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Von Bakschisch zu Bakschisch

Ein nicht ganz ernst zu nehmender Reisebericht

Vorwort:
Diesen Bericht begann ich an den Füßen der Pyramiden von Gizeh. Atmen Sie mit mir den Duft jahrtausender alter Weltkulturen der Menschheit. Sollten Sie etwas anderes riechen, liegt es möglicherweise am Lüften Ihrer Wohnung.

Als wir die Reise gewannen, ahnten wir noch nicht, dass sie uns noch ein Mal das Doppelte kosten würde. Aber wir hangelten uns durch: von Bakschisch zu Bakschisch und waren nach der Wiederankunft in Deutschland richtig verwundert, als der Kassierer unserer Kaufhalle für den Einkauf 16,35 Euro verlangte und wir großzügig und wie gewohnt sagten: „Ziehen Sie 18 ab.“
Er schaute uns an, als kämen wir vom Zehnprozentbakschischland, was ja schließlich auch fast stimmte. „Bakschisch ist kein gewöhnliches Trinkgeld, sondern vielmehr ein Tribut des Reisenden an den Exoten; es ist das Eintrittsgeld in die Welt des Orientalen, die Vergnügungssteuer für die Besichtigung des nahöstlichen Theaters. Wie die Zahlung des Zehnten an den Fronherrn gewährt das Bakschisch für ein Weilchen Ruhe. Bakschisch ist noch mehr als das: Es ist der Hebesatz für den Arm des Kofferträgers, das Lösegeld für die Zunge des Auskunftsbeamten, die Drückgebühr für das Auge des Gesetzes, der Fahrpreis für die Gesichtszüge des Hotelportiers. Vor allem aber ist das Bakschisch der Zins für die Schuld des Ausländers, kein Morgenländer zu sein. Bei Allah: Wenn einer eine Reise tut, dann kann er viel bezahlen. Doch wer auf solchen Reisen spart, spart zur falschen Zeit. Nur wer zuvor gut spart, der gut fahrt.“ schrieb einmal Manfred Schmidt. Doch der Reihe nach.

Begonnen hat alles beim Bier, besser gesagt, mit dem Bier, dem Reudnitzer, aus dem gleichnamigen Brauhaus zu Leipzig. Das hatte nämlich einen Säuferwettbewerb, Verzeihung, einen Sammlerwettbewerb ausgeschrieben. Es ging darum, durch das Sammeln einer speziellen Kronenkorkenart, die mit der Abbildung von fünf Tieren des Leipziger Zoos versehen waren, zum einen den Zoo zu unterstützen, zum anderen durch die Vielzahl den Brauereiumsatz zu stärken. Unsinn, sich in Wettbewerb mit anderen Sammlern zu befinden in der Erwartung auf den sehr hohen ökonomischen Zielwert. So lasen wir es eines Morgens in der Tageszeitung. Wir waren einer der drei Hauptgewinner. Als wir das dann auch noch per Brief mitgeteilt bekamen, war es klar, wir hatten tatsächlich gewonnen.

Zunächst sollte es die Cóte d`Azur sein, aber dann entschlossen wir uns doch zum Sprung über das Mittelmeer auf die andere Seite, Ägypten. Einmal vor den Pyramiden zu stehen, die Sphinx zu bewundern und die Füße im Nil zu baden wie einstmals Harry Piel (hatte wir als Kinder gelernt: Harry Piel sitzt am Nil, wäscht die Füße mit Persil), war ein lebenslanger Wunsch gewesen. Jetzt wurde er wahr. Das auch ohne Persil, dafür mit Reudnitzer Premium-Pilsner.

Der Flug mit Air Berlin nach Hurghada über Luxor verlief ohne Probleme, auch das Einchecken im Hotel, nur hundert Meter vom Roten Meer entfernt. Das rauschte freilich nicht am Strand, sondern fünfhundert Meter entfernt, am Korallenriff. Eine ruhige Nacht war gesichert. Endlich begriff ich auch, wie Christus über das Wasser gehen konnte. Nach vierhundert Metern waren meine Knie noch trocken. Sicher kommt der Begriff „Trockenschwimmen“ auch aus dieser Region.

Das Zimmer spartanisch, pardon, ägyptisch, aber zweckmäßig. Zum Sitzen nur das Bett, das ja eigentlich zum Liegen da war. TV-Berichte über heimische Schneekatastrophen wurden durch Schnee auf der Mattscheibe aufgelockert. Die erste Dusche zog eine Kette von Erlebnissen nach sich. Das Wasser lief nicht ab, sondern bis zum Bett im Wohnraum. Vielleicht war es auch müde. Der Duschvorhang reichte bis zur Wade und wedelte stark, was zur breitflächigen Wasserverteilung beitrug.

Für zehn ägyptische Pfund Bakschisch reklamierten wir an der Rezeption. Am nächsten Tag erfolgte prompt die Auswechslung des Duschrequisits mit 10 Pfund Bakschisch für den Auswechsler. Als er draußen war sahen wir es: der Vorhang reichte nun bis zum Allerwertesten. Wieder Reklamation, zehn Pfund an der Rezeption; nächsten Morgen Vorhangabnahme für wieder zehn Pfund (es war ein anderer Abnehmer). Wie bei „Des Kaisern neue Kleider“ stellten wir uns fortan den Duschvorhang vor, denn jetzt gab es keinen mehr. Wie wir später feststellten, war das Bakschisch zu gering gewesen. An der Rezeption verstand man uns plötzlich nicht mehr, obwohl wir es in Deutsch, Englisch und Rumänisch versuchten. Nach 50 Pfund besserte sich die Lage und für zusätzliche zwanzig Pfund brachte schließlich auch eine ganz neue Kraft den Vorhang wieder an. Jetzt war er so groß, dass man den Raum damit drapieren konnte. Das auszuprobieren, dazu kamen wir nicht mehr, denn mit Bus ohne Dusche und Vorhang reisten wir nach Luxor an den Nil.

Während der von schwer bewaffneten Kräften irgendwelcher Militärs oder Polizei begleiteten Busfahrt moserte der Herr hinter uns ständig über „Steinhaufen“, die man sich in Tempeln ansehen müsse, anstatt am Hotelpool ein Bierchen kippen zu können. „Halt die Klappe!“ zischelte seine Frau. “Das gehört zur Bildung.“ „Hab ich 60 Jahre nicht gebraucht“, zischelte er zurück, was ein nicht mehr verständliches Dauerzischeln auslöste, bis er am ersten Haltepunkt sein Bier in der Hand hielt. Ohne die Marke zu lesen setze er zum großen Hieb an. Man ahnt ja gar nicht, was so ein Schluck für einen Schock auslösen kann. Arglos ein Bier verlangt in einem islamisch orientiertem Land, es auch bekommen und beim ersten Schluck festgestellt, dass man betrogen worden ist: Clausthaler ohne Alkohol! Und das bei dem Extrabakschisch! Der Mann stieß einen Schrei aus, der die Mumien ganz Afrikas zusammen fahren ließ und der Sphinx die Nase absprengte. Dann warf er die Flasche etwas olympisch ungeübt von sich, wobei er von „Pfui Teufel“ sprach, den hier keiner kannte. Mit Bildung hätte er gewusst, dass es „Osiris“ und „Isis“ heißt, denn das sind hierzulande die Götter der Unterwelt. Die Flasche traf den Busreifen (Bakschisch für den Busfahrer!), prallte dort ab und traf das Knie eines Kamels, das gerade vorbei trabte. Dieses ging daraufhin in die Knie, wobei es seinen Reiter abwarf, was den Kameltreiber zu hartnäckigem Handel über den Bakschisch veranlasste. Nun ja, man wurde sich einig, aber das ganze Kamel wollte der Mann von hinter uns ja nun auch nicht gleich kaufen.

Als sich der Bus wieder in Bewegung setzte, zogen wir zwei Flaschen original „Reudnitzer Pilsner“ aus dem Rucksack und tranken genüsslich. „Siehste“, stöhnte der Zischer hinter uns, „das hätten wir einpacken sollen, aber du musstest ja den ganzen Kleiderschrank mitnehmen.“ Als kleinen Trost schenkten wir ihm eine Flasche, wofür er sich später gründlich revanchierte. Im Bus allerdings sprach jemand von „biersaufenden Kulturbanausen“. Und die Moral von der Geschicht: Man sieht: vergeblich und umsunst paart Trunksucht sich mit Brauhauskunst.

In Luxor ging’s aufs Schiff. Eine gelinde Untertreibung, wie mir jeder Ägypten-Nil-Reisende bestätigen wird. Es ging in einen Gebäude-Stadtteil-Wohnkomplex, ähnlich der ostdeutschen Plattenbausiedlungen, wo man erst am nächsten Morgen feststellt, neben der falschen Frau im falschen Bett in der falschen Wohnung mit gleichen Einrichtungsgegenständen genächtigt zu haben. Jedenfalls waren wir nach der Nilüberschreitung durch zwölf Schiffe und ihren Lobbys endlich am Ziel. Da uns das Wasser ohnehin schon bis zum Halse stand, waren wir nicht verwundert, dass es mit der Kabine auch so war. Die Mannschaft, so hörten wir, wohnte noch tiefer unter uns. „Wie die Menschen im Lande, glücklich und zufrieden“, sagte der Reiseleiter, „weil sie nichts anderes kennen.“

Während der folgenden acht Tage auf dem Schiff schien sich das zu bewahrheiten. Sie kannten kein Rückgeld, kein Wechselgeld, nur Bakschisch war bekannt. Von den gleich am ersten Tag mit Reiseunterlagen und mündlichem Reiseleiternachdruck geforderten „freiwilligen (Zwangs)-abgabe von 25,- Euro pro Tourist als Trinkgeld für die Besatzung!“ hatte das Personal allerdings auch keine Ahnung. Wer weiß, wer damit glücklich und zufrieden lebte, weil er nichts anderes kannte. Der biertrinkende Zischler übrigens bewohnte mit seiner Frau die Nachbarkabine. Als ich diese Zierde weiblicher Bauart am nächsten Morgen sah, begriff ich, warum er trank und manche Frauen verschleiert gehen.

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Der Luxortempel befand sich vis a vis vom Schiff. „Seit über viertausend Jahren wurde hier nichts verändert“, erläuterte der Reiseleiter. „Siehst Du“, zischelte jetzt unsere Nachbarin, „die haben den gleichen Hausbesitzer, wie wir.“ Ihn interessierte das nicht. „Das Mittag war eine glatte Lachnummer. Fleisch können die hier scheinbar gar nicht kochen. Gott sei Dank habe ich die Zähne meines Vaters“, lamentierte er. Bei der Auslegungsmöglichkeit seiner Worte mussten wir doch schmunzeln. Plötzlich wurde er aber doch interessiert. Er wies auf eine Wandgravur im Säulensaal und meinte zu seiner Frau: „Nun sieh dir das Ding an; das soll der Gott der Fruchtbarkeit gewesen sein?! Na, da siehst’e mal, was du an mir hast.“ Sie kicherte schamhaft wie ein Backfisch und zog ihn weiter. Rechtzeitig genug, um den Bakschisch erwartenden Worten eines Wärters oder Aufpassers zu entgehen. Der meinte nämlich zu wissen, wo es noch mehr dieser männlich skabrösen Requisiten (Heine, Zur Teleologie) zu sehen gäbe.

Weil wir uns jedoch nicht sicher waren, ob er uns in eine Gemäldegalerie oder ein männliches Freudenhaus bringen würde, zogen wir es vor, bei unserer Reisegruppe zu bleiben, wo uns der Reiseleiter auch sogleich mit Obelisken anderer Art erfreute.

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Sieht man einmal vom verwendeten Baumaterial ab, dann hatten die vielen Tempel doch gewisse Gemeinsamkeiten: der offene Hof, die überdachten Säulenhallen (von Ausnahmen abgesehen inzwischen auch alle oben offen), die Nebenkammern, die je nach Reiseleiterdeutung mal für Vorräte, mal für die Priester und mal als Kinderstuben Verwendung fanden. Später, als das Christentum sich in Wandergruppen formierte, waren es auch ungenutzte Kapellen und erste Opferstätten. Jedenfalls versuchte uns das der Reiseleiter einzureden, wenn er auf die geschwärzten Decken und Wände hinwies. Es sei dort gekocht und geheizt worden. Man stelle sich das vor, mit offenem Feuer. Na ja, der Elektroofen war halt noch nicht erfunden. Allerdings hatte er noch nie Deutschland und da speziell zur DDR-Zeit die Region Leipzig-Halle besucht. Sonst hätte er gewusst, dass Umweltverschmutzung viel häufiger Ursache für die Schwärze im sich zersetzenden Sandstein ist.

Was uns aber besonders auffiel war, dass man in Ägypten offenbar der Vielzahl von Behinderten, Rollstuhlfahrern, gedachte. An jeder Hotelrezeption gab es Rollstühle und egal ob Tempel oder Grabmal, Großstadt oder Siedlung: Rampen waren überall vorhanden.

Sie scheinen ohnehin die älteste Ausdrucksform im Bauwesen der Menschheit zu sein. Mit Rampen wurden die Pyramiden und Tempel erbaut, Material aller Art über weite Strecken transportiert, Obelisken aufgestellt. Nur einheimische Ägypter oder Nubier oder Fellachen oder wie sie alle heißen in diesem Land am Nil, sah ich nie im oder mit dem Rollstuhl. Und gab es in der Neuzeit des Tourismus als modernster Form der Völkerwanderung einmal keine Behinderten, so wurden sie geschaffen, indem man Touristen über fünf bis sechs verschieden hohe Schiffs- bzw. Bootskörper klettern oder steile, mit Rohren zusätzlich ramponierte Treppen stolpern ließ. In unserer Reisegruppe kamen dadurch innerhalb von Minuten drei Personen in den Besitz eines Rollstuhls, was in Deutschland monatelange und schwere Kämpfe mit der Bürokratie gekostet hätte. Hier kostete es nur Bakschisch. Bakschisch auch, um diese drei nun mit den Mahlzeiten zu versorgen, denn es war „strenk verpoten“, so stand es an der Tür zu lesen, Speisen aus dem Speisesaal heraus zu nehmen. Nur: was hatte das mit dem Eierlikör zu tun? Sakra! - Nein, „Sakara“ hieß das örtliche Bier nach der Stadt Sakar, und durfte mitgenommen werden für einen Bakschisch. Auch „Stella“, wobei es sich nicht um das Drama von Goethe, sondern ein ägyptisches Lagerbier handelte, das offenbar aus der Zeit Ramses II. stammte; jedenfalls schmeckte es so. Ohnehin muss es in Ägypten mehr Rotweintrinker geben. Rotwein soll die Bildung von Steinen in Nieren und Harnblase fördern, die dann wieder ausgeschieden oder operativ entfernt werden müssen. Und an Steinen mangelt es in diesem Lande nicht. Weder an denen in den Tempeln, noch an denen ringsherum. Steinwüste reiht sich an Steinwüste und gibt damit eine Vorstellung, was man in Kreuzworträtseln unter „Areg“ oder „Reg“ versteht.

Steinreich müssen heute auch die Ägypter am Unternil sein, denn seit es den „Assuan-Staudam“ gibt (1954), gibt es keine Überschwemmungen mehr. Und ohne Überschwemmung auch keinen Nilschlamm, der zu Ziegeln gepresst das beste Wärme und Kälte regulierende, kostenlose Baumaterial war. Drei Jahreszeiten gab es damals, und eine Ernte. So sind die ärmlichen Hütten aus Nilschlamm aus Vor-Nasser’scher Zeit fast schon wieder solche Denkmale geworden, wie die Tempel der Götter der Pharaonen. Und ernten kann man jetzt drei Mal im Jahr.

Lenin sei Dank, dass es die Sowjetunion gab, die das Riesenvorhaben Assuan finanzierte. Abd el-Nasser, seit langem der erste Ägypter, der das Land nach einem Staatsstreich gegen König Faruk regierte, wollte auch sich eine Pyramide errichten lassen, um für die Ewigkeit in Geschichtsbüchern zu stehen. Das lehnten seine Generäle ab, auch einige Demokraten, die es damals schon gab. Nicht Pyramiden, Energie brauche das Land. So reifte ein genialer, fast phantastisch zu nennender Plan, für den es nur an Geld mangelte. Nachdem die westlichen Staaten abgesagt und auch die USA „NO“ geschmettert hatten, wofür sie sich heute am liebsten an eine bestimmte Stelle beißen möchte, sprang der Osten ein. Die so genannten sozialistischen Staaten unter der Führung der „Union der sozialistischen Sowjetrepubliken“ finanzierte und baute das Nasser-Denkmal, den Assuan-Staudamm. Tempel sollten für immer im Wasser verschwinden, außer einem, den Ramses-Tempel, wie die UNO forderte. Ein gigantisches Projekt, denn es gelang, in vier Jahren eine komplette Tempelanlage viele Kilometer ferner und etliche Meter höher wieder in den Felsen zu bauen: Abu Simbel.

Die heutigen Ägypter und Nubier, von letzteren gibt es mehr im Land, müssen Freud’ und Leid ertragen. Der Staudamm gibt ihnen Energie, sehr viel Energie. Hunderte von Kilometer langen Fernverkehrsstraßen sind taghell erleuchtet. Ob auch am Tage, kann man wegen des gleißenden Sonnenlichtes nicht genau erkennen. Manchmal sind es auch die Autoabgase, die das erschweren. Neue Autos braucht das Land, könnte man sagen, wenn man die Gefährte zuweilen sieht. Was sie so schlucken? Unwichtig in einem Land, in dem man für einen Euro sieben Liter Benzin oder zwölf Liter Diesel tanken kann. Für einen halben Liter Bier muss man da schon das Vierfache hinlegen. Problematisch bleibt der Staudamm alle Male. Der Erzfeind Israel könnte ihn bombardieren und ganz Ägypten wäre unter Wasser. Die so genannte „humane Kriegsführung“. Dem begegnet man, indem überall die völlig unauffällig, mit schwarzen und gestreiften Anzügen bekleideten Herren herumstehen, einige wenige Uniformierte auch noch sowjetische Waffen, Überhangbestände aus dem 2. Weltkrieg, mit sich tragen, als könnten sie so einer Gefahr aus der Luft begegnen. „Der Staudamm hat so viele Steine, die ein Überlaufen gar nicht möglich machen“, versuchte der Reiseleiter offenbar nur sich selbst zu beschwichtigen, denn angesichts der Gefahren, die dieser Damm mit sich bringt, bedarf es schon eines sehr großen Glaubens, egal welcher Religion auch immer. Und Hilfe aus der untergegangenen Sowjetunion, die ihrerseits jetzt Hilfe bedarf, gibt es nicht mehr. Aber vielleicht haben sich die Amerikaner inzwischen doch überwunden und schon einen Stützpunkt angelegt, den es zum Schutze amerikanischer Interessen zu schützen gilt.

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„Kann man da drin auch baden?“ fragte der Zischer von der Busbank hinter mir. „Ja“, sagte der Reiseleiter, „aber nur einmal im Leben. - Hinter dem Staudamm, in Richtung nach Sudan, gibt es sehr viele von den berühmten Nilkrokodilen.“ Der in der Gruppe mitreisende Arzt aus Stuttgart kommentierte, dass das wohl nicht die größte Gefahr sei, bei all den in den Fluss abgelassenen Abwässern, Kloaken und Güllen. „Auch auf Fisch würde ich hier lieber verzichten, wenn es kein Meeresfisch ist.“

Das verstanden wir nun aber nicht, denn schließlich löst sich der längste Fluss der Welt nicht irgendwo in Luft auf, sondern fließt in großem Delta in das Mittelmeer zu den Meeresfischen. Da fließen ja auch noch andere „ungeklärte Fälle“, Wasserfälle, hinein, auch aus angeblich zivilisierten, reichen Ländern. Auch reich an Abfällen und Schmutz aller Art. Ob das allen Menschen bewusst ist? Sicherlich nicht. Jedenfalls sind die Dreckberge, Abfallhalden an Häusern und Katen, beredtes Zeugnis dafür, dass Abfallentsorgung in Ägypten kein Thema ist. Ist man die älteste Kultur der Welt geworden, wird man auch so ein paar Abfälle überstehen. Aus Mangel an anderen Themen berührt das wohl nur uns Deutsche.

Von der Vielzahl der Gräber im „Tal der Könige“ konnten wir drei besuchen. Ramses II. war unser Favorit und natürlich das Grab von Tuchenamon (Tutankhamun), dem einzigen, das nicht ausgeraubt wurde, weil es die Grabräuber nicht fanden. Es lag unter einem anderen Grabeingang. Zugeschrieben wird der Fund dem englischen Archäologen Charter 1923, aber in Wirklichkeit war es ein Esel, der an dieser Stelle im Sand versank und Charter veranlasste, dort zu graben.

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Was er in der unbeschädigten Grabkammer vorfand, übertraf alle Erwartungen. Der reichste und kompletteste Fund aller Zeiten, und das von einem für die ägyptische Geschichte unbedeutendem und nur ganz kurze Zeit regierendem König. In drei Sarkophagen, zwei aus vergoldetem Holz, der letzte aus purem, massivem Gold, lag der Pharao mit einer Totenmaske aus Gold. Viele weitere Grabbeigaben, Thron, Nachbildungen von Figuren aus seinem Leben vervollständigten das Ereignis, das mit Kartuschen und Keilschriften versehen war und somit umfassend Auskunft gab. Für den Betrachter ist es nicht der Wert des Goldes, es ist die Schönheit, die Harmonie, die meisterliche Handwerkskunst, deren die Menschen vor Jahrtausenden fähig waren, ihrem weltlichen und religiösem Oberhaupt den Eintritt in das jenseitige Leben zu verschönen. Den achtzehn Menschen, die bei der Graböffnung auf unerklärliche Weise starben, hatte man den Weggang nicht so prunkvoll gestaltet. Aber sie begründeten mit ihrem Tod die Legende vom „Fluch des Pharao“.

„Da hättste ganz schön zu schleppen“, meinte unser Biertrinker, „wenn du das auf dem Kopp hättest“. Womit er die Totenmaske meinte. Der Frau, die wohl doch einige Bildung mehr hatte, fiel etwas anderes auf: „Was meinste, ob der auch Bischof war?“ „Wieso denn das?“ fragte er zurück. „Na guck doch mal was der da für’n Krummstab in der Hand hat. Mit so was ist doch der Ratzinger früher auch rumgerannt“ „Mensch, damit hat der sich das Bier ran gezogen, und mit dem anderen Ding hat er die Fliegen verjagt.“ Eine logische Erklärung. Bei diesen geistigen Auseinandersetzungen angesichts so bedeutender Objekte zogen wir es vor, zum nächsten Grabmal aufzubrechen.

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Bevor wir die Reise nach Ägypten antraten hatten wir uns allseitig informiert. In den Bekanntgaben des Auswärtigen Amtes hieß es, dass man Menschenansammlungen meiden solle und auf mögliche Gefahren achten. Doch wie schon auf der Fahrt von Hurghada nach Luxor, so war auch auf der Rückfahrt von Esna nach Luxor und dann weiter nach Hurghada (die Nilschleuse bei Esna ist im Dezember wegen Reparaturarbeiten geschlossen) ein riesiger Buskonvoi von über 50 Bussen gebildet worden, dazwischen Fahrzeuge von Sicherheitskräften. In unseren Augen ein nicht zu wünschendes, aber treffliches Massenziel für Terroristen.

Allein der Besuch des Hatschepsut (Hatchepsut)-Tempels an dem der terroristische Anschlag von 1997 stattfand, der auch Touristenleben forderte, lies uns recht nachdenklich werden. Immer wieder ging der Blick in die nahen Berge, auf die Steinkämme und zu den Felslöchern, ob da nicht Jemand lauere.

Ein Konvoi wurde auch zwei Tage später erstellt, als es nach Kairo, dem nie schlafenden Moloch, der Hauptstadt des Landes mit über 8 Millionen Einwohnern, ging. Die Abfahrt war für 2 Uhr in der Nacht angesetzt, denn es galt rund 600 km zu überwinden. Nachts sind auch in Ägypten alle Katzen grau, weshalb sich die Fahrgäste lieber von innen besahen, als aus dem Fenster zu schauen. Dort wurde es ebenso schnell Tag, wie es abends dunkel wurde. Der Blick ging auf den Golf von Suez, dieser engen Stelle des Roten Meeres, an der der berühmte Kanal die Verbindung zum Mittelmeer herstellt. Deshalb auch die Ansammlung so vieler Frachtschiffe, die gegen ein erhebliches Bakschisch an den Staat, Kanal-Maut oder Durchfahrtsgebühr geheißen, neben dem Tourismus die zweitgrößte Einnahmequelle des Landes darstellt. Eine endlose Stein- und Geröllwüste auf einer Seite, das Rote Meer 5 Meter zur Rechten, bogen wir nunmehr in Suez nach links ab. Auf der anderen Meeresseite wussten wir den Sinai, jene noch immer gefährliche und umstrittene Halbinsel. Richtung Kairo ging es jetzt. Kairo, auch Al Kaira genannt, was nicht mit Al Khaidar verwechselt werden sollte, verblüffte zunächst durch seine vielen Baustellen. Überall ragten aus halbfertigen Häusern Pfosten und Säulen mit Armierungsstahl empor. Das war uns schon bei der Nilreise aufgefallen, wurde aber hier in der Hauptstadt richtig augenfällig. Auf eine entsprechende Frage unseres Biertrinkers klärte uns der Reiseleiter auf. „Das sind keine Baustellen, keine Investruinen, keine Halbfertighäuser. Das sind ganz normale und bewohnte Gebäude.

Einer Tradition folgend werden aber immer Bauteile gesetzt, die unkompliziert einen Weiterbau ermöglichen, wenn z.B. ein Kind in der Familie zur Welt kommt, eine Ehe geschlossen wird, oder der Bauherr so reich ist, dass er sich eine weitere Frau nimmt. Manchmal ist aber auch das Geld ausgegangen und man wartet auf bessere Zeiten.“ Welches wirkliche Baustellen waren, das erkannte man an wenig Vertrauen erweckenden Gerüsten, denen wir nicht einmal unsere Videokamera anvertraut hätten. Bei vielen Gebäuden erlebten wir wieder den schon erwähnten Rampenbau. Allerdings aus Schutt und Unrat. Die Frage nach einer Müllabfuhr ließ der RL unbeantwortet. Warum die öffentlichen Linienbusse aber alle einen Dachauspuff haben, konnte er uns beantworten:„ Weil das gesünder für das Grün zu ebener Erde ist.“

Das sahen wir aber in dieser Stadt kaum. Kein Wunder bei Niedrigtemperaturen von 20 Grad Celsius im Schatten während unserer Winterzeit. Nachts wird es empfindlich kalt meinen die Ägypter; 18 Grad Celsius! Die Badewanne Rotes Meer hatte Ende November bis Mitte Dezember 22 Grad Celsius und kletterte in dem seichten Vor-Korallen-Gewässer im Tagesverlauf bis 25 Grad. In Kairo war das alles etwas niedriger, und es hatte dort auch zwei Tage zuvor geregnet: 20 Minuten lang, was Beifall bei den Einheimischen ausgelöst hatte. Auch in Hurghada hatte es geregnet: im Jahre 1993 für 10 Minuten. Der dortige Kofferboy fragte uns, was Schnee sei. Wir sahen gerade die alpine Abfahrt der Herren im Fernsehen. Schnee ist auch gefrorenes Wasser, was er von der Hotelbar her kannte, aber eben anders.

Das Gejammer des Ehepaares hinter uns ließ die Frage aufkommen, wovor sie sich so fürchteten? „Vor dem Verkehr.“ „Aber in Ihrem Alter sollten Sie doch damit schon umgehen können. Haben Sie denn keine Kinder?“ „Aber das meine ich doch gar nicht,“ jammerte die Frau, „sehen Sie sich doch bloß mal an, wie die hier fahren!“ Ach so, die beiden meinten den Straßenverkehr. Da glaubten wir schon eine bestimmte Regelung erkannt zu haben, aber kaum wollte die sich verfestigen, kam wieder alles ganz anders.

Manfred Schmidt, der schon zitierte Reisebuchautor meinte zum Verkehrsaufkommen in der ägyptischen Hautstadt „Die Bevölkerung Kairos wäre bei der dort üblichen Fahrweise in einem Monat ausgerottet, wenn die Einwohner nur das gängige mitteleuropäische Reaktionsvermögen hätten. Die Fußgänger Kairos berechnen mit einem Seitenblick blitzschnell aus dem Tempo des nahenden Autos und der eigenen Marschgeschwindigkeit auf den Bruchteil einer Sekunde genau, wann sie mit einer leicht torero-artigen Drehbewegung ausweichen müssen, um von den vorbeizischenden Kotflügeln nur noch leicht am Burnus gestreift zu werden. So kommt es, dass die Kairoer Taxis an den Seiten stets sauber abgewischt, die Burnusse der Fußgänger dagegen jedoch meist ziemlich dreckig sind. Selbstverständlich gibt es auch Ampeln mit der Farbe Grün-Gelb-Rot, aber die haben nur symbolische Bedeutung und lassen die Umwelt bunter erscheinen. „Wir haben sogar eine Straßenverkehrsordnung!“ Voller Stolz sagte das der RL und fügte etwas leiser hinzu: „Aber auch viele Analphabeten“.

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Bis heute gibt es kaum Strafmandate, denn weder Fußgänger noch Radfahrer haben einen Piaster in der Tasche. Schlimmsten falls haut der Polizist dem Verkehrssünder ein runter, womit die Sache beigelegt ist. Einem Taschendieb, so beobachteten wir in einer Nebenstraße, traktierte der Polizist mit einer dünnen Gerte die Hände, trat ihm abschließend in den Allerwertesten und wandte sich ab. „Na, das hatte ich mir aber anders vorgestellt“, kommentierte unser Nachsitzer, als der Bus vor den Pyramiden hielt. „Ich dachte an die Pyramiden in der Wüste und nicht an das Wüste an den Pyramiden.“ In der Tat. Zirka vierzig Busse parkten hier und der riesige Menschenstrom schob sich durch den Sand. Lebenslustige Leute, Touristen, wollten plötzlich alle ins Grab. In die Grabkammer des Sohnes von Cheops nämlich, die genau in der Mitte der zweitgrößten Pyramide in 35 Meter Tiefe liegt. Ist es schon so ein erhabenes Gefühl vor diesen Weltwundern zu stehen, so ist es im Innern erschaudernd. Die Kleinheit des eigenen Ichs im Weltgeschehen, die Bedeutungslosigkeit angesichts der Leistungen der Vergangenheit, das Bewusstsein von Millionen Tonnen Steinen über dem Kopf, das ist das Erlebnis der besonderen Art.

„Nee, da wollen wir mal lieber schnell raus gehen, ehe das vielleicht doch mal runter kommt,“ sagte er und rieb sich den Schweiß von Stirn und Nacken. „Das ist mir zu gefährlich hier drin.“
„Nun warte doch mal,“ haderte sie, „so ein Grab muss man doch erleben.“ „Laß’ mal,“ meinte er, „du kriegst doch sowieso ein Urnengrab, und das ist entschieden kleiner.“

Die Cheopspyramide, mit jetzt noch 48 Meter Höhe die größte, soll einmal 61 Meter hoch gewesen sein. Sie hat sich nicht tiefer in den Sand gebohrt, was angesichts der Steinmasse sogar akzeptabel gewesen wäre, nein, sie hat Oberfläche verloren. An der Pyramide des Cheops-Sohnes kann man das noch an der Spitze erkennen. Die Pyramiden waren mit (wahrscheinlich) poliertem Kalkstein verkleidet. Der Zahn der Zeit und der Sand der Wüste haben daran genagt und gezeigt, dass alles –vielleicht nicht ganz alles- vergänglich ist.

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Bei Cheops gibt es sogar noch Hoffnung einen weiteren Originalsarkophag mit Grabbeigaben zu finden. Es wurde nämlich bisher nur eine Scheingrabkammer gefunden, die zum Schutz vor Abnutzung und zur Erleichterung weiterer Forschungen im Innern der Pyramide, täglich nur noch von 750 Besuchern betreten werden darf. Dafür sind die Karten natürlich bis 9.00 Uhr verkauft.

Zu den heutigen Weltwunder gehört das schier endlose Heer der Kameltreiber rund um die Pyramiden, die mit einem an Wunder grenzendem Einfallsreichtum den Touristen das Kamelreiten schmackhaft machen, zumindest aber das typische Gizeh-Foto vor dem Kamel mit einem „echten“ Beduinen oder Tuareg. Das Bakschisch nimmt hier Ausmaße an, das die Größe der Pyramiden weit übertrifft. Hätte die Sphinx ihre Nase nicht schon verloren, sie würde sie schamhaft rümpfen bei den Souvenirangeboten billiger Industrieprodukte, die als „echter roter Granit“ oder „Alabaster“ oder „Teakholz“ angeboten werden. Aber immer wieder gibt es Menschen, die darauf reinfallen. Auch unser Ehepaar gehörte dazu. Für umgerechnet sechzig Euro hatte er einen Kaftan mit einfacher Stickerei erhandelt und sie mehrere Holz- und Steinfiguren für noch einmal fünfzig Euro. Der Reiseleiter bewertete die Dinge und meinte, dass zehn Euro für alles zusammen schon sehr reichlich gewesen wäre. Als unser Biertrinker zum Gaudi der Gruppe den Kaftan überstreifen wollte, erwies dieser sich als zu klein und eine Naht riss auf. Als Faschingskostüm war das Teil schon hier nicht mehr verwendbar. Ihr fiel beim Einsteigen in den Bus der Gott Aton aus rotem Granit aus der Hand und zerbrach; es war bemalter Gips. „Das kleben wir wieder. Ist schließlich eine Erinnerung.“ Wer so einfach zufrieden zu stellen ist, dem gebührt unsere Achtung.

Es war schon wieder Nacht, als wir unser Hotel erreichten. In der Hallenbar ging es hoch her. Gerade erklang alkoholkehlig „Bier her, Bier her, oder ich fall um ...“, was im gleichen Moment geschah, auch ohne Bier. Unser Hintermann sprang sofort helfend hinzu, wohl in der Hoffnung auch noch ein Schlückchen zu erhalten. Als wir dreißig Minuten später noch einmal zum Safe an die Rezeption mussten, sang auch unser Nachbar mit und hatte sich mit einem Kellner und zwei Kumpane verbrüdert. Sie sangen das Lied von der stillen Nacht, das sich hier recht laut anhörte. Auf dem Tresen standen noch eine Anzahl Flaschen ganz, halb und gar nicht gefüllt. Man fragt sich, wovon die Leute immer voll, wenn doch die Flaschen leer sind. Da erklang das Lied von dem entsprungenen Ross. Wir drückten die Daumen, dass es wieder eingefangen wird und wünschten allen eine Gute Nacht.

Nachwort:
Lassen Sie sich von diesem Reisebericht nicht beeindrucken und reisen Sie getrost in das Bakschischland. Wenn Ihr Konto Ägypten aushält, dann halten Sie es in der ganzen Welt aus.

Nachgedanken zu den Schriften:

Der Vater schrieb an einem Brief,
doch seine Schrift war kraklig schief.
„Papa, in deinen Briefen
schreibst du so tolle Hieroglyphen.“
Doch Väter, die schon sauer sind,
reizt nur, wer für die Folgen blind.
Der Sohn, ansonsten doch ganz helle,
erhält urplötzlich eine Schelle.
Fünf Finger glühen rot wie Mohn.
„Und das ist Keilschrift, lieber Sohn!“

Autor: Feierabend.de Mitglied Mickel

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