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Am Ende der Welt brüllt unverhofft ein Elch (I)
Impressionen aus unserem Norwegenurlaub


Norwegenurlaub ist etwas anderes, etwas Klares und Kühles, etwas, was ich eigentlich nicht will, doch neugierig bin ich schon. Ein Gerne-Kompromiss für einen Urlaub, den wir nicht wie unsere letzten Autoferien in den Norden abbrechen müssen. Eine Vollendung sozusagen.
Unser erster Morgen ist angebrochen. Das Thermometer vor der Hütte zeigt eine zweistellige Zahl, nämlich zwölf Grad. Es ist August und gleich zehn, die Eier kochen, der Kaffee ist fertig und die Peer-Gynt-Kassette leiert.
Vor unserer Hütte in Lakselvdal, etwa 80 Kilometer von Tromsö entfernt, ragen die Lyngsalpen 1800 Meter in die Höhe, Schnee in den Mulden. Beeindruckend sind ihre schroffen Gipfel, die man nur mit Eispickel und Kletterseil erreichen kann, ihre tiefen Schluchten, gigantischen Steinhalden, ihre Talgletscher und Wildwasser, die wir in den nächsten Tagen bewundern können.
Die Kühe unseres Bauern spazieren auf dem Weg entlang, der gleichzeitig Straße mit Schlaglöchern ist, dichte Wolken hängen am Berg.
In unserer erste helle Nacht im Tromssommer haben wir endlich unseren Tiefschlaf gefunden, denn wir sind sechszehn Stunden mit zweimal Flugzeugumsteigen in Kopenhagen, Oslo und Tromsö auf den Beinen gewesen.
Nach einer Autorundfahrt, wir konnten die E 8 nicht gleich finden, sind wir gegen 22 Uhr hier angekommen und freundlich empfangen worden.
Endlich Urlaub!
Was soll ich bloß mit meinen Bikinis machen?
Erst einmal Gegend erkunden in Wollpullovern und Regenjacke, der Fluss vor dem Haus ist der einzige Krachmacher weit und breit.
Siehst du schon einen Lachs?
Silbrig schimmernde Birken mit zerbrechlich dünnen Stämmchen stehen überall Spalier, Beerenwiesen am Fuße der Berge und abends acht Grad am Hüttenthermometer.
Am Nachmittag des nächsten Tages werfe auch ich, leider erfolglos, die Angel aus am Sörfjord, der in den Ulkfjord übergeht.
Selten habe ich so beeindruckende Natur gesehen.
In über zwanzig Ländern sind wir bisher in unserem Leben gewesen und Außergewöhnliches, nie Vergessbares haben wir sehen und erleben dürfen:
Kleine Inseln, die wie Spiegeleier aus dem Indischen Ozean ragen, junge Kamele mitten in der einsamen Wüste, modernste außergewöhnliche Architektur in den Emiraten, Vulkanlandschaften, die Halbedelsteine produzieren, Korallenriffe und bunte Fische wie Kunstwerke. Norwegen in seiner landschaftlichen Schönheit gehört nun dazu.
Es ist still am Fjord. Wir sitzen am Rande, jeder auf einem Stein, die Angel im Wasser, und atmen diesen Moment.
An einem Bergsee in Österreich gibt es sicher mehr Sonnenschein, aber auch mehr Menschen. Dieses Land hat 4,2 Millionen Einwohner , auf den Quadratkilometer kommen 13 Menschen, wovon die meisten in den Städten leben.
Wir sind am Fjord weit und breit allein. Die schneebedeckten Berge spiegeln sich blau im ruhigen Wasser wider. Die Steine am Ufer sind mit Muscheln bewachsen und von rostroten Wasserpflanzen umgeben. Ab und zu dümpelt ein herrenloser Kahn umher, die Möwen sind es, die uns sagen, dass die Welt nicht stehen geblieben ist.


Ich zerbreche mir den Kopf, worin die Faszination des Angelns liegt, jetzt habe ich meine Antwort gefunden:
Es ist der prickelnde Moment, wenn du spürst, dass deine Rute sich biegt, wenn du die Schnur einholst, Kraft aufwenden musst, das Ding herauszubekommen. Dann endlich förderst du den silbrigen Fischkörper über die Wasseroberfläche, du wünschst dir, dass es ein großer Körper ist, und wenn es so ist, jubelst du, denn du bist Sieger. Es ist der Jägerinstinkt, eine Gefühl des Könnens, des Mächtigseins, der Macht vielleicht und es bewirkt bei den meisten, glaube ich, es noch einmal zu versuchen, einen noch größeren Fisch zu fangen.
Heute habe ich meinen ersten (von der Plötze in Falkensee und dem Zackenbarsch auf den Malediven abgesehen) an der Angel! Aus dem Sörford in Norwegen, einen Dorsch! Und vielleicht säßen wir jetzt noch auf den Steinen am Fjord, wenn nicht plötzlich nach überraschendem Sonnenschein sich der Himmel bezogen und es zu regnen begonnen hätte. So sind wir zum Fischbraten in die Hütte gefahren, um dann noch einen Abendgang bis ans Ende der Welt zu machen. Vorbei am schäumenden Fluss mit den Silberbirken streben wir zum ewigen Schnee auf den Bergen, da ist plötzlich der Weg zu Ende, eine zerfallenen Scheune mit Moos und Birken auf dem Dach und ein altes Haus sind die einzigen Zeugen dafür, dass es hier einmal Menschen gegeben haben muss.

Am Ende der Welt brüllt unverhofft ein Elch.
Als wir aus der Hüttenterrasse sehen vor dem Schlafengehen, begrüßen wir einen Fuchs, der auf der Landstraße spazieren geht.
Unsere Hütte: Ein holzverkleidetes Wohnzimmer mit Ledercouch, Kochmaschine, Fernseher, Radio und Landhausgardinen, eine Küche mit Kühl- und Gefrierschank und Elektroherd. Drei Schlafräume. Vor der Tür das gemietete Auto. Welch Wohlstand im Dauerregen! Mir ist das sehr wohl bewusst.
Materielle Entbehrungen bewusst zu erleben, Grenzen ziehen lernen, dafür danke ich meinen Eltern. Wer weiß, ob ich sonst im Geldbereich meine Scheidung klaglos überstanden hätte, vielleicht hätte ich Neidgefühle, wenn einer etwas hat, was ich nicht habe. Ich benötige viele Dinge freiwillig nicht und das macht mich zufrieden und frei.
In unserer schönen Zweisamkeit in der Hütte lese ich dir „Peer Gynt“ vor. Wir tauchen ein in das Leben der Trolle und Verrücktheiten, in der rauhen Landschaft sind wir schon, wir lernen Solveigs Lied verstehen, es macht richtig Spaß.
Angekommen in unserer Urlaubswelt. Und wir sind zusammen.
Was machen Eheleute nach langen Ehejahren am dritten Regentag auf 20 Quadratmetern? Wir könnten ins Auto steigen und uns die Welt ansehen, leider sieht man in diesem Regendunst nicht viel. Also zurück ins Häuschen. Du holst dicke Holzscheide herbei zum Ofenheizen, dann legst du dich auf die Couch. Ich habe zu tun: lesen, malen, schreiben. Gegen Mittag übermalst du ein Bild von mir. Und abends stellst du fest, dass das norwegische Fernsehen viel gewaltfreier, lieber und objektiver ist als unseres.
Ich kann mich sehr gut in der Stube beschäftigen, wahrscheinlich, weil ich es von klein auf gelernt habe. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Eltern mit mir gespielt hätten, Mutter hatte überwiegend in der Küche zu tun, was hat sie da nur gemacht?, Vater saß am Schreibtisch in der Firma oder in der Kneipe. Ich kümmerte am Kacheltisch, am liebsten mit Papier. Etwas zum Ausschneiden, Sammeln, Malen, Beschriften, stundenlang. Ganze Hefter habe ich angelegt mit ausgeschnittenen Schauspielfotos aus dem „Filmspiegel“. Beschäftigung ohne großen Sinn. Manchmal ein bisschen wie Tütenkleben. Später waren es die Schulaufgaben. Wie gern habe ich gelernt! Und schön geschrieben, die Buchstaben mussten in einer Reihe stehen, keiner durfte in der Größe nur einen Millimeter abweichen, das hat Mutter mir beigebracht. Ich wollte Einsen haben, jetzt wusste ich, wofür ich stundenlang im Zimmer hockte, viel lieber als zwischen Mülltonnen mit Karla Himmel und Hölle zu spielen. Das kommt mir jetzt im Dauerregen 300 Kilometer über dem Polarkreis zugute.
Du Bauernsohn schaust durchs Fenster auf den Bauernhof und wünschst dich ins Freie, wo du immer gern gewesen bist, ein Tun meist mit notwendiger Arbeit verbunden. Irgendwann hast du dann das Angeln entdeckt, Angelzeit ist verlorene Zeit, hast du gehört, und es ist deine Draußenleidenschaft geworden.
Die Kinder hier lassen sich nicht stören vom Regen. Sie sind auf dem Hof mit kurzen Hosen! zu sehen. Es ist ja auch Sommer.
Mit Friedjof Nansens Lebenslauf bin ich fertig.
Er schreibt:
„Das ist ein Gewirr von Stimmen in mir, viel Sentimentales, gepaart mit knallhartem Realismus, viel Leichtsinn, gepaart mit kalter Berechnung, da ist dies Dasein im Hier und Heute, gepaart mit einem krankhaften Verlangen, die Zukunft auszuspähen, da sind kümmerliche Ansätze von Idealismus, gepaart mit krassestem Materialismus, da ist ein schwacher Durst nach Wissen, gepaart mit Verachtung der Zivilisation sowie einem Hang nach Ursprünglichkeit und Natur, kurz gesagt, die köstlichste Mischung der heterogensten Bestandteile, ein Chaos der Disharmonien.“
Ein zerrissener außergewöhnlicher Mann, der zurück zur Natur wollte, aber zeitlebens doch ein Bürgerlicher blieb. In Polarmuseum in Tromsö werden wir noch mehr über ihn erfahren.



hier geht es zum zum Teil 2!


Bild: Am Ende der Welt

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