Karate

Ich bin 62 Jahre alt und übe mich seit 25 Jahren noch (fast) jede Woche dreimal in Karate. Unterdessen bin ich der Älteste. Lange hatte ich Mühe, mit den zunehmenden Altersbeschwerden zurechtzukommen und diese zu akzeptieren: Man wird langsamer! Mein Lehrer hat mir einen guten Rat gegeben: „Ärgere Dich nicht über das, was du nicht mehr kannst, arbeite an dem, was noch geht". Unterdessen habe ich gemerkt, dass das Alter nicht nur ein Nachteil sein muss. Gewisse Dinge kann man mit den Jahren besser verstehen und voraussehen. So mussten wir eines Abends vor der Schweizermeisterschaft der Elite-Junioren mit den Jungen kämpfen. Natürlich bin ich längst nicht mehr so schnell wie diese, verfüge aber über eine langjährige Kampferfahrung und habe bei den Kämpfen vorher gesehen, was kommen wird, und habe so mehrere Kämpfe gewinnen können. Zurzeit bereite ich mich auf den 3. schwarzen Gurt vor.

Mit Karate habe ich angefangen, weil mein Sohn Karate gemacht hat, und ich meine Grenzen ausloten wollte. Neben der guten Kameradschaft, die mir stets wichtig war, habe ich auch viel für den Alltag mitgenommen, so etwa Selbstbeherrschung. Wer sich ärgert und rumschreit, setzt sich ins Unrecht, auch wenn er eigentlich im Recht ist. Was mir an Karate so gut gefällt ist, dass man Lehrer und Schüler zugleich ist: am Anfang mehr Schüler, später mehr Lehrer. Wir haben auch etliche Leute, die über 50 Jahre alt sind. Etliche schwierige Kinder wurden aus Therapiegründen zu uns geschickt. Man freut sich dann, wenn man sieht, wie aus den Kids integrierte und sozialisierte Menschen werden. Ich kann seither auch besser mit (schwierigen) Teenagern umgehen. Ich hoffe, ein paar positive Gedanken über unseren Sport hinüber gebracht zu haben.
Andreas (Corpusier)