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Teile und lese

Die Tageszeitung wurde gerecht aufgeteilt: Der Vater bekam den politischen Teil und die Mutter die Lokalnachrichten, samt der Todesanzeigen.
„Oh, der oder die ist gestorben“, vernahm Rita regelmäßig und in die Stimme ihrer Mutter mischte sich Bedauern gepaart mit Genugtuung, ‚noch nicht dran zu sein‘.
Rita interessierte die tägliche Gazette herzlich wenig, für sie war diese spätestens am Nachmittag sowieso ein Auslaufmodell, das sich auf dem kleinen Ecktisch im Wintergarten zwischen all dem zur Entsorgung bereitliegenden Papierkram langweilte.

Dieses Desinteresse hat sich jedoch inzwischen gewaltig geändert und anders als ihre Mutter schnappt sich Rita blitzschnell den politischen Teil der Tageszeitung, doch gönnt Norbert, ihrem Mitbewohner, großzügig die neuesten Sportmeldungen.
Sie informiert ihn jedoch zuverlässig über sämtliche Aufreger des Tages.
„Das ist ja eine Sauerei, hör mal zu“, ihr Puls rast, während sie empört vorliest, was sich mal wieder geleistet wird, ohne es sich leisten zu können.

„Abzocke“, schimpft Rita, „diese Lobbyisten sitzen den Politikern in Berlin auf dem Schoß!“
Norbert brummt: „Wer sitzt wo in Berlin auf wem?“
„Wenn du mir nicht zuhörst, dann kann ich ja meine Stimme schonen, kein
Wunder dass – DIE – machen können, was sie wollen, wenn sich kein
Schwein für ihre fiesen Methoden interessiert!“, ereifert sich Rita.

Entnervt widmet sie sich nun den Lokalnachrichten „Das ist ja knäcke! Haste das schon gelesen?“
(Hat er nicht, denn er studiert aufmerksam die Bundesliga-Tabelle)
„Wenn die D-A-S umsetzen – also dann – tz-tz-tz“
„Was denn?“ fragt Norbert plus Standby-Blick .
„Hier, lies mal“
„Was?“
„D – A -- S!“
„Später… schmeiß mal rüber.“

„Hey, Bielefeld hat 'nen neuen Trainer und Ingolstadt steigt auf!“
„Bielefeld gibt’s ja gar nicht und Fußball ist für mich sowieso genascht!“, giftet Rita. „Übrigens, Bäcker Mehlbrink ist besorgt, ein Backdiscounter gefährdet wohl demnächst seinen Umsatz.“
„Dann muss er in Zukunft eben kleinere Brötchen backen“, murmelt der Sportexperte und freut sich narrisch auf das absolute Spitzenspiel Dortmund gegen Wolfsburg.
„Brot und Spiele, das funktioniert immer noch“, entgegnet Rita wütend.
„Jetzt raff dich mal, du bist ja völlig angenagt!“, wettert Norbert.

„Die Händler stöhnen unter der ‚Wintertristesse‘; Frauen testen Grenzen
der Aquarellmalerei; Einbruch in Lüttebohm – der Täter kam über die Terrassentür; den Möwen wurden die Nisthilfen geklautund Fensterreiniger wirkt auch im kalten Wasser...". Rita zerknüllt spontan die Seiten 25 bis 27…

„Lass mal peilen“, Norbert entknüllt wieder und liest: „Die Feuerwehr bezieht bald ihr neues Gebäude, Tante Westendonk darf ihren Emma-Laden behalten und in „Heinis Bierstube“ gibt es endlich wieder Sky! Da kannste doch nicht motzen, mach dich mal locker, mega groovy das alles hier…“

Mann, der Zeitung liest

Autor: galen

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