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Die Weihnachts- oder Mannequintanne

Bereits im November konnte der aufmerksame Spaziergänger in der Tannenschonung leises Geflüster vernehmen. Die Tannen, die schön aufgereiht in Reih' und Glied standen, neigten sich einander zu und fragten sich wie in jedem Jahr:" Ob ich wohl ausgewählt werde und am Heiligen Abend geschmückt und im Kerzenglanz die Herzen "meiner" Familie erfreuen darf?"
Bei dem Gedanken an diese Ehre reckten und streckten sie sich noch mehr in die Höhe und breiteten ihre Äste einladend aus, damit man auch erkennen konnte, wie gut Kerzen darauf Platz hätten.
Unter ihnen stand auch eine Tanne, die zwar sehr gerade gewachsen war; was dann aber leider auch ihr einziger Vorteil zu sein schien. Sie hatte kein volles Tannenkleid aufzuweisen, sondern war eher mager wie ein Mannequin. Zu einem Mannequin fehlten ihr aber leider alle anderen Eigenschaften, die die Menschen so liebten. Ihre Zweige waren zu kurz geraten und zudem auch nicht in einem schönen Kranz rund um den kräftigen Stamm gewachsen, so dass auf der einen Seite eine kahle Stelle zu sehen war. Unter herum konnte man sie mit etwas Wohlwollen fast hübsch nennen, aber wer guckt schon nach unten! Tannenbäume werden gedreht und gewendet, man sieht auf die Spitze und erst dann nach unten, denn dort lässt sich schnell etwas korrigieren. Ja, und ihre Spitze, die erschien auch viel zu lang und aufgeschossen. "Ach", seufzte sie, "ich werde wohl wieder einen Heiligen Abend hier im Wald verbringen müssen. Wer wird mich schon schlagen und mit nach Hause nehmen!"
Die beiden Spaziergänger, ein Mann und eine Frau, die bereits jetzt, im November die Ruhe und große Auswahl nutzten, um sich einen Weihnachtsbaum auszusuchen, hörten ihre Klagen natürlich nicht, denn sie kamen gar nicht nah genug an sie heran, weil ein schöner Baum in der Nachbarschaft all ihre Erwartungen erfüllte und schon jetzt reserviert wurde. Diese wunderschöne, große Tanne erhielt ein Band mit der Visitenkarte des Mannes um den Stamm geschlungen und wußte somit bereits im November, wessen Herz sie am Heiligen Abend erfreuen würde.
Stolz stand sie neben den anderen und nahm huldvoll deren Bewunderung entgegen. Bis zum 3. Advent - da kamen "ihre Menschen" wieder, freuten sich sehr, dass sie sich so gut gehalten hatte und sägten sie ab, um sie nach Hause zu bringen, wo sie im festlichen Glanz des Heiligen Abends erstrahlen sollte. Zunächst musste sie sich noch in ein viel zu enges Netzkleid zwängen, aber sie ertrug auch das in freudiger Erwartung.
"Ihre Menschen" erwärmten sich noch kurz mit einem Glühwein, während sie an einen anderen Baum gelehnt, wartete. Und da geschah es: Eine große behandschuhte Hand ergriff sie und schleifte sie mit sich fort. Niemand hörte ihren Protest, und niemand bemerkte, wie sie sich sträubte. Schließlich kannte sie "ihre Menschen" ja schon gut einen Monat und wurde nun von Fremden entführt!

Als der Mann und die Frau, die sich nur kurz abgewandt hatten, den Diebstahl bemerkten, waren sie sehr traurig, aber es blieb ihnen nichts anderes übrig, als wiederum, mit einer Säge bestückt, in die Tannenschonung zu gehen, um einen anderen Baum auszusuchen. Sie waren nur mit halbem Herzen dabei, denn eigentlich wollten sie ja den Baum, den sie sich bereits vor einigen Wochen ausgesucht hatten.
Lustlos betrachteten sie Tanne um Tanne und fanden an allen etwas auszusetzen. Die Fröhlichkeit, die aufgeregt herumlaufende Kinder und lachende Eltern verbreiteten, wollte nicht so recht auf die beiden überspringen, und so standen sie plötzlich vor der "Mannequin-Tanne". Die erkannte ihre große Chance - sie reckte und streckte sich, breitete einladend ihre Äste aus, so weit es ging, bat ihre Nachbarin schnell, sich vor die nicht so gelungene und zu magere linke Seite zu stellen, und rief leise: "Bitte, nehmt mich mit! Ich werde für Euch glänzen und strahlen .... und auch ganz bestimmt nicht nadeln!" Der Mann muss das leise Rufen vernommen haben, denn er blieb stehen, betrachtete die Tanne; sie gefiel ihm, und er überzeugte seine Frau, dass dieser Baum der richtige Ersatz für den gestohlenen sei. Die Säge wurde angesetzt, die Tanne eingenetzt und nach Hause gebracht, wo sie bis zum Heiligen Abend auf der Terrasse stehend den Kommentaren der ganzen Familie ausgesetzt war.
Die waren nicht immer sehr liebevoll, aber man gewöhnte sich an sie und freute sich bereits auf den Heiligen Abend, an dem sie geschmückt werden würde.
Die "Mannequin-Tanne" war restlos glücklich. Sie wurde über und über mit roten Kugeln, Äpfeln, Holzspielzeug und Schleifen behängt. Eine Lichterkette beleuchtete ihren geraden, schönen Stamm und brachte ihre Vorzüge so richtig zur Geltung. Die roten Wachskerzen an den Spitzen der Zweige strahlten auf die dicken grünen Nadeln, und von der etwas kahlen linken Seite war gar nichts mehr zu sehen - man hatte sie so gedreht, dass nur die Vorteile sichtbar blieben. "Das geht eben mit uns Bäumen" dachte sie, "ihr Menschen könnt euch drehen und wenden, wie ihr wollt; es kommen immer wieder auch die weniger vorteilhaften Seiten zum Vorschein." Aber sie wollte nur noch dankbar sein, dass sie am Heiligen Abend die Herzen "ihrer Menschen" erfreuen durfte und erstrahlte in herrlichstem Glanz.
Als dann auch noch ihr zu Ehren "O Tannenbaum, wie schön sind deine Blätter" gesungen wurde, war ihr Glück perfekt und sie tat einen kleinen Seufzer, der die Kerzen auf ihren Spitzen ganz, ganz leicht erzittern ließ. Sie frage sich, ob wohl alle Tannenbäume so liebevoll geschmückt würden und konnte nicht wissen, dass "ihre Familie" noch niemals zuvor einen Weihnachtsbaum mit soviel Schmuck versehen hatte ......


(c)by Marion Möller

01.12.2013

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