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Berlin Schönhauser Allee

Der jüdische Friedhof, ein Ort der friedlichen Stille. Uralte, vor ewigen Zeiten gepflanzte Schattenspender, empfangen mich und begleiten meine Schritte, welche auf dem feinen hellen Kies des breiten Eingangsweges geräuschvoll knirschen.

Jüdischer Friedhof in Berlin

Es ist früher Tag, Efeu rankt an dem Gedenkstein aus dunklem Marmor, auf denen kleine Steinchen liegen, welche vom Besuch Angehöriger oder aber Freunden zeugen. Die Gräber sind, so scheint es gerade, "erwacht", neige meinen Kopf zur Seite, um die fast unleserliche Inschrift auf den bereits umgestürzten bzw. verwitterten Grabmalen zu entziffern. Baruch Morgenstern heißt es, ein liebevoller Gatte und Vater, vorbildlich sein Tun und Friede seiner Asche. Rosa Silberstein, eine fürsorgliche Ehefrau und Mutter, der Schmerz über den Verlust ist groß.

Eingehüllt wie in ein großes Tuch würdiger Ruhe reiht sich nun Grab an Grab. Buchstaben, kaum noch zu entziffern, verraten mir dennoch einzelne Daten. 1825 geboren in Potsdam, gestorben 1902 in Berlin, der Name ist leider unleserlich. In goldenen Lettern wird vermerkt: Rosa Stern. Geboren 1898 in Frankfurt am Main, gestorben 1944 in Berlin, eine schöne Frau von Körper und Geist entzog sich der Naziherrschaft.

Nachdenklich gehe ich weiter, da sehe ich es, das Grab des Verlegers Leopold Ullstein, ein rötlicher Obelisk, eingerahmt von den zwei kleineren Gedenksteinen seiner beiden Ehefrauen. Vor einiger Zeit las ich seine Biografie, nun stehe ich vor dessen Grabstätte, welche zutreffend beschrieben wurde. Wenige Schritte entfernt, die Ruhestätte des Malers Max Liebermann, liebevoll eingezäunt und sehr gepflegt.

Ich steige über dichtes Bodengrün, sowie zerbrochene Grabsteine. Lilienkron lese ich, 1846 geboren, weitere Daten sind vernichtet, abgekratzt, daneben hebräische Buchstaben. Sarah Bethmann, eine gute Tochter, wird betrauert. Über deren Gedenkstein huscht plötzlich Sonnenlicht und lässt diesen für einen Moment aufleuchten. Und das Grab des Komponisten Meyerbeer, geboren 1791, gestorben 1846, schmücken frische weiße Rosen.

Ich schreite über nun völlig verwilderte Pfade und gelange auf einen breiteren Weg, gesäumt von mächtigen Gedenksteinen, dann lese ich "er strebte und lebte für die Seinen, vergaß dennoch nie die Bedürftigen" und "sein Wirken war stets von Gerechtigkeit und Frieden bestimmt" oder "ihr edles Herz wärmt uns über den Tod hinaus". Auch mein Herz wird berührt, denn lange bevor ich geboren wurde, lebten diese Menschen und ich hätte gern mehr über sie erfahren.

Auf dem Pfosten des Tores zum Ausgang entdecke ich später einen sich ausruhenden Schmetterling, dieser erinnerte mich daran, dass seit der Antike Schmetterlinge als ein Symbol der zum Himmel aufschwingenden Seele gelten.

Autor: galen

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