10. Basler - Hock 2013
Bei schönstem Herbst-, ja man könnte sagen Spätsommerwetter, treffen sich 18 neugierige Feierabendler auf dem Lindenplatz, dem Kirchplatz von Weil, am Brunnen, der in historischen Zeiten die einzige Wasserquelle im Dorf war, und dem eine Viehtränke angeschlossen war. Wir wollen endlich wissen, was es mit diesem Ort Weil auf sich hat, kennen die meisten von uns doch lediglich das Vitra-Museum oder das Laguna-Bad oder den Weg nach Riehen zum Beyeler-Museum.
Wir haben das Glück, in Frau Monika Merstetter eine hoch motivierte und begeisterte Stadtführerin zu erleben, die seit 17 Jahren für diesen Ort wirbt, der früher nur „die Stadt an Schiene, Strasse und Strom“ hieß und sich seit 1999 nach der weltweit bekannten Firma Vitra „Stadt der Stühle“ nennt, wovon wir gleich am Kirchplatz ein Beispiel sehen, ein Modell von Jasper Morrison, den „Schrauben-Mutter-Stuhl“. (Jasper Morrison gestaltete auch die Bushaltestellen am Vitra-Museum). Weitere 17 Designerstühle sind über die Stadt verteilt.
Angekündigt war ein Kennen lernen von Alt-Weil, und so tauchen wir sofort in die Geschichte ein. Frau Merstetter zeigte uns ein idyllisches Gemälde von vor 200 Jahren mit ein paar Häusern mit Kirche vor den Weinbergen. Erst mit der Eisenbahn kam die Expansion, für Bahnbedienstete wurde eine Gartenstadt gebaut, die heute noch existiert, und nach dem 2. Weltkrieg kamen viele Flüchtlinge, so dass die Einwohnerzahl heute 30.000 beträgt.
Aber zurück zu den Anfängen: es sieht so aus, als ob am Anfang eine Hauptstrasse war, die die beachtliche Länge von 4,2 km hat und von Schweiz zu Schweiz geht, die mit dem Haus Nr. 2 bei Riehen beginnt und am heutigen Rheincenter endet.
Der Kirchplatz ist von verschiedenen Gebäuden flankiert, die heutzutage als Museen dienen. Da ist einmal das ehemalige Schulhaus von 1845, später Rathaus und Gemeindestube, jetzt Heimatmuseum. Dann ist gegenüber das so genannte Stapflehus, hinter dem sich das Landwirtschaftsmuseum befindet. Seitlich der Kirche befindet sich der Domhof, den das Basler Domstift 1569 gebaut hat. Nach der Zerstörung des evangelischen Pfarrhauses im spanischen Erbfolgekrieg 1702 wurde ein Gebäude des Domhofs zum Sitz des Pfarrers - bis zum heutigen Tage. Die Frage, warum die Kirche, deren heutige Gestalt auf 1791 zurückgeht, so groß ist, wird dadurch beantwortet, dass auch viele Basler der freizügigeren lutherisch-reformierten Kirche des Markgräflerlandes den Vorzug vor der einengenden Zwinglischen Variante gaben. Es ist die Rede von 400 Baslern!
Da dieselben nicht nur die Kirche besuchten, sondern auch das leibliche Wohl nicht vernachlässigen wollten, verfügte der Ort Weil über 5 Gasthäuser, deren ältestes die „Krone“ ist Aber auch einen „Engel“ gab es, und in seinem Inneren soll es nicht so engelsgleich zugegangen sein, auch wenn der Pfarrer oft mitmischte. Frau Merstetter sparte nicht mit Anekdoten, die Ihr hoffentlich aufmerksam beherzigt habt.
Auch von historischen Personen ist viel zu hören, nicht nur von Johann Peter Hebel, der seinen Freund, den Pfarrer Günttert, im Pfarrhaus oft besuchte Bezüglich Hebel erfahren wir auch von einem intensiven Briefwechsel mit seiner - platonischen - Liebe Gustave Fecht, einer Schwägerin des Pfarrers, die in diesem Hause lebte.
Auch von der Schriftstellerin und Schauspielerin Hilde Ziegler ist die Rede, die hier aufgewachsen ist.
Durch einen romantischen Pfad an vielen blühenden Gärten und alten Häusern vorbei gelangen wir zu einem alten Weingut, Schneider mit Namen, das seit 400 Jahren Spitzenweine liefert. Zuvor sahen wir ein Anwesen aus dem 14. Jahrhundert, das zu St. Blasien gehörte mit Hospiz und Freihof (entspricht Asyl), wo heute in 2. bis 3. Generation ein Schreiner wirkt. Daneben ein in Eigenarbeit restaurierter Schopf, in welchem die Narrenzunft zuhause ist. Spannend ist auch die Geschichte, wie die Narren zu einem Erbe kamen, hat ihnen doch ein Mitnarr ein Haus vermacht, was nicht alle Tage vorkommt.
Mir scheint noch wichtig, ein symbolträchtiges Ereignis zu erwähnen, das sich zu Beginn unserer Führung durch Weil abspielte: Nachdem wir auf dem Kirchplatz in eine Hochzeitsgesellschaft geraten waren, fanden wir - ein Anblick wie im Märchen - die Braut hinter dem Kirchturm versteckt, angetan mit einem prachtvollen Hochzeitskleid und wunderschöner Frisur. Sie wartete darauf, von ihrem Vater nach guter alter Sitte in die Kirche geführt zu werden, wo der Bräutigam und die anderen Hochzeitgäste sie bewundernd in Empfang nehmen würden.
Mir scheint, dass Alt-Weil, ebenso wie die Braut darauf wartet, unter kundiger Führung entdeckt zu werden und die Besucher mit ihrer hübschen Erscheinung in Erstaunen zu versetzen.
Inzwischen war die Zeit abgelaufen, während der wir den Ausführungen Frau Merstetters lauschen durften. Nach dem Abschied strebten wir zum Bahnhofslokal am Ostbahnhof, dem „Chläbi“ zu. Der Name „Chläbi“ kommt, wie wir erfuhren, von „kleben“, weil die Gäste, die hier vor ihrer Abreise oder nach der Anreise hier einkehrten, gerne kleben blieben.
Unsere Ohren wären noch gerne an den Ausführungen unserer Führerin „chläbe“ geblieben, doch Mägen und manch müdes Bein hatten andere Wünsche und so fielen wir in das von Käthe reservierte Nebenzimmer des Lokals ein, wo wir zuvorkommend und schnell bedient wurden, bevor wir uns auf den Heimweg machten.
Danke auch den Fotografen Hanspeter, Udo und Käthe
Bewertungen und Kommentare
47 Bewertungen
21 Kommentar(e):
wanderiris schrieb am 19.11.2013:
ich wohne seit 1956 in weil. Euer Artikel hat mir gut gefallen
SPEZIrosenheim schrieb am 17.11.2013:
Ein sehr interessanter Bericht mit sehr schönen Fotos.
Pusselbaer schrieb am 16.11.2013:
danke für die schönen bilder,weil ich solche ausflüge nicht mit machen kann, l.g.dietlinde
Zeinerhof schrieb am 16.11.2013:
Gerade habe ich hier einen wundervollen Spaziergang gemacht. Vielen Dank... Dieses Gemälde von Gottlieb August Bauer ...Motiv Altweil hat mir sehr gut gefallen...Herzliche Grüße Reinhilde
Susetta schrieb am 16.11.2013:
Danke für die schönen Bilder und das Bericht. Sehr schön ausgearbeitet.
Tettane schrieb am 13.11.2013:
Man sollte doch viel öfter die Seiten der Basler Regionalgruppe anschauen. Tut man es nicht, verpasst man etwa, so auch den wunderbaren Bericht über den Ausflug in die Stadt Weil. Liebe Ingeborg, dass hast Du so interessant beschrieben, dass ich Lust verspüre, im nächsten Jahr einmal dorthin zu fahren. Vielen Dank! Anne-Grete
Sonnengarten schrieb am 13.11.2013:
...wie schön ... und ich freu mich, dass es dieser Bericht auf der Startseite ist. Grüßle *Ursel*
Waldi66 schrieb am 13.11.2013:
Super Bericht liebe Ingeborg, vielen Dank. Damit machst Du (und auch alle Schreiber) den nicht teilnehmenden FA-lern immer eine große Freude. Auch wenn man nicht dabei war, kann man an allem teilhaben und viel erfahren. Danke und liebe Grüße, Waldy
Mimisoma schrieb am 13.11.2013:
liebe ingeborg deinen bericht habe ich mit intetesse gelesen, super. dass dein hobby lesen ist konnte ich daraus erkennen, denn deine vielfalt der wortwahl machte den bericht neugierig wie geht es weiter. ich bin kleben geblieben bis zum schluss. an die fotografen das bild mit den trauben und der einzelnen rose ließ mich länger verweilen. Danke und gruß an die gruppe. vera
Heupferd schrieb am 12.11.2013:
Ohne den Hinweis von Margit hätte ich das wieder nicht gesehen, weil ich ja nur selten in Basel hineinschaue. Die Brunnen erinnern an "früher", es gab sie, glaub ich, größer oder kleiner in so ziemlich allen Ortschaften, es waren wohl die üblichen Wasserquellen der Einwohnerschaft, aber auch die Tränke der Tiere. Und wieder frage ich mich. Weshalb wohl alte und sehr alte Gebäude noch immer stehen, und man es heute nicht mehr fertig bringt, dass ein Haus dreißig oder vierzig Jahre halten kann? Jedenfalls hat Inbeborg einen exelenten Bericht hingekriegt, man sollte ihn aufheben, er wäre es wert. Die herrlichen Bilder führen ebenfalls ganz lebendig durch den Ort, danke allen, fürs (mit)lesen dürfen. Dies in Kurzform und Gruß an Käthe. Irene
Rose56 schrieb am 12.11.2013:
Ein Super-Bericht, liebe Ingeborg, informativ und interessant. Dazu noch die wunderbaren Bilder. Da bekommt man direkt Lust, nach Weil zu fahren. Es könnte ein Ziel sein, wenn wir das nächste Mal im Markgräfler Land sind. Dann drucke ich mir vorher Deinen Bericht aus und nehme ihn mit! Liebe Grüße aus Mainz an alle aus dem Dreiländereck Rose
Bleistift01 schrieb am 29.10.2013:
Ein sehr umfassender Bericht, der das alte Weil wiedergibt, mit wunderbaren Fotos. Leider konnten wir nicht teilnehmen, haben aber dennoch etwas dazugelernt, obwohl Weil unsere Heimatstadt ist. Danke! Werner(Bleistift01) + Helene (Tanzknopf01)
Anmargi schrieb am 29.10.2013:
Dein locker gefasster Bericht, liebe Ingeborg, enthält so viele interessante Informationen - es machte Freude ihn zu lesen und damit so viel über das Städtchen Weil zu erfahren. Vielen Dank!
wallianna schrieb am 23.10.2013:
So ein toller Bericht liebe Ingeborg!So locker und doch informativ verfasst als wolltest Du uns ein zweites mal durch dieses nette Städtchen geleiten. Vielen Dank auch den fleißigen Fotografen und Käthe für die Organisation!
Lavandel schrieb am 22.10.2013:
Auch diejenigen, die nicht die Gelegenheit hatten, an der kundigen Führung durch Alt-Weil teilzunehmen, bekommen dank Ibobibos Bericht eine kleine Vorstellung dieser reichen Geschichte. Gut geschrieben!
Berghummel schrieb am 22.10.2013:
Liebe Ingeborg,jetzt wohne ich ja in Überlingen,lese aber gerne über Eure Ausflüge. Heute habe ich mich sehr gefreut,dass Du einen Bericht verfasst hast. Er ist mit dem Herzen geschrieben worden.Eindrucksvolle Bilder hat Käthe wieder gut in Szene gesetzt. Danke sagt herzlich Gabi
sternwald schrieb am 21.10.2013:
Den lebendigen Ausführungen der Stadtführerin hätte ich noch lange zuhören können. Ihre Begeisterung war ansteckend. Dass das unscheinbare Weil so viel zu bieten hat! Auch in meinem Kopf existierte bisher nur: Vita-Museum, Durchfahrt nach Riehen und LKW-Stau. Nach diesem wunderschönen Spätsommernachmittag muss ich Abbitte tun. Der Bericht und die schönen Bildern lassen alles, was wir miterlebt haben, noch einmal wunderbar Revue passieren. Eine herrliche Erinnerung. Dank der Schreiberin und den Fotografen. Barbara
Sonnengarten schrieb am 21.10.2013:
Dem Bericht zufolge ist es ja wieder einmal ein wundervoller Hock gewesen. Superfotos, sehr gut geschriebener Bericht. Für mich ists als wäre ich dabei gewesen ... prima und Glückwunsch. Grüßle *Ursel*
Musy schrieb am 21.10.2013:
Das war ja hoch interessant, bin ich doch früher so oft durch Weil durchgefahren.Städte, die an einer Grenze liegen, hben doch immer eine intresante Geschichte! Ein toller Bricht, Ibo, und ebeno gute Bilder! Musy grüsst alle herzlich.
happy46 schrieb am 21.10.2013:
Ein interessanter und schöner Samstagnachmittag. Obwohl es zum erweiterten Kreis meiner Heimat gehört, mein Vater lebte fast 50 Jahre in Weil, habe ich viel Neues gehört und erfahren. Eine gute Stadtführung, äusserst unterhaltsam und kurzweilig. Der Bericht von Ingeborg ist sehr gut geschrieben, man erlebt den Stadtrundgang noch einmal. Vielen Dank liebe Ingeborg, vielen Dank auch an "unsere" Käthe für die wie immer gute Organisation. Auch ich freue mich schon auf die nächste Veranstaltung. Herzlichst Happy46
shanai schrieb am 21.10.2013:
Wer hätte das gedacht, dass Altweil so viel zu bieten hat! Ich war neugierig auf diese Führung und erst recht auf den Bericht, den Ingeborg so wunderbar geschrieben hat. Ein großes Lob liebe Ingeborg und ganz besonders weil du dich ganz freiwillig bereit erklärt hast ihn zu schreiben - herzlichen Dank! Hanspeter und Udo haben mir ergänzende Fotos gesendet, auf die ich nie verzichten möchte. Ich freue mich schon auf den nächsten Ausflug mit euch, Käthe!
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