Mit dem Nachtwächter durch die Altstadt von Pirna
Unter diesem Motto wollten wir uns treffen, um mit dem Nachtwächter u.a. die schöne Altstadt von Pirna zu entdecken und die Aufgaben eines Nachtwächters im Mittelalter kennen zu lernen.
So fanden sich 16 Interessierte am 22.09.2022 auf dem Bahnhof in Pirna ein.
Gemeinsam machten wir uns auf zum Abendessen. Allerdings war zunächst ein Stopp auf dem P+R Parkplatz der DB notwendig, denn wir wollten nicht verpassen, um unserer Brigitte (Pentina) zum Geburtstag zu gratulieren.
Danach ging es weiter zum nächsten (Foto) Stopp auf dem Markt. Die Fotoapparate wurden gezückt, denn der Blick (der sogenannte Canaletto Blick) auf den Markt, dem Rathaus und dem Sonnenstein fasziniert immer noch jeden Besucher, so wie es schon Canaletto erging und er insgesamt 16 Veduten von Pirna malte. Pirna damit weltweit bekannt und berühmt wurde.
Der Markt mit dem Canaletto Blick.
Im Gasthaus „Zum Anker“ nahmen wir in gemütlicher Runde unser Abendbrot ein.
Kurz vor 21 Uhr schlenderten wir dann zum Treffpunkt an der örtlichen Touristen-Info.
Schon von Weitem hörten wir das Horn des Nachtwächters und sein Aufrufen zur Nachtruhe in der 9. Stunde.
Die Begrüßung war kurz und schon war der Nachtwächter (Herr Bieberstein- ein Urgestein von Pirna) in seinem Element, uns in amüsanter Erzählweise seine eigentlichen Aufgaben darzulegen.
Es waren noch "Formalitäten" zu erledigen.
Zunächst aber erkärte er uns das Wappen von Pirna, mit seinem auf einem Hügel stehenden Birnbaum, dessen Stamm beidseits von zwei rubinfarbenen Löwen flankiert wird, die ihre Tatzen in den Stamm krallen.
Pirna – slawisch na pernem – auf dem harten Stein
Das Rathaus mit Wappen und Uhr.
Die Rathausuhr (übrigens ein Geschenk August des Starken an Pirna anlässlich der Vermählung seines Sohnes mit der Erzherzogin Josepha von Österreich aus dem Hause Habsburg, die auf dem Weg von Wien nach Dresden in Pirna nächtigte) schlug 9 mal und los ging der Rundgang.
Auf der Schmiedestraße war unser erster Halt. Hier erzählte er uns, warum Pirna hier entstand. Wichtige Handelsstraßen kreuzten sich hier, weil an dieser Stelle eine Furt das Überqueren der Elbe ermöglichte. Es war die Zeit von Wenzel I. König von Böhmen, der Bauleute aus Franken kommen ließ, die begannen die ersten Häuser hier zu bauen.
Frauen aus Thüringen kamen hinzu und so siedelten sich die ersten Familien an.
Unser 2. Halt war am alten Gefängnis. Hier kontrollierte der Nachtwächter, ob wieder Trunkenbolde aufgelesen und eingeliefert wurden, die nun darauf warten mussten, von ihren Frauen abgeholt zu werden oder ob sie sitzen gelassen wurden.
Ein kleiner nackter Hinterteil einer Frau an der Gefängnisaußenwand soll daran erinnern, dass faule Mägde mit 12 Stockhieben bestraft wurden. Hin und wieder, als kleiner Zusatzverdienst, übernahm der Nachtwächter die Bestrafung.
Auf der Oberen Burgstraße schüttete eine Frau ihr Nachtgeschirr aus. Das veranlasste den Nachtwächter, ihr eine Verwarnung auszusprechen, sie in sein Notizbuch zu schreiben und ihr anzutragen, bei Wiederholung ins Verließ zu müssen, denn erst nach 10 Uhr durfte alles aus dem Fenster auf die Straße gekippt werden.
Wir kamen zur Knabenschule, der Name sagt es schon, nur Knaben von reichen Kaufmannseltern durften hier zur Schule gehen.
Gegenüber der Schule ein markantes Haus mit dem sogenannten Teufelserker (ehemals ein Bürgermeisterhaus). Den Erker zieren drei Teufelsköpfe , Satan, Luzifer und Belsebub, die natürlich die Reichen, die ihre Kinder in der gegenüberliegenden Schule wussten, erzürnten. Doch trotz ihrer Proteste, ließ der Hausbesitzer als seine Antwort in goldenen Lettern auf den Erker schreiben
„Ich wollt’s so haben, was fragst du darnach“
Der nächste Halt war der Brunnentrog am Schloßberg. Hier sprudelt das Wasser mit 8 Grad aus dem Felsen. Der Nachtwächter muss hier die Wasserqualität durch kosten prüfen und mittels der Hutschnur, die er an seinem Wams trägt, feststellen, ob der Wasserstrahl in der gleichen Stärke wie die Schnur ist, aus dem Felsen kommt.
Vorbei am Schlachthof , wo nur an Feiertagen auch das ärmere Volk schlachten durfte, ging es zum Haus von Wolf Blechschmidt, dem Erbauer der Marienkirche (heute ein Hotel).
Sein Wappen W.B. mit Zirkel und Maßstab ist an vielen Stellen in der Kirche zu finden. Unterstützung beim Bau der Kirche fand er bei 300 Steinmetzen, die extra aus St.Annen anreisten.
Kurzer Halt am Seiteneingang der Marienkirche, wo das Standbild von Martin Luther aufgestellt ist.
Zunächst aber fiel unser Blick in ein erleuchtetes Fenster gegenüber der Kirche. Hier war eine wundervoll bemalte Decke aus der Barockzeit zu erkennen, die erst nach der Renovierung sichtbar wurde. Bis dahin war sie unter Deckenplatten verborgen und somit noch sehr gut erhalten.
Folgte man dem Blick von Martin Luther, schaute er auf das Haus von seinem Freund
Antonius Lauterbach, das Refugium, mit wunderschönen Butzenglasfenstern (heute eine Gaststätte).
Unser letzter Halt war das Marienhaus. Das Haus erhielt seinen Namen, als die Marienstatue mit Kind nach der Reformation aus der Kirche entfernt und an die Ecke des Hauses am Markt/Kirchplatz angebracht wurde.
Mit dem 10. Glockenschlag der Rathausuhr war unser Rundgang beendet, der Nachtwächter blies in sein Horn und sang sein Abschlusslied „… die Glock hat zehn geschlagen…“
Mit einem kräftigen Applaus entließen wir den Nachtwächter in die kühle Nacht.
Wir danken Hildegard (HigaBe) für die Organisation der interessanten Veranstaltung und den ausführlichen Bericht.
Fotos: Karin (elka46), Wolfgang (erzer), Angelika (GeliZ)
Zusammenstellung: Angelika (GeliZ)
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