Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

Nichts ist schlimmer als Krieg

Warnhinweis: Diese Kolumne beschäftigt sich mit dem Thema Krieg und Kriegserfahrungen. Bei manchen Menschen kann das negative Reaktionen auslösen. Bitte sei achtsam, sollte das bei Dir der Fall sein.

Meine Schwester muss sich stets übergeben, wenn die Druckwellen der Bomben zu heftig werden, wir sitzen eingepfercht in dem kleinen Bunker, im rheinischen Dorf Kamp, sind geflohen aus der heftig bombardierten Stadt Frankfurt am Main.
Onkel Johann trägt unter Sirenengeheul seinen Teller Pellkartoffeln balancierend die Stufen herab in den Schutzraum, welcher sich unter seinem Hotel befindet und jammert, nicht mal in Ruh sei Kartoffele esse zu könne.
Dies Hotel war ein beliebtes Ziel Erholungssuchender der Kraft-durch-Freude-Bewegung (KDF). Nun gilt es, Hitlers Konterfei im Saal zu entfernen und die Fahnen mit dem Hakenkreuz schnellstens verbrennen.

Hastig werden Parteiabzeichen vernichtet, welche Tante Hilde stolz an ihrem Käppchen trug, wenn es galt den Führer zu wählen, von wegen geheime Wahl.
Lieber Gott, ich spende dem heiligen Antonius, wenn wir diesen Krieg überleben jede Woche fünf Reichsmark, murmelt Tante Leni, zittrig gleitet der Rosenkranz durch ihre Finger, das dumpfe Geräusch der Bombeneinschläge, lässt die Menschen still verharren.
Während die todbringende Fracht niederkracht, weine ich unaufhörlich, Frau Fischer, die ehemalige Köchin des Hotels, versucht mich zu beruhigen, wiegt mich in ihren Armen und summt schlaf, Kindchen, schlaf.

Mein Vater, wo ist er?
Im Krieg ist er, und wir hier auch.
Eine unheimliche Ruhe, die Menschen warten angespannt auf die erlösende Entwarnung.
Es brennt, ruft Paul, ich rieche es und läuft die Treppe hoch, hiergeblieben, ruft Onkel Johann, es ist noch nicht vorbei! Widerwillig geht Paul zurück, an seinen Platz.
Mich, das ‚Bunkerkind‘, hat man stets in dunkelblau gekleidet, weil die Farbe rosa in diesen Zeiten völlig ungeeignet war.
Unruhe kommt auf, geh mal obe gucke Mutter, fordern ihre Töchter Erika und Käthe, deren Mutter eine resolute Person, steigt die Treppe empor. Hält inne und flüstert, isch hör als wenn jemand mit schwere Schuh da obbe auf und ab läuft, in diesem Moment hämmert es heftig gegen die Tür, eine raue Stimme brüllt, open the door!

Frau Bastgen gehorcht, dann stürmt ein Tross Soldaten die Treppe hinunter, ihre Gewehre im Anschlag.
Jean, kumm schnell, sach denne dass mer immer gut zu dir ware, bittet Onkel Johann und es stellt sich heraus, dass die Soldaten Amerikaner sind.
Die Amis sin da, die Amis sin da, ruft Frau Kemp begeistert, deren Mann Parteimitglied war, doch nun wolle mer nix mehr davon wisse.
Alle raus, fordern die Soldaten, jeder will jetzt der erste sein, hastig drängen sie fast übereinander fallend die Treppe hoch.
Meine Mutter hält mich fest umklammert, hat Angst, sie könne stolpern und ich würde totgetrampelt.

Draußen müssen sich alle der Reihe nach aufstellen, sie werden durchsucht und als sich herausstellt dass keine Partisanen unter ihnen weilen, nur Frauen, alte Männer, Kinder sowie Jean, der vermeintliche Retter.
Erleichterung und scheue Freude spiegelt sich in den Gesichtern, einige jüngere Frauen lächeln zaghaft den Fremden zu, von denen manche eine schwarze Hautfarbe haben.

Ein Soldat beugt sich über den Kinderwagen, in dem ich mich befinde, er legt ein Stückchen Schokolade auf das schmutzige Kissen und sagt, I have a baby too, at home in America.

Autor: galen

Artikel Teilen

 

Artikel bewerten
5 Sterne (15 Bewertungen)

Nutze die Sterne, um eine Bewertung abzugeben:


47 21 Artikel kommentieren
Themen > Unterhaltung > Kolumnen, Anekdoten und Co > Aus dem Alltag von Galen > Nichts ist schlimmer als Krieg