt es nicht, aber die Dinge des täglichen Bedarfs, wie man so treffend sagt, gibt es und die Häuschen verfügen alle über einen Garten, der zumindest im Sommer ein paar Vitamine liefert.

Ich hoffe ich konnte Dir die Situation, in der ich noch vor kurzem lebte – und gerne lebte – ausführlich geschildert zu haben. Du wirst mich nun fragen, warum nun dieser Brief?

Aus unserer gemeinsam verbrachten Zeit weißt Du, dass ich wie Du auch gerne bei Nacht aus dem Haus ging, um zu laufen; zu laufen, wenn es andere nicht taten, wenn man sich ganz alleine und weltverloren vorkam. Der Genuss der Stille, die nur durch Geräusche der nächtlichen Natur, deinem eigenen Atem und dem gleichmäßigen Geräusch, welche deine Laufschuhe verursachten, unermesslich tiefe Glücksgefühle auslöste.

Vor einigen Tagen, es war genau am Tage des Gedenkens, welcher von unseren Kirchen als der Tag der Allerseelen bezeichnet wird und auf den Tag der Allerheiligen folgt, bin ich wie so oft kurz vor Mitternacht in meiner eigene Gottesanschauung gelaufen.

Meine Laufstrecke führt gezwungenermaßen am Friedhof vorbei, der sich wie ein Ertrinkender hilfeheischend um das alte Kirchlein schlingt. Dieser Gottesacker ist wie alles hier der Verwahrlosung ausgesetzt. Gedenksteine sind meist unleserlich, die Gräber ungepflegt und neuere Gräber zieren nur rohe Holzkreuze, an denen der Name und das Datum des Lebens und Sterbens auf einem Brett eingebrannt und dann einfach – wie bei einer Kreuzigung – auf den Querbalken angenagelt wurden. Die meisten dieser einfachen Gedenken an ein Leben sind bereits umgefallen und verrottet.

Nach dem Dörfchen, es sind nur wenige schnelle Schritte zu laufen, beginnen friedlich ruhende Wiesenraine, die du auf hellen Wegführungen wunderbar belaufen kannst und die dir selbst in mond- und sternenlosen Nächten den richtigen Weg weisen.

Plötzlich höre ich Laufschritte hinter mir. Sollte es doch jemanden im Dorf geben, der ebenfalls von der Laufbesessenheit bei Nacht erfasst ist?

Vollmond in einer wolkigen Nacht im Wald

Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich blicke kurz nach hinten und es ist niemand zu sehen. Beunruhigt hat mich das nicht und meine Laufstrecke führt mich unter alten Bäumen hindurch und es wird dunkler. Der Mond wird von fliegenden Wolkenfetzen bedeckt und wieder höre ich ein Tap-tap hinter mir, nun ist es ganz nahe und meine Ohren vernehmen ein Keuchen. Da ich weder sehr ängstlich bin noch Furcht verspüre, bleibe ich stehen und verharre. Die Geräusche sind weg.

Angespannt laufe ich weiter, nun wird das Tap-tap noch stärker und erscheint mir, wie wenn es von vielen Füßen herkommen würde. In meinem Nacken ist ein vielstimmiges Keuchen, Röcheln, Stöhnen und Wispern. Schatten umtanzen mich in einem Kreise, als wollten sie mich festhalten, sich an mich krallen.

Meine Anstrengungen werden größer und mein Tempo wird schneller, aber ich kann nicht entfliehen. Nun scheint es mir, als ob Speichelfetzen mein Gesicht berühren. Ekel und Entsetzen packen mich. Stinkender und nach Verwesung riechender Atem dringt in meine Nase. Ich höre krächzend Laute in meinen Ohren. Laufe… Laufe... Laufe. Angst, Todesangst erfasst mich und die Unsichtbaren treiben mich vor sich her, sie jagen mich erbarmungslos. Grauen. Grauen.

Jeglicher Wille ist mir abhandengekommen. Tod, ja Tod, denke ich. Meine arme Seele!

Nun scheint mir, -es- hat mich völlig umringt. Mit beiden Armen versuche ich verzweifelt, um mich zu schlagen – aber sie treffen nur ins Leere einer grausamen nachgiebigen Masse. Mein Körper ist schweißnass. Meine Beine kommen ins Taumeln. Ist das das Ende? Ich vermeinte noch einen dumpfen Glockenschlag zu vernehmen, dann war es aus und eine Dunkelheit stürzt mich in einen tiefen Abgrund.

Geister

Wie ich erwache, liege ich in meinem Bett. Einer der Alten sitzt bei mir. Er erzählt mir, dass sie mich gefunden hätten, genau am Friedhof. Erst hatten sie gedacht ich sei tot, mein Aussehen hätte das vermuten lassen.

Später nach Stunden wankte ich zu einem Spiegel. Mein Gesicht war totenbleich und zu einer Fratze verzerrt. Du, mein lieber Freund, hättest mich nicht mehr erkannt, ich erkannte mich selbst nicht mehr. Meine Uhr war genau um 1 Uhr stehen geblieben.

Zwei Tage später bin ich weggezogen, wieder in eine Stadt mit Leben und Menschen. Doch das furchtbare Grauen bleibt in mir. Gebrochen bin ich und nur noch ein Schatten meiner selbst.

Meine Arbeiten, die mir so viel bedeuteten und wichtig waren, ruhen. Wie es weiter gehen soll – ich weiß es nicht.


In meiner großen Hoffnungslosigkeit teile ich dir dies alles mit

Dein armer gequälter Freund

Autor: Fiddigeigei

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